von Georgia Hädicke, 26. Mai 2023
Der Personalchef der deutschen BNP Paribas spricht von einem „War for Hands“. Die IT-Chefin der KfW von einem „unglaublichen Engpass an Fachkräften“. Und die Beraterfirma ZEB sah im Bewerbermangel zuletzt sogar „eine existenzielle Bedrohung“ für die hiesige Finanzbranche.
Doch zugleich: Jagt bei deutschen Fintechs seit Monaten eine Entlassungsrunde die nächste. Erzählte die Chefin eines Berliner Finanz-Startups neulich, dass sich die Lage am hauptstädtischen Arbeitsmarkt merklich entspannt habe (in Zahlen: Kandidaten, die unlängst noch sechsstellige Gehälter aufriefen, sind jetzt auch wieder für vielleicht 70.000 bis 80.000 Euro zu haben). Und berichtete dieser Tage auch ein Frankfurter Bankmanager, dank überlaufender Fintech’ler sei das Recruiting zumindest in einigen Bereichen nicht mehr das ganz große Problem.
Wo die Wahrheit liegt? Nun, dass es da draußen generell an Fachkräften mangelt – daran dürfte kein Zweifel bestehen. Genauso wie es umgekehrt sicher richtig ist, dass zumindest einige Personaler infolge der Fintech-Krise eine punktuelle Entspannung wahrnehmen. Die Frage allerdings ist: Sind die, die bei den Fintechs entlassen werden, überhaupt die, die von den Banken (und von anderen Fintechs) gesucht werden? Und wenn ja – wollen die denn überhaupt bei einer Bank (oder einem anderen Fintech) anheuern?
Rückblick: Vor ziemlich genau Jahr war Klarna das erste namhafte Fintech, das in großem Stil plötzlich Stellen abbaute. Damals kursierte ein Excel-Sheet, in das sich von der Kündigung betroffene Beschäftigte eintragen konnten, um von Recruitern kontaktiert zu werden. Da Klarna auch in Deutschland große Niederlassungen unterhält, standen auf der Liste auch die Namen von 67 hierzulande ansässigen Mitarbeitern. Wo sind diese gelandet? Bei Banken? Fintechs? Oder in ganz anderen Branchen?
Bei 60 der damals 67 Profile sind wir fündig geworden. Hier unsere Auswertung auf Basis von Linkedin-Angaben:
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Bei den 60 Ex-Beschäftigten, die auf ihrem Social-Media-Profil mit Informationen zum aktuellen Arbeitgeber teilen, finden sich rund 20, die weiterhin in der Finanzbranche arbeiten – allerdings sind 10 davon laut ihrer eigenen Angaben weiterhin bei Klarna beschäftigt (was bedeutet, dass sie ihren Namen damals vorsorglich auf die Liste gesetzt haben oder dass die Kündigung zurückgenommen wurde oder dass sie ihr Linkedin-Profil noch nicht aktualisiert haben). Rechnet man diese heraus, bleibt gerade mal ein Fünftel, das zu einem anderen Fintech-Unternehmen gewechselt ist. Beliebtere Arbeitgeber sind offenbar Medienunternehmen (dazu zählen Agenturen ebenso wie Plattformen), Consulting-Firmen (wobei wir hier auch selbstständige Berater dazu zählen) sowie „Software as a Service“-Anbieter im B2B-Markt.
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Bei den Fintechs, die aus den Reihen der Ex-Klarna-Beschäftigten rekrutiert haben, tut sich keines als Hauptabnehmer hervor – und auch bei den Geschäftsmodellen und Unternehmensgrößen zeigen sich keine Schwerpunkte.
Am ehesten lässt sich eine Tendenz zu B2B-Geschäftsmodellen ausmachen, was insofern plausibel wäre, als diese bei Investoren als etwas robuster gelten – und mithin auch durch die Krise hindurch zum Teil noch Stellen aufbauen konnten.
Abgesehen von 2 selbstständigen Beratern, haben wir bei 48 Personen die Arbeitgeber zumindest mal grob kategorisiert in Digitalunternehmen (= Firmen, die im Digitalboom der vergangenen 15 Jahre entstanden sind) und Traditionsunternehmen (=solche, die nicht erst mit der Digitalisierung groß geworden sind). Und siehe da: Die Digitalwirtschaft greift den überwiegenden Teil der Talente ab. Ein Fintech-Mitarbeiter bleibt offensichtlich gerne zumindest dem Tech treu, was ja durchaus einleuchtend ist. Allerdings: Immerhin 9 der Ex-Klarna-Mitarbeiter und somit immerhin 19%, landeten bei einem Traditionsunternehmen – und nicht ein einziger oder eine einzige indes bei einem klassischen Kreditinstitut.
Freilich, man kann von diesem begrenzten Ausschnitt nicht auf den gesamten großen Arbeitsmarkt für die Finanzbranche schließen – handelt es sich hierbei doch um eine begrenzte Auslese von Funktionen (vornehmlich Backoffice) und Standorten (vornehmlich Berlin). Trotzdem ist auffällig, dass trotz kolportiertem Digital-Fachkräftemangel in der Finanzbranche nur wenige der Ex-Klarna-Beschäftigten in selbiger hängen geblieben sind. Dafür gibt es folgende mögliche Erklärungen:
Fest steht jedenfalls: Wo ein Fintech entlässt, schauen nicht mehr nur die Finanz-Recruiter ganz genau hin.
Wie stark entlassen unsere Fintechs wirklich? Hier die ultimative Tabelle!
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