90 Tage, in denen die deutsche Fintech-Branche erwachsen wurde

In den nächsten Tagen wird der Düsseldorfer Datenguru Peter Barkow auf seinen berühmten Knopf drücken – und dann wird ihm seine untrügliche „Barkow Consulting Fintech MoneyMap“ die Q1-Funding-Zahlen zur deutschen Fintech-Branche ausspucken.

Was dabei herauskommen wird? Zugegeben: Im Gegensatz zu Herrn Barkow haben wir hier bei „Finanz-Szene.de“ keine Datenbank, sondern nur einen Datenbauch. Und so ein Bauch kann sich ja auch mal irren. Aber, mal angenommen, unser Bauchgefühl irrt sich nicht, dann dürfte herauskommen:

  • Die Funding-Zahlen haben sich, wenn man nur auf das Volumen schaut, positiv entwickelt
  • Das liegt aber fast ausschließlich an den Mega-Finanzierungen für N26 und Solarisbank
  • Dagegen ist die Zahl der Fundings merklich zurückgegangen, nicht zuletzt, weil immer weniger Finanz-Startups nachkommen

Oder anders ausgedrückt: Die deutsche Fintech-Branche ist jetzt nicht mehr „Early Stage“. Sie ist jetzt „Later Stage“. Oder noch anders ausgedrückt: Das erste Quartal 2018 wird einmal als das Quartal betrachtet werden, in dem die deutsche Fintech-Branche erwachsen wurde.

Woran machen wir das fest, abgesehen von der spektakulären Höhe der Finanzierungen bei N26 (130 Mio. Euro) und Solarisbank (57 Mio. Euro)?

  1. Bei den wichtigen deutschen Fintechs steigen inzwischen große, strategische, meist ausländische Investoren ein, namentlich Visa (Solarisbank, Payworks), BBVA und Amro (beide Solarisbank) sowie Tencent und als nicht-ausländisches Beispiel die Allianz (beide N26). Damit hat sich im ersten Quartal ein Trend manifestiert, der sich 2017 bereits zart angedeutet hatte (Aegon bei Auxmoney, Blackrock bei Scalable und Paypal bei Weltsparen).
  2. Zugleich nähern sich die erfolgreicheren unter den „Fintechs im engeren Sinne“ (siehe unsere Definition) allmählich der Profitabilität. Auxmoney hat kürzlich kundgetan, erstmals auf 6-Monats-Sicht schwarze Zahlen geschrieben zu haben, N26 scheint sich zumindest einer Art Pseudo-Profitabilität zu erfreuen, und Payment-Fintechs wie Billpay oder Ratepay haben nachgewiesen, dass sie sogar auf 12-Monats-Basis Geld verdienen können.
  3. Das Thema Börse könnte für einige der größeren Fintechs bald konkret werden. N26 beschäftigt sich mit dieser Option (wie Gründer Valentin Stalf vor wenigen Tagen betonte), bei Auxmoney würden wir auf spekulativer Basis davon ausgehen, dass es ähnlich ist (wissen tun wir es nicht), der Raisin/Weltsparen-Chef wird zumindest schon mal auf das Thema angesprochen.
  4. Dagegen ist auf „Early-Stage“-Niveau zuletzt nicht mehr wirklich viel los gewesen. Oder ist Ihnen, vielleicht mit Ausnahme der beiden neuen Inkubatoren- Ventures  von Finleap und Finconomy, im ersten Quartal eine Neugründung untergekommen, bei der Sie „Aha!“ gedacht haben? (wobei das natürlich ein wohlfeiles Indiz ist, weil man jedem neuen Fintech die Chance zugestehen muss, sich zu entwickeln. Aber Sie wissen hoffentlich, wie wir’s meinen …)
  5. Dazu auch noch was Anekdotisches: Als wir zuletzt als Jury-Mitglied beim „Fintech des Jahres“-Award aus einem ganzen Bündel von neuen „Early Stage“-Fintechs unsere Favoriten auswählen sollten, da waren darunter doch einige mit beträchtlichem „Who the f***“-Faktor … Natürlich: Das war in erster Linie mangelnder Branchenkenntnis unsererseits geschuldet. Aber vielleicht ja auch nicht nur.

Wie es nun weitergeht?

Wenn wir noch einen letzten Gedanken äußern dürfen, der unserem Bauch beim Rückblick aufs erste Quartal gekommen ist: Schon auffällig, dass die größeren Fintechs das Thema Internationalisierung höchst unterschiedlich angehen, nämlich …

  • fast schon maximal ambitioniert (N26)
  • sehr ambitioniert (Solarisbank, SumUp)
  • im dritten Gang, nachdem der fünfte nicht funktioniert hat (Kreditech)
  • bedächtig (z.B. Raisin, Deposit Solutions, Scalable, Finreach … )
  • bislang gar nicht (Auxmoney, Smava, Finanzcheck)

Diese unterschiedlichen Strategien mögen in erster Linie den unterschiedlichen Geschäftsmodellen geschuldet sein. Aber: Es hat schon auch ein kleines bisschen damit zu tun, dass die Fintech-Macher in Deutschland bei der Frage, was geht und was nicht geht, zu abweichenden Einschätzungen gelangen. Spannend zu sehen, welche Sicht sich durchsetzen wird.

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