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Wie EPI (bei aller Skepsis) vielleicht doch ein Erfolg werden könnte

Die European Payments Initiative ist eben erst gestartet – und doch herrscht im Markt schon jetzt eine „EPI ist zum Scheitern verurteilt“-Stimmung. Verständlich ist die Skepsis allemal. Schließlich wirft der Plan eines europäischen Bezahlsystems unzählige Fragen auf. Etwa: Wofür braucht der Kunde ein weiteres Payment-Verfahren? Oder: Welche Motivation sollten PSPs und Händler haben, auf einen Erfolg von EPI hinzuwirken?

Gleichwohl: Statt den vielen Abgesängen einen weiteren hinzuzufügen, will ich heute lieber fragen: Was müsste passieren, um aus der European Payments Initiative (oder genauer: aus „EPI 2.0“) vielleicht doch ein Erfolgsprojekt zu machen? Dazu beleuchte ich zunächst die Perspektiven der beteiligten Parteien (Politik, europäische Banken, deutsche Banken, PSPs, Händler, Kunden) – um am Ende eine Reihe von Vorschlägen für die Zukunft von EPI zu formulieren.

Auf geht’s:

1.) Die politische Perspektive – die EU

Die Corona-Pandemie und der Ukraine-Krieg haben der Welt schmerzlich die Schattenseiten der Globalisierung vor Augen geführt: Viele Länder sind abhängig voneinander, die Lieferketten sind tief miteinander verwoben und insbesondere im Geld- und Zahlungsverkehr bestimmen nur noch einige wenige Player den Markt.

Eilig versuchten Russland und China sich nach Kriegsbeginn mit eigenen Zahlungsverkehrsnetzwerken vom westlich dominierten Swift-System abzukoppeln. In der EU befeuerte dies bestehende Forderungen, dass man sich stärker unabhängig machen muss. Eine dämmernde weitere Ära Trump, mit unvorhersehbaren Folgen, sollte Europa nicht kalt erwischen.

In diesem Kontext soll ein eigenes starkes Payment-System geboren werden. Unabhängig. Etwas, das den Großen wie Mastercard, Visa, Paypal, Apple oder Google wirklich Paroli bieten kann. Etwas Europäisches. Die European Payments Initiative eben.

Mit Unterstützung der Europäischen Zentralbank und der Europäischen Kommission will EPI die europäische Unabhängigkeit im Zahlungsverkehr sicherstellen. Europäisch gebaut und aus Europa heraus betrieben. Sich auf europäischen Instant Payment Standards stützend.

Eine nachvollziehbare, verständliche und sinnvolle Ausgangsposition. Denn die Beweggründe sind nicht von der Hand zu weisen. Doch wie nah kann der Wille am Ende tatsächlich auch Wunsch und Wirklichkeit zusammenbringen?

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2.) Die Perspektive der Banken

Die Idee von EPI war zunächst sehr groß und idealistisch. Ein riesiges Konsortium von europäischen Banken und Payment-Playern wollte sich zusammenfinden und die Idee eines gemeinsamen Payment-Systems in die Tat umsetzen. Angedacht war mit „EPI 1.0“ ein eigenes europäisches Karten-Scheme. Der Kreis der Interessierten war zunächst sehr groß, aber auch die geplanten Investitionen und Kostenschätzungen waren ziemlich opulent. So zogen sich zunächst mehr und mehr Teilnehmer und damit Länder aus der Idee zurück. Es folgte ein gedanklicher Neustart und der Scope veränderte sich auf etwas, was heute als „EPI 2.0“ bekannt ist und vor allem auf eine Wallet-Lösung mit Fokus auf E- und M-Commerce setzt. Von der Idee eines eigenen Schemes inkl. physischer Bezahlkarten hat man sich zunächst einmal verabschiedet. Am Ende sind nun mit „EPI 2.0“ nur noch ein Bruchteil der einstigen Teilnehmer übriggeblieben, manche aber doch wieder mit eingestiegen.

Die Beweggründe der Banken sind vielschichtig, aber eigentlich recht leicht zu verstehen: Immer mehr Playern im Payment Markt jagen den Banken ihr klassisches Geschäft ab, immer mehr Zahlungsverkehr läuft über andere Netzwerke als den Bankkonten. Banken wollen ihre Bankkonten und die Erträge der Postengebühren schützen bzw. bestmöglich ausbauen. Ein Zahlsystem, das das Bankkonto in den Mittelpunkt stellt und auf Instant Payment fußt, wäre hier genau das Richtige.

EPI scheint also eine super Idee für Banken, oder?

Ganz so einfach ist es nicht. Banken sind sehr häufig auch selbst Acquirer und haben oft auch eigenes Händlergeschäft am POS und im E-Commerce. Dieses Geschäft läuft heutzutage mit den etablierten Schemes wie Mastercard, Visa, Girocard etc. Genau das Geschäft also, das man mit EPI angreifen würde, sprich Banken machen sich im Zweifel das eigene margenträchtige Geschäft streitig, was allerdings heute schon z. T. zu beobachten ist.

Dieses Vorgehen kann unter bestimmten Umständen natürlich sinnvoll sein. Einfach umschrieben wäre dies sinnvoll, sofern dies wirtschaftlich einträglicher oder/und von strategischer Bedeutung wäre. Um überhaupt eine Chance zu haben, gegenüber den etablierten Schemes erfolgreich zu sein, müsste EPI entweder günstiger oder in Bezug auf die Value Proposition bzw. Funktionalität deutlich überlegen sein.

  • Den reifen Schemes in Funktionalität überlegen zu sein, wird aber eine ganze Weile dauern, da die vielen bestehenden Funktionen der anderen Schemes und alternativen Bezahlverfahren zunächst einmal nachgebaut und dann neue Funktionen und Mehrwerte entwickelt werden müssen. Das geschieht nicht über Nacht, sondern braucht sicher einige Jahre.
  • Bleibt also zunächst ein Kampf über den Preis. Hier beißt sich die Katze in den Schwanz. Kampf über Preis, bedeutet im Zweifel Verzicht auf Marge. Also mit eingeschränkter Marge das bestehende margenträchtigere Geschäft kannibalisieren für die Unabhängigkeit der EU? Klingt nach einem hehren Ziel, aber eher unwahrscheinlich, dass das tatsächlich jemand tun möchte.

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3.) Die Perspektive der deutschen Banken bzw. der DK

Neben den Punkten aus dem vorigen Abschnitt gilt für deutsche Banken sicher noch zu erwähnen, dass man mit der Girocard ein lokal extrem stark vertretenes eigenes Debit Scheme betreibt, was den Zielkonflikt der Kannibalisierung noch mal unter ein extra starkes Brennglas hält. Daneben existieren verschiedenste Player, Produkte und Initiativen im E-Commerce. Die gerade erst verschmolzenen Paydirekt- und Giropay-Assets, die Girocard 4.0 Initiative von DK und Euro Kartensysteme, die verschiedenen „Mobiles Bezahlen“-Produkte mit girocard bzw. Girokonten im Hintergrund, Girocard in Apple Pay der Sparkassen, Girocard
Co-Badges mit Visa Debit und Debit Mastercard und so weiter und so weiter … Ein bunter Zirkus an Versuchen das Girokonto und die Girocard ins E-Commerce-Zeitalter zu bringen. Aber eben auch ein potenzieller Zielkonflikt zu dem, was EPI sein will.

Diese Einzelperspektiven könnte man jetzt für viele weitere europäische Länder aufmachen, wo es ähnliche Themen gibt mit lokal operierenden Schemes und Lösungen gibt (iDEAL, Bancontact und Co) – aber das würde hier zu weit führen.

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4.) Die Perspektive der Payment Service Provider (PSP)

Payment Service Provider sind oftmals gleichzeitig Acquirer und sind hiermit ebenso von den im Banken-Absatz beschriebenen Zielkonflikten betroffen. Abseits vom Acquiring-Geschäft sind Payment Service Provider vor allem technische Dienstleister, die eine skalierende technische Dienstleistung anbieten und sind entsprechend vor allem an einem interessiert: Transaktionen. Je mehr davon, desto besser. Jede Anbindung einer spezifischen Zahlart, im Fachjargon oft „Connector“ genannt, kostet den Payment Service Provider Geld. Zunächst initial in der Anbindung, später in der Wartung und Maintenance sowie in Service/Überwachung etc.

Je mehr Transaktionen über einen Connector laufen, um so sinnvoller sind die Investitionen für den PSP. Nachvollziehbar, dass PSPs also vor allem nach der (potenziellen) Nutzung von Zahlarten schauen und insbesondere die Zahlarten anbinden, die für ihre (Händler-)Kunden und deren Endkunden relevant und wichtig sind.

Bei neu auf den Markt kommenden Zahlarten gibt es damit immer ein klassisches Henne-Ei-Problem. Für PSPs macht es wenig Sinn,eine Zahlart anzubinden, die keinerlei Verbreitung oder Relevanz hat und diese Verbreitung und Relevanz kann eine Zahlart nicht erreichen, ohne dass PSPs ihren (Händler-)Kunden und damit den Endkunden der Händler als Option anbieten. Erst, wenn PSPs Zahlarten in ihren Portfolios aufnehmen, können Händler diese Optionen anbieten.

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5.) Die Perspektive des Handels

Bei den Händlern setzt sich diese Henne-Ei-Problematik natürlich fort. Händler möchten typischerweise gerne ihren Kunden alle relevanten und wichtigen Zahlarten anbieten, denn für Händler ist vor allem die Conversion relevant – d.h. dass Kunden auf jeden Fall kaufen und nicht den Kaufprozess abbrechen, weil sie nicht mit ihrem gewünschten Zahlmedium zahlen können. Hat ein Bezahlverfahren aber keinerlei Verbreitung, ist dies für Endkunden und damit auch für Händler nicht sonderlich interessant.

Auch für Händler führt das Hinzufügen von Zahloptionen zu zusätzlichen Kosten. Neben der Verbreitung ist für Händler jedoch auch der Kostenfaktor ein sehr relevantes Kriterium. Je günstiger sich Bezahlvorgänge für einen Händler abwickeln lassen, umso besser. Somit hat der Händler ggf. auch Interessen, seine Kunden auf bestimmte Zahlarten zu leiten, wenn diese für ihn günstiger sind als andere, teurere Optionen.

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6.) Die Perspektive der Endkunden

Endkunden haben sehr individuelle Präferenzen, warum sie bestimmte Zahlarten bevorzugen. Hierzu zählen unter anderem Gewohnheit, Sicherheitsgefühl, Datenschutz, Chargeback-Möglichkeiten, Kosten, Convenience, Geschwindigkeit und mehr. Kunden möchten aber vor allem gerne mit dem aus ihrer persönlichen Brille bevorzugten Zahlmedium zahlen.

Will man Kunden überzeugen, plötzlich ein anderes Zahlverfahren zu wählen, dann muss man eine ganze Reihe von Dingen erreichen. Man muss es verfügbar und bekannt machen, ein Gefühl von Sicherheit herstellen, es einfach zugänglich und einfach nutzbar machen und vieles mehr. Es muss dem Kunden am Ende einen merklichen Vorteil oder Mehrwerte gegenüber anderen Optionen bieten, z.B. über preisliche Vorteile, zusätzliche Rabatte, Loyalty-Punkte, Gewinnmöglichkeiten oder ähnliches.

Im Bereich der E-Wallets bzw. des E-Commerce gesprochen steht die einfache Frage – warum sollte ein Kunde EPI anstelle der etablierten Platzhirsche Paypal, BNPL, Lastschrift, Mastercard/Visa aber auch Apple Pay / Goole Pay etc. nutzen? Dass „Daten- und Käuferschutz“ nicht die wesentlichen Argumente sein können, haben Marktteilnehmer leidvoll spüren können. Auf diese Frage eine bessere Antwort zu finden, wird eine der größten Herausforderungen für die Beteiligten rund um EPI werden.

Why should anyone care?

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7.) Unsere Perspektive als Osthaven

Zu meckern und Dinge schlecht zu reden ist immer leicht – ganz so einfach wollen wir es uns aber nicht machen und haben darum überlegt, was unsere Vorschläge wären, um EPI zum Erfolg zu verhelfen.

Folgende Ideen sind dabei entstanden:

  • Regulatorischer / Politischer Support: EPI ist vor allem aus geostrategischer Sicht hochrelevant und eine sehr sinnvolle Idee. Es wäre nur konsequent, wenn diese Idee daher auch von politischer und regulatorischer Seite aus konsequent und vollumfänglich unterstützt wird. Instant Payment faktisch zum neuen SEPA-Standard zu machen (verpflichtend zu machen) ist dabei der erste wichtige und erforderliche Baustein. Theoretisch kann man hier über weitere flankierende Maßnahmen bis hin zu „protektionistischen Maßnahmen“ denken, um EPI einen Wettbewerbsvorteil und damit Chance auf großflächigen Erfolg zu verhelfen.
  • Endkundenbrille aufsetzen: Das Argument „niemand braucht ein weiteres Paypal“ hört man im Zusammenhang mit EPI oft. Sinnvoll wäre daher, alles aus Endkundenperspektive und damit Nutzerperspektive zu denken. Was sind Anforderungen und Use Cases, die der Endkunde braucht und sucht? Idealerweise solche, die nicht bereits von etablierten Playern abgedeckt werden. Was ist DAS große Differenzierungsmerkmal gegenüber Paypal & Co? Diese Frage muss im Mittelpunkt der weitere EPI-Entwicklung stehen.
  • Gemeinsame Ziele, gemeinsame Umsetzung: Vor allem im Debit-Markt agieren die europäischen Länder noch sehr fragmentiert und föderalistisch. Sich hier stärker zusammen zu tun, bedeutet zwar, dass der ein oder andere auf Individualität verzichten müsste, aber mutmaßlich wäre man in einer gemeinsamen Gesamtlösung am Ende stärker. Dieser Aspekt bezieht sich nicht nur auf die länderübergreifende Zusammenarbeit, da die unterschiedlichen Teilnehmerbanken in den jeweiligen Ländern auch nicht immer die gleichen Interessen verfolgen. Ein hehres Ziel, was unheimlich viel Stakeholder-Management und Überzeugungsarbeit kosten wird. Bleibt man aber weiterhin föderalistisch und kleinteilig, wird man sich im großen Ganzen nicht gegen die Marktmacht der großen Player und deren Kapitalausstattung behaupten können. Wie Mr. Spock es bei Star Trek treffend auf den Punkt brachte: „The needs of the many outweigh the needs of the few, or the one“.
  • Echte Mehrwerte (er)schaffen: Will EPI sich am Markt etablieren, konkurriert es vor allem erstmal mit allem, was schon da ist. Um sich hier abzusetzen, reicht es nicht einfach nur die Basics – sprich den Bezahlvorgang – gut zu machen. Man braucht etwas, um sich zu differenzieren und einen Mehrwert zu bieten sowohl für Händler als auch für Endkunden. Dabei könnte die direkte Verknüpfung mit dem (Online-)Bankkonto und Schaffung von Koppelprodukten die gesuchte Differenzierung darstellen. Mit Themen wie Kontoinformationsdiensten, digitale Kassenbelege, Affiliate Marketing in Kooperation mit Händlern, Loyalty (Integrationen), Gutscheinen etc. lässt sich hier bestimmt punkten. Gleichzeitig bietet aber auch die Konkurrenz hier inzwischen eine Vielzahl an Lösungen und Integrationen. Will man sich also absetzen, wird man kreativ sein und wirkliche Innovationen erschaffen müssen.

Die Motivation im Markt war zu Anfang mit „EPI 1.0“ riesengroß und ist zwischenzeitlich mit der Verständigung auf „EPI 2.0“ gefühlt etwas gedämpft und zurückhaltender. Die Herausforderungen bleiben aber riesig. Mit einer halbherzigen Umsetzung wird man diese Herausforderungen kaum meistern können. Es wird sehr viel Ressourcen, Zeit und Geld brauchen, um alle Akteure von der Relevanz und den Mehrwerten zu überzeugen und eine ausreichend große Geschlossenheit zu erzeugen, um bestehenden Playern und Lösungen etwas entgegen setzen zu können.

In einem ersten Schritt hat man sich dafür iDEAL, einen der führenden Online-Zahlungsanbieter aus den Niederlanden, und dessen luxemburgischen Technologie-Partner Payconic einverleibt. Bei der Deal-Struktur scheint sich iDEAL Rückzugsoptionen gesichert zu haben, falls es mit EPI doch nicht so klappt wie gehofft. Anders sind die Worte von dem CEO Daniel van Delft auf der diesjährigen Money 20/20 wohl kaum zu verstehen: „Auch wenn wir diese Vision und europäische Ambition von EPI voll und ganz teilen, werden wir erst migrieren, wenn alle heutigen Use Cases und Funktionalitäten vollumfänglich bereitstehen.“

Man muss sich aus deutscher Sicht schon die Frage stellen, was in diesem Kontext aus den hiesigen E-Commerce Assets Giropay, Girocard im E-Commerce oder Apple Pay mit der Girocard werden soll oder wie das strategische Zusammenspiel und die Positionierung aussehen soll. Zumal EPI laut CEO Martina Weimert bei dem Panel auf der Money 20/20 „die Einführung von EPI für den POS in einer zukünftigen Ausbaustufe“ plant.

Und damit beschränken sich mögliche Kannibalisierungseffekte nicht nur auf den Online-Kanal, sondern auch auf die Bezahlung im stationären Handel. Es wird spannend sein zu verfolgen, ob sich die einzelnen Partikularinteressen am Ende zum gemeinsamen Ziel, EPI als europäisches und unabhängiges Payment-System zu etablieren, verständigen können. Davon wird unserer Meinung nach, neben den oben beschriebenen Aspekten und Ideen, der Erfolg oder Misserfolg dieser herausfordernden Initiative abhängig sein.

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*Tim Danker (hier sein Profil) ist Manager bei der auf Payment-Themen spezialisierten Unternehmensberatung Osthaven. Osthaven gehört zu den Premium-Partnern von Finanz-Szene.

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