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Benko – und viel mehr: Stadtsparkasse München bildet horrende Kreditvorsorge

Als die Stadtsparkasse München im März ihre Zahlen fürs abgelaufene Geschäftsjahr vorlegte, sprach der langjährige Vorstandschef Ralf Fleischer von einem „guten Ergebnis“ in einem „konjunkturell schwierigen Umfeld“. Die lokale Presse stimmte uneingeschränkt zu: „Deutlicher Gewinnsprung für die Stadtsparkasse“, konstatierte zum Beispiel die ortsansässige „Süddeutsche Zeitung“ und hielt angesichts reichlich abgeführter Steuern fest: „Der Stadtkämmerer dürfte sich über dieses Ergebnis freuen.“

Ob der das allerdings wirklich tat – das muss bezweifelt werden. Schließlich sitzt so ein Kämmerer ja für gewöhnlich (auch auch in diesem Fall) im Verwaltungsrat der örtlichen Sparkasse und wusste also mutmaßlich im März bereits Bescheid, wie es wirklich aussieht beim drittgrößten Kommunalinstitut hierzulande. Was Vorstandschef Fleischer (der seinen Posten per Ende April 2025 krankheitsbedingt niederlegen wird) der Öffentlichkeit nämlich damals verschwieg: Die dank Zinswende emporschießenden Erträge seines Instituts wurden in weiten Teilen konterkariert von Kreditbelastungen, wie sie in diesen Relationen zwar ab und zu mal bei einer kleineren Sparkasse vorkommen (siehe zuletzt hier und hier) – aber doch eher selten bei einer vermeintlich gut diversifizierten Metropol-Sparkasse.

Konkret: Mit sage und schreibe 238 Mio. Euro belasten die „Abschreibungen und Wertberichtigungen auf Forderungen und bestimmte Wertpapiere sowie Zuführungen zu Rückstellungen im Kreditgeschäft“ das 2023er-Ergebnis. Maßgeblich ausschlaggebend hierfür seien „eine steigende Risikovorsorge im Kreditgeschäft sowie die Bildung von Vorsorgereserven nach § 340f HGB“ gewesen, hält der Geschäftsbericht fest. Zur Einordnung:

  • Die 238 Mio. Euro bedeuten eine Verfünffachung im Vergleich zum Vorjahr
  • Die 238 Mio. Euro sind mehr die als 180 Mio. Euro, die die bilanziell 11-mal größere BayernLB im vergangenen Jahr an Risikovorsorge bilden musste (auch wenn die Zahlen aufgrund der Unterschiede zwischen HGB und IFRS nicht 1:1 vergleichbar sind)
  • Die 238 Mio. Euro entsprechen 148 Basispunkten des Kreditbuchs, was nicht nur gravierend mehr ist als bei besagter BayernLB (7 Basispunkte) oder beispielsweise auch bei der Commerzbank (21 Basispunkte), sondern sich auch von den Risikoergebnissen der anderen Top-10-Sparkassen hierzulande markant abhebt

… Siehe dazu diese Grafik:

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*Abschreibungen und Wertberichtigungen auf Forderungen und bestimmte Wertpapiere sowie Zuführungen zu Rückstellungen im Kreditgeschäft

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Eigentlich müsste die Stadtsparkasse München aufgrund ihrer Standortvorteile ja geringere Kreditsorgen haben als andere Sparkassen. So heißt es im Geschäftsbericht, dass ...

  •  "die bayerische Landeshauptstadt die niedrigste Arbeitslosenquote im Vergleich der deutschen Großstädte" aufweise
  • "München von der höchsten Akademikerquote (41,3 %) im Bundesvergleich" profitiere
  • die Zahl der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten in München "um 2,2% auf über 960.000" angestiegen sei
  • "die Stadt seit Jahren über die höchste Kaufkraft im deutschen Großstadtvergleich" verfüge
  • "der Wirtschaftsstandort München sich in den vergangenen Jahren wieder als äußerst robust gerade auch in Krisenzeiten erwiesen" habe

Warum dann fast 240 Mio. Euro Kreditvorsorge???

Antwort: Ein Teil dürfte mit dem Benko-Engagement der Münchner zu tun haben. Wie Medien im Frühjahr bereits berichteten, standen für die Stadtsparkasse (die sich an der Finanzierung des Galeria-Warenhauses am Münchener Hauptbahnhof beteiligt hatte) im Signa-Skandal rund 90 Mio. Euro im Feuer. Hierzu würde auf den ersten Blick passen, dass die Stadtsparkasse im vergangenen Jahr allein 90 Mio. Euro in Form von Einzelwertberichtigungen abgeschrieben hat. Bei dieser Übereinstimmung handele es sich allerdings um eine Koinzidenz, heißt es im Umfeld des Instituts. Tatsächlich sollen die Einzelwertberichtigungen "eine Vielzahl unterschiedlicher Engagements" betreffen, wie eine Sprecherin auf Anfrage erklärt (ohne sich zu Benko zu äußern).

Bleibt die Frage: Was hat es mit den übrigen fast 150 Mio. Euro Kreditvorsorge auf sich?

Für die Connaisseure: Neben den EWB in Höhe von 90 Mio. Euro finden sich im Bereich der klassischen Risikovorsorge noch frisch gebildete Rückstellungen für latente Kreditrisiken in Höhe von netto 8,3 Mio. Euro sowie pauschale Wertberichtungen in Höhe von netto 0,5 Mio. Euro). Also eher unauffällig. Stattdessen scheint das Gros der Kreditvorsorge (also rund 140 Mio. Euro) in Form von 340f-Rücklagen gebildet worden zu sein.

Und in der Tat: Im Umfeld der Stadtsparkasse wird lanciert, dass man es hier im Kern mit einer eher standardmäßigen Bildung von Reserven zu tun habe. Auch wird darauf verwiesen, dass Vorstandschef Fleischer bereits im März angekündigt habe, das Eigenkapital stärken zu wollen – unter anderem aufgrund von Bafin-Vorgaben wie dem antizyklischen Kapitalpuffer. Doch ist wirklich das der (alleinige) Grund für den offenkundig steilen Anstieg der 340f-Rücklagen?

Der Geschäfts- und der Offenlegungsbericht vermitteln jedenfalls einen anderen Eindruck – nämlich den, dass die Stadtsparkasse München ein ausgewachsenes "Non Performing Loans"-Problem hat (und zwar weit über Benko hinaus).

Konkret:

  • Laut GB hat sich der Anteil der Kundenforderungen in den schlechtesten Risikoklassen 16-18 (= Ausfallwahrscheinlichkeit ab 45% aufwärts) im vergangenen Jahr auf 250 Mio. Euro mehr als verfünffacht; das Delta zum Vorjahr beträgt 204 (!) Mio. Euro.
  • Laut OB hat sich allein das Volumen notleidender Risikopositionen bei "nicht finanziellen Kapitalgesellschaften" auf 160 Mio. Euro ebenfalls mehr als verfünffacht (per Ende 2022 waren es erst 31 Mio. Euro gewesen)

Die Stadtsparkasse München scheint in den vergangenen Jahren einen durchaus heißen Reifen im Kreditgeschäft gefahren zu sein (der Blanko-Anteil am 21 Mrd. Euro schweren Kreditportfolio liegt bei sportlichen 34%), dem Vernehmen nach nicht zuletzt in der gewerblichen Immobilienfinanzierung. Sieht so aus, als würde sich diese Geschäftspolitik gerade gegen das Institut kehren.

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