von Malte Gündling, Philipp Bulis und Dr. René Fischer, 13. Januar 2022
Bei „Buy now, pay later“ gehen die Meinungen unter den Branchenexperten weit auseinander – von “Das ist der nächste große Megatrend für Banken” bis hin zu „Rechnungskauf ist ein alter Hut, der Hype ist übertrieben“. Was ist also tatsächlich davon zu halten? Fünf Thesen zu „BNPL“, und zwar aus der Perspektive deutscher Banken:
Bereits heute wird jeder dritte E-Commerce-Einkauf in Deutschland mittels einer „Pay later“-Zahlungsmethode (Rechnungs- oder Ratenkauf) abgewickelt. Mit dem anhaltenden Wachstum des Online-Geschäfts sowie der immer einfacheren Nutzung von „Pay later“-Zahlungsmethoden wird der dazugehörige Erlöspool für Zahlungs- und Finanzierungsdienstleister bis 2025 jährlich um gut 10% wachsen – und schon bald mehr als 1 Mrd. Euro im Jahr betragen.
Durch den Aufstieg von Neobanken und Neobrokern fällt es etablierten Instituten so schwer wie nie, Neukunden zu gewinnen, insbesondere Neukunden der Generation Z und Y. Das gleiche Schicksal droht Konsumentenfinanzierern. Physische Point-of-Sale-(PoS)-Finanzierungen werden durch das Wachstum des E-Commerce nachhaltig in BNPL-Finanzierungen konvertiert. Zudem können Banken nun durch BNPL-Angebote eine bisher unterrepräsentierte Kundengruppe erschließen: Während der durchschnittliche Konsumentenkreditkunde knapp 50 Jahre alt ist, sind die umsatzstärksten E-Commerce-Kategorien Bekleidung, Schuhe und Unterhaltungselektronik gerade auch für die jüngeren Bevölkerungsschichten hochrelevant.
Wer diese Kunden gewinnt, hat auch Zugang zu möglichem weiteren Finanzbedarf, der bedient werden will. Selbst dominante Preisvergleicher sind vor der Veränderung nicht gefeit, denn mittelfristig werden Zahlungsdienstleister oder E-Commerce-Anbieter mit eigenen Apps die Kundenschnittstelle besetzen – besonders Klarna und Afterpay sind hier bereits aktiv.
Obwohl es um kleine Kreditbeträge und zum Teil zinsfreie Darlehen geht, kann BNPL durch hohe Umschlaghäufigkeit und weniger Bilanzabhängigkeit (z.B. Gebühren statt Zins) renditeträchtiger als die digitale Konsumentenfinanzierung sein. Dies gilt insbesondere unter Berücksichtigung hoher Vertriebskosten über Vergleichsportale und der gesetzlich vorgesehenen Reduktion von Provisionseinnahmen für Restschuldversicherungen.
Dazu kommt, dass die Risikokosten von BNPL bei etablierten Marktteilnehmern meist bei 1% bis 3% liegen – damit sind sie nicht substanziell höher als bei vergleichbaren Ratenkreditkunden.
Banken dürfen nicht den Fehler machen, BNPL als „kleinen Ratenkredit“ respektive digitale PoS-Finanzierung zu verstehen. Der Finanzierungaspekt steht bei BNPL im Hintergrund. Der Endkunde will vielmehr möglichst einfach und vor allem schnell etwas kaufen, aber die Zahlung aufteilen oder zeitlich verschieben.
So gesehen, müssen Banken die Customer Journeys völlig neu denken. Die Kreditentscheidung muss in Echtzeit mit Kontextdaten und ohne zusätzliche Datenabfragen (gegebenenfalls auch ohne Bonitätsauskunft) erfolgen. Selbst der, der hier nicht mitspielen will, muss in Zukunft seinen Kreditprozess auf Minuten statt Tage ausrichten, den Vorgang massiv beschleunigen. Deutlich wichtiger wird es zudem auch, die Händler zu verstehen, die in erster Linie eine kostengünstige und verlässliche Checkout-Lösung aus einer Hand wollen.
Der eigenständige Aufbau von integrierten Zahlungsverkehrs- und Finanzierungslösungen wird nur für die wenigsten Banken in Deutschland ein veritabler Weg sein, mangels kritischer Größe. Der Schlüssel zum Erfolg wird daher in der Ausgestaltung symbiotischer Partnerschaften mit Online-Händlern, Zahlungsdienstleistern und spezialisierten Technologiefirmen liegen.
Denkbar ist eine breite Palette an Kooperationen: Reine Bereitstellung von Liquidität z.B. mit exklusiven Partnerschaften ist ein Extrem – allerdings wird so aus der Konsumentenfinanzierung faktisch eine Working-Capital-Unternehmensfinanzierung. Alternativ können Banken ihre Risikoerfahrung, operative Exzellenz und ihren Vertrauensvorschuss einbringen und zum Finanzierungspartner der Konsumenten am digitalen PoS werden, mit der Möglichkeit einer intelligenten Verzahnung mit dem gesamten Produktangebot.
Viele E-Commerce-Händler sehen die große Marktmacht von PayPal, Klarna und Co. durchaus kritisch. Sie sind daher offen für Alternativen – für die Banken liegt darin eine Chance, die sie nicht ungenutzt verstreichen lassen sollten.
*Malte Gündling und Philipp Bulis sind Principals, Dr. René Fischer ist Partner bei der Beratungsfirma Oliver Wyman, die zu den Premium-Partnern von Finanz-Szene.de gehört. Aktuelle Publikationen von Oliver Wyman unter anderem aus dem „Financial Services“-Bereich finden Sie hier; Hintergründe zu unserem Partner-Modell stehen hier.
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