Exklusiv

Deka hat ein gewaltiges „Cum-Cum“-Problem – von rund 500 Mio. Euro!

Die Stimmung war bestens, als die Deka am 8. April ihre Bilanz-PK abhielt. Fast 30 Mrd. Euro Vertriebsleistung. Fast 600.000 neue Sparpläne. Und ein „wirtschaftliches Ergebnis“ (also ein Gewinn) von fast 900 Mio. Euro. Kein Wunder, dass niemand widersprechen wollte, als Vorstandschef Georg Stocker mit Blick aufs Geschäftsjahr 2024 zufrieden feststellte: „Wir haben unsere ursprüngliche Prognose klar übertroffen und ein wirtschaftliches Ergebnis erzielt, das signifikant über dem durchschnittlichen Niveau des vorherigen Jahrzehnts liegt. Wir haben damit genügend finanziellen Spielraum für Zukunftsinvestitionen – in Menschen, neue Technologien und Digitalisierung.“

Tatsächlich gab und gibt es an den operativen Kennzahlen der Deka wenig auszusetzen. Rekordwerte sowohl beim Zins- als auch beim Provisionsergebnis. Eine nur noch minimale Risikovorsorge. Und ein Kostenanstieg von gerade mal 1%. Verglichen mit dem Vorjahr schwächelte vermeintlich nur das Finanzergebnis – aber auch dafür hatte der Vorstand eine zwar komplexe, aber doch plausible Erklärung parat („Bewertungseffekte im Zusammenhang mit dem bonitätsinduzierten Ergebnis aus eigenen Emissionen“).

Alles bestens also? Am 8. April schien das so. Aber – dem ist nicht so! Stattdessen legen umfangreiche Recherchen von Finanz-Szene einen Sachverhalt offen, der den Entscheidungsträgern zwar Anfang April längst bekannt war, bei der Bilanz-PK allerdings mit keinem Wort erwähnt wurde (auch nicht in der ausgereichten 33-seitigen Präsentation).

Kurz gesagt: Die Deka hat Ärger mit dem Fiskus! Mächtigen Ärger! Und die finanziellen Folgen sind potenziell gewaltig. Das Stichwort lautet „Cum-Cum“ (also nicht „Cum-Ex“).

Unsere exklusiven Recherchen:

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1.) Nein, es geht nicht um die alten Cum-Ex-Vorwürfe …

Im Juni 2022 ist die Deka Gegenstand einer spektakulären Razzia. Mehr als 100 Ermittler durchsuchen im Auftrag der Staatsanwaltschaft Köln nicht nur Büros des Fondsdienstleisters, sondern auch Privatwohnungen von acht Beschuldigten. Gefahndet wird nach Beweisen für eine Verwicklung des Instituts in Cum-Ex-Geschäfte (komplexe Deals rund um den Dividendenstichtag von Aktien, die früher von vielen Banken getätigt wurden und im Kern darauf hinausliefen, dass der Fiskus Kapitalertragsteuern, die er nur einmal erhalten hatte, gleich mehrfach erstattete).

Die Kölner Ermittlungen betreffen nach Angaben des Verwaltungsrats der Deka Vorgänge „im Zeitraum 2007 bis 2015“. Im März 2023 berichtet die „Wirtschaftswoche“ dann, die Deka (genauer: ihr Verwaltungsrat) habe bei einer Anwaltskanzlei eine Untersuchung in Auftrag gegeben, welche Rolle der Fondsdienstleister und seine Manager bei den Steuerdeals gespielt haben. Indes, auch hier geht es dem Bericht zufolge wieder um die möglichen Cum-Ex-Fälle.

Parallel indes – und öffentlich unbemerkt – entwickelt sich bei der Deka ein verwandter, finanziell deutlich brisanterer Brandherd: Cum-Cum. Dabei handelt es sich wie bei Cum-Ex um steueroptimierende Transaktionen rund um den Dividendenstichtag von Aktien, wenn auch mit Unterschieden in den Details.

Lange Zeit galt Cum-Cum als gewissermaßen mildere Variante von Cum-Ex. Inzwischen sehen die Finanzbehörden viele dieser Vorgänge allerdings kritischer. Schuld daran ist vor allem ein BMF-Schreiben vom Juli 2021. Mit diesem machte das Bundesfinanzministerium der deutschen Finanzverwaltung neue Vorgaben zur steuerlichen Behandlung von Cum-Cum-Transaktionen. Diese Vorgaben fielen – vereinfacht gesagt – deutlich strikter aus als die Empfehlungen, die zuvor gegolten hatten (nämlich ausweislich eines BMF-Schreibens aus dem Juli 2017). Das Pikante daran: Die neuen Leitlinien führen zu einer Neubewertung vieler Transaktionen aus der Vergangenheit, weshalb Banken auf einmal Nachforderungen des Fiskus drohen.

Die Folge dieses BMF-Schreibens vom Juli 2021: Während der Cum-Ex-Skandal schon längere Zeit von Staatsanwaltschaften verfolgt wird, zu vielen Razzien führte und teils auch zu Gerichtsverfahren (ja, gar zu einem Urteil des BGH!), gewinnt das Thema Cum-Cum erst allmählich, dafür aber massiv an Bedeutung. Wie zuletzt zum Beispiel bereits die Apobank feststellen musste (siehe –> Apobank erlebt Cum-Cum-Schock). Und nun eben, und das sehr massiv, auch die Deka.

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2.) Worum geht es in der Cum-Cum-Causa im Kern?

Was genau los ist bei der Deka – das lässt sich auf Basis des inzwischen veröffentlichten 2024er-Geschäftsberichts (und teilweise des 2023er-Abschlusses) nachvollziehen. Es ergibt sich folgender Ablauf der Ereignisse:

  • Im Dezember 2023 stellt die Finanzverwaltung der Deka infolge des strikteren BMF-Schreibens neue Steuerbescheide für die Jahre 2013 bis 2017 zu.
  • Im Januar 2024 begleicht die Deka die darin erhobenen Forderungen der Behörde – inklusive der darauf fälligen Zinsen.
  • Im November 2024 schickt die Finanzverwaltung der Deka einen weiteren neuen Steuerbescheid, dieses Mal für das Jahr 2018. Auch die darin gestellten Forderungen (inklusive Zinsen) werden von der Deka zeitnah beglichen

Folgt man den Ausführungen in den Geschäftsberichten, dann muss es in sämtlichen dieser Steuerbescheide um Cum-Cum-Geschäfte gegangen sein – und darum, dass die Finanzverwaltung der Deka auf einmal versagt hat, was bisher üblich war: die Kapitalertragsteuern mit Bezug zu diesen Transaktionen (in diesem Fall bezogen auf die Jahre 2013 bis 2018) anzurechnen.

Die Geschäftsberichte führen zwar aus, dass die Finanzverwaltung ihre Forderungen unter den Vorbehalt einer Nachprüfung gestellt hat. Begründung: Eine inhaltliche Prüfung der Vorgänge sei der Finanzverwaltung noch nicht möglich gewesen. Eine abschließende Bewertung des Fiskus steht somit noch aus, ganz zu schweigen eine gerichtliche Bewertung, die final wohl irgendwann der Bundesfinanzhof vornehmen muss. Aber, wie gesagt, die Forderungen hat die Deka erst einmal beglichen.

Der Vorstand bewertet die strittigen Geschäfte naturgemäß anders als die Finanzbehörden. Sie habe gegen sämtliche Bescheide Einspruch eingelegt, betont die Deka und gibt sich optimistisch, in Zukunft ein „finales Obsiegen“ in der Sache zu erreichen.

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3.) Wie viel Geld die Deka dem Fiskus bislang überwiesen hat

Auf Basis der Geschäftsberichte lässt sich nicht mit letzter Sicherheit exakt beziffern, wie viel Geld die Deka dem Fiskus in der Cum-Cum-Sache bislang überwiesen hat. Aber – es lässt sich zumindest begründet vermuten, dass es sich um grob eine halbe Mrd. Euro handeln dürfte. So ist an einer Stelle in den Erläuterungen des Geschäftsberichts 2024 die Rede davon, dass im Zusammenhang mit den Vorfällen – und der Überzeugung der Deka, sich am Ende mit ihrer Rechtsauffassung durchzusetzen – „Erstattungsansprüche“ in Höhe von 478 Mio. Euro aktiviert worden seien. Tatsächlich lässt sich diese Summe auf der Vermögensseite der Bilanz nachvollziehen. Zum einen geht es um „Ertragsteueransprüche“ in Höhe von 260 Mio. Euro. Und zum anderen um „sonstige Aktiva“ in Höhe von 218 Mio. Euro.

Kurzum: Es deutet vieles darauf hin, dass die Deka grob 478 Mio. Euro an den Fiskus überwiesen hat – und im Gegenzug die Erstattungsansprüche aktiviert hat (was die Deka selbst auf Anfrage von Finanz-Szene zu diesem und anderen Punkten sagt, finden Sie weiter unten).

Zugleich finden sich in den von Finanz-Szene ausgewerteten Geschäftsberichten allerdings auch Zahlen, die zu leicht abweichenden Interpretationen führen und statt einer exakten Summe einen Korridor markieren, innerhalb dessen die vermutete Summe der Zahlungen liegen dürfte. Für die Feinschmecker dröseln wir das an dieser Stelle einmal kurz auf, allen anderen Leserinnen und Lesern empfehlen wir, mit Punkt 4 weiterzumachen.

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Exkurs zum „Korridor“: 

  • Laut unserer Interpretation liegt die Obergrenze möglicher Zahlungen bei 574 Mio. Euro. So heißt es im aktuellen Geschäftsbericht: „Sämtliche festgesetzten Beträge wurden im Jahr 2024 von der DekaBank einschließlich Zinsen gezahlt, so dass sich der Betrag der Eventualverbindlichkeiten daher um diesen Wert reduziert hat.“ Ausweislich des Berichts reduzierten sich die Eventualverbindlichkeiten (die außerhalb der Bilanz laufen) im vergangenen Jahr von 974 Mio. Euro (Stand 31.12.2023) auf 400 Mio. Euro (Stand 31.12.2024). Ob womöglich andere Veränderungen das Bild verzerrten und der erwähnte „Wert“ geringer als die Differenz von 574 Mio. Euro ausfiel, das lässt der Satz offen.
  • Zugleich ergibt sich eine Art Untergrenze von 308 Mio. Euro aus dem Geschäftsbericht 2023. Dort sagt die Bank kurz hintereinander erst, dass sie die Ende 2023 festgesetzten Beträge im Januar 2024 inklusive Zinsen gezahlt habe – und dann, es könne aufgrund der bestehenden Restunsicherheit „das Entstehen einer finanziellen Belastung in Höhe von 355,4 Mio. Euro in diesem Zusammenhang nicht sicher ausgeschlossen werden (hiervon Abfluss im Januar 2024: 308,0 Mio. Euro).“ Was den Schluss nahelegt, dass die Zahlung an die Finanzverwaltung für die Jahre 2013-2017 diese Höhe hatte.
  • Trifft dieser Schluss zu, würde sich die Summe, welche die Deka später noch (nämlich im November 2024) für das Jahr 2018 entrichten musste, aber nicht präzisierte, aus der Differenz von Gesamtbetrag und Untergrenze ergeben. Sollte der Gesamtbetrag 2024 bei 478 Mio. Euro gelegen haben, wären dies 170 Mio. Euro; sollten es insgesamt doch 574 Mio. Euro gewesen sein, wäre von 266 Mio. auszugehen.

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4.) Warum die Deka trotz der Zahlungen so hohe Gewinne ausweist

Bemerkenswert ist, dass die Deka im vergangenen Jahr trotz der Zahlungen an den Fiskus fast 900 Mio. Euro als „wirtschaftliches Ergebnis“ auswies – mit der Folge, dass bei der Bilanz-PK am 8. April keinem der anwesenden Journalisten (auch uns nicht) auffiel, dass sich in dem Zahlenwerk dieses (doch sehr erhebliche) Problem mit dem Fiskus versteckt.

Tatsächlich finden sich in der Gewinn- und Verlustrechnung nur zarte Hinweise auf die Zahlungen. So fiel das sonstige betriebliche Ergebnis mit minus 110 Mio. Euro zwar nicht besorgniserregend hoch aus, aber doch schlechter als in anderen Jahren. Die am 8. April vorgelegte 33-seitige Bilanzpräsentation, ansonsten eng beschrieben, ging auf die Hintergründe dieser Position nicht näher ein, es hakte freilich auch kein Journalist nach.

Erst aus dem Geschäftsbericht geht hervor, dass das tiefe Minus vor allem auf „sonstige Aufwendungen“ von 118 Mio Euro zurückzuführen ist, die „im Wesentlichen“ im Zusammenhang mit „Belastungen aus […] gezahlten Zinsen infolge von Steuerbescheiden“ stehen.

Daneben schlagen sich die Vorfälle auch noch in einer zweiten GuV-Position nieder – nämlich bei den Ertragsteuern. Diese beliefen sich auf insgesamt 319 Mio. Euro – und davon entfielen 30 Mio. Euro laut Geschäftsbericht „überwiegend auf gezahlte Nebenleistungen (Zinsen) zu den Veranlagungen der Jahre 2013-2017, die im Vorjahr noch Bestandteil der ‚Eventualverpflichtungen‘ waren“ (heißt: früher ging die Bank nur mit einer Wahrscheinlichkeit von weniger als 50% davon aus, dass die Zahlungen wirklich zu leisten sein würden).

Alles in allem scheinen sich die Cum-Cum-Fälle lediglich im Umfang von geschätzt knapp 150 Mio. Euro (118 Mio. € + 30 Mio. €) in der GuV niedergeschlagen zu haben – obwohl weit mehr Geld an den Fiskus geflossen sein dürfte. Die mutmaßliche, naheliegende Erklärung: Die Deka hielt erst einmal nur die Zinszahlungen für GuV-relevant, noch nicht die Zahlungen als solche.

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5.) Wie drastisch sich die Cum-Cum-Sache auf die RWA auswirkt

Wie es aussieht, gehen die potenziellen Auswirkungen der Cum-Cum-Probleme über den unmittelbaren finanziellen Schaden noch hinaus. So finden sich in den jüngsten Geschäftsberichten bezogen auf die risikogewichteten Aktiva die folgenden Passagen:

  • GB 2023: „Die RWA aus dem operationellen Risiko (5.727 Mio. Euro) sind signifikant angestiegen (Ende 2022: 4.139 Mio. Euro). Gründe hierfür waren der Erhalt geänderter Steuerbescheide für die Jahre 2013 bis 2017 und die entsprechende Abbildung von steuerrechtlichen Risiken aus Aktienhandelsgeschäften um den Dividendenstichtag im Rahmen der operationellen Risikoszenarien (Ex-ante-Sicht).“
  • GB 2024: „Die RWA aus dem operationellen Risiko (5.969 Mio. Euro) sind ebenfalls angestiegen (Ende 2023: 5.727 Mio. Euro). Grund hierfür war die Aktualisierung der Bewertung von Schadensszenarien aus steuerrechtlichen Risiken in der Ex-ante-Perspektive.“

Nun wird dieser Anstieg um insgesamt 1,8 Mrd. Euro (gemessen an RWA von insgesamt gut 30 Mrd. Euro) die Deka nicht aus der Bahn werfen – belastet aber naheliegenderweise die ansonsten üppigen Kapitalquoten und damit auch mittelbar die Ausschüttungsfähigkeit. Aber dass der Fondsdienstleister der Sparkassen ein gewaltiges Problem an der Backe hat – darüber dürfte es keine zwei Meinungen geben.

Übrigens nicht nur finanziell. Sondern auch von der Reputation her. Die Deka ist schließlich eine Anstalt des öffentlichen Rechts, aufs Engste verwoben mit den Sparkassen. Verglichen mit einer stinknormalen Privatbank wiegt so eine Steuer-Affäre in ihrem Fall noch mal deutlich schwerer.

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6.) Was sagt die Deka zu unseren Recherchen?

Von Finanz-Szene mit den Recherchen zu den Cum-Cum-Verwicklungen und diversen Fragen konfrontiert, teilte ein Sprecher der Deka am Mittwochabend mit:

„Wie Sie richtig aus dem Geschäftsbericht zitieren, hat die Finanzverwaltung im Dezember 2023 Steuerbescheide für die Jahre 2013 bis 2017 sowie im November 2024 für das Jahr 2018 erlassen, in welchen die Anrechnung der gesamten Kapitalertragsteuern mit Bezug zu Aktienhandelsgeschäften über den Dividendenstichtag betreffend diese Jahre versagt wurde.

Im Rahmen dieser Bescheide hat die Finanzverwaltung darauf hingewiesen, dass eine inhaltliche Prüfung der Aktienhandelsgeschäfte nicht möglich war und es zukünftig zu Änderungen bei den Steueranrechnungsbeträgen kommen könnte (Vorbehalt der Nachprüfung). Gegen sämtliche Bescheide wurde Einspruch eingelegt. Sämtliche festgesetzten Beträge wurden im Jahr 2024 von der DekaBank einschließlich Zinsen gezahlt, so dass sich der Betrag der Eventualverbindlichkeiten um diesen Wert reduziert hat. Die Risikoeinschätzung der DekaBank hat sich hinsichtlich des finalen Obsiegens in einem finanzgerichtlichen Verfahren in Übereinstimmung mit der Ansicht ihres steuerlichen Beraters nicht geändert.

Da die DekaBank weiterhin davon ausgeht, dass ihre Rechtsauffassung in einem finanzgerichtlichen Verfahren letztinstanzlich bestätigt werden wird, sind in diesem Zusammenhang im IFRS-Konzernabschluss Erstattungsansprüche in Höhe von 478 Mio. Euro aktiviert.

Weitergehende Kommentierungen möchten wir nicht vornehmen.“

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