von Oliver Schwarz und Doreen Wangard*, 30. September 2025
Was passiert, wenn ein Bankkunde eine Zahlung auslösen möchte, auch ausreichend Deckung auf dem Konto hat, aber seine Bank nicht genug Liquidität vorhält, um die Transaktion durchführen zu können?
Bisher ein undenkbares Szenario. Durch die Verpflichtung, Instant Payments (IP) zu jeder Tages- und Nachtzeit anzubieten, wird dieses Szenario jedoch nicht nur theoretisch möglich, sondern zu einer realen Bedrohung. Banken müssen eine Lösung für diesen Fall finden.
Traditionelle SEPA-Zahlungen ermöglichen den Banken ein vergleichsweise flexibles Liquiditätsmanagement. Solange diese Zahlungen der Standard bleiben, können sie gebündelt und oft nur wenige Male täglich im Rahmen von Clearing-Prozessen ausgeführt werden – und zwar ausschließlich an Werktagen. Dadurch besteht ausreichend Zeit, um Liquidität auf Zentralbankkonten effizient umzuschichten. Durch den vorab planbaren und regelmäßigen Abgleich zwischen Eingängen und Ausgängen kann die Liquidität optimal ausbalanciert werden. Kurzfristige Liquiditätsengpässe sind selten und Reservesysteme nur für den Ausnahmefall erforderlich.
Mit der Einführung von Instant Payments verändert sich dieses Modell grundlegend. Zahlungen werden nicht mehr über Batch-Verfahren abgewickelt, sondern in Echtzeit verarbeitet. Dabei wird für jede einzelne Transaktion unmittelbar geprüft, ob ausreichend Liquidität auf dem entsprechenden Zentralbankkonto – beispielsweise auf einem TIPS-Konto (TARGET Instant Payment Settlement) – vorhanden ist. Dies stellt Banken vor mehrere Herausforderungen:
In der Praxis führen Liquiditätsengpässe dazu, dass IP-Zahlungen systemseitig abgelehnt werden. Dies geschieht durch standardisierte sogenannte „Reason Codes“ wie „AM04 – Insufficient Funds“, die dem Zahler jedoch meist nicht im Detail kommuniziert werden. Stattdessen sieht der Kunde häufig unspezifische Fehlermeldungen wie „Zahlung konnte nicht durchgeführt werden“. Diese Intransparenz verursacht Frustration, da die Hintergründe der Ablehnung unklar bleiben: Liegt der Fehler beim Zahler, beim Empfänger oder bei der Bank selbst?
Kunden erwarten in solchen Fällen schnelle Lösungen. Doch fehlgeschlagene IP-Zahlungen werden nicht erneut angestoßen oder über alternative Wege abgewickelt. Die Folge sind nicht nur verloren gegangene Transaktionen, sondern auch eine Belastung des Kundenservices und Reputationsrisiken für die Bank. Banken können es sich nicht leisten, Kunden durch als unzuverlässig empfundene Zahlungen zu verunsichern – insbesondere in einem Umfeld, in dem Wettbewerber moderne Zahlungsdienstleistungen zunehmend als Differenzierungsmerkmal nutzen.
Die Anforderungen der EU-Verordnung unterstreichen, dass Zahlungen „unverzüglich“ ausgeführt werden müssen. Dies bedeutet, dass Banken keine Verzögerungen bei der Abwicklung von IP-Zahlungen zulassen dürfen – auch temporäre Engpässe werden aus regulatorischer Sicht kritisch bewertet. KPIs zur Messung von Zahlungsverarbeitungs-Quoten könnten Bestandteil von Audits werden, was zusätzlichen Druck auf Banken ausübt, operative Prozesse flüssig und fehlerfrei zu gestalten.
Trotz dieser strengen Erwartungen bleibt die Frage, wie temporäre Liquiditätsengpässe abgefedert werden können, ein schwieriger Diskussionspunkt. Regulatorische Vorgaben lassen keinen Raum für Versäumnisse, doch operativ muss ein gewisses Maß an Flexibilität erhalten bleiben, um wirtschaftlich agieren zu können. Eine Balance zwischen strikten rechtlichen Anforderungen und der Realität begrenzter Liquiditätsressourcen zu finden, ist eine ständige Herausforderung.
Eine der diskutierten Optionen zur operativen Entlastung ist die Idee des „Queueings“ – ein bankenseitiger Mechanismus zur Zwischenspeicherung abgelehnter Zahlungen. Statt eine Zahlung bei fehlender Liquidität unmittelbar zurückzuweisen, wird dem Kunden, der die Zahlung angestoßen hatte, angeboten, den Auftrag in eine Warteschlange zu stellen. Sobald wieder ausreichende Liquidität verfügbar ist, könnte die Transaktion automatisch erneut angestoßen werden. Dieses Prinzip ermöglicht nicht nur die Abwicklung von Zahlungen, ohne dass der Kunde selbst aktiv werden muss, sondern minimiert auch den Verlust von Transaktionen und das Risiko negativer Kundenerfahrungen.
„Queueing“ ist keineswegs ein Ersatz für ein umfassendes Liquiditätsmanagement, eröffnet jedoch neue Möglichkeiten zur Schadensbegrenzung bei temporären Engpässen – jedoch nur unter der Voraussetzung, dass dieser Prozess sauber implementiert, transparent dokumentiert und regulatorisch abgesichert ist.
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Eine tiefere Diskussion zu den technischen und fachlichen Voraussetzungen sowie zu den Grenzen dieses Ansatzes finden Interessierte im dazugehörigen Discussion Paper, das kostenfrei auf der Webseite von PPI heruntergeladen werden kann.
*Oliver Schwarz ist Senior Manager und Doreen Wangard ist Managing Consultant bei dem Beratungs- und Softwarehaus PPI AG. Die PPI AG gehört zu den Premium-Partnern von Finanz-Szene.de. Mehr zu unserem Partner-Modell erfahren Sie hier.
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