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Wie intelligente KI-Agenten den Zahlungsverkehr verändern werden

„Hey Tim, hab neue Windeln für deinen Sohn bestellt. Nach meinen Berechnungen geht der Vorrat nächste Woche zu Ende. Lieferung des neuen Pakets erfolgt morgen. Bei der nächsten Bestellung sollten wir auf die nächste Größe wechseln, was meinst du?“

So oder so ähnlich könnten künftig Benachrichtigungen auf dem Smartphone klingen. Nicht von einem Online-Shop, sondern von einem digitalen Einkaufsagenten, der persönliche Vorlieben kennt, eine virtuelle Karte nutzen darf – und ganz nebenbei das gesamte Einkaufsverhalten verändert. Willkommen im Zeitalter des Agentic Commerce.

Und was hat das mit einem alten Plastikknopf zu tun, den man einst an die Waschmaschine klebte? Eine ganze Menge. Denn das Grundprinzip des legendären Amazon Dash Buttons war ganz ähnlich: „Ein Klick. Ein Produkt. Kein Nachdenken.“ Doch während der Dash-Button 2020 in Deutschland vom Markt verschwand – vor allem aus rechtlichen Gründen – feiern seine Prinzipien jetzt ein KI-gestütztes Comeback.

Der Dash-Button wurde vom BGH verboten, weil er gegen § 312j BGB („Button-Lösung“) verstieß: Kein klarer Preis, kein Produkt – kein gültiger Kaufvertrag. Agentic Commerce greift die Idee des Dash-Buttons wieder auf – aber mit mehr Kontext, intelligenterer Technik und (hoffentlich) besserer juristischer Absicherung. Was genau dahintersteckt, was es für PSPs, Acquirer und Händler bedeutet – und ob wir in Deutschland erneut in die juristische Stolperfalle tappen, klärt dieser Beitrag.

Was ist Agentic Commerce – und wie funktioniert das?

Agentic Commerce beschreibt eine neue Evolutionsstufe im digitalen Handel, bei der KI-Agenten im Namen der Kundinnen und Kunden Produkte recherchieren, vergleichen, auswählen – und eigenständig kaufen.

Statt sich durch Filter, Vergleichslisten und Checkouts zu klicken, genügt künftig eine Absichtserklärung: „Finde mir eine günstige schwarze Winterjacke unter 150 €, Fairtrade, Lieferung bis Freitag.“

Ein digitaler Einkaufsassistent – etwa in ChatGPT, Google, Siri oder einer Retail-App – übernimmt Recherche und Kaufentscheidung. Er entscheidet auf Basis von Kontext, Präferenzen, Budget und Regelwerken. Und ja: Perspektivisch bezahlt er auch selbstständig – etwa über Wallets, virtuelle Karten oder spezialisierte Zahlungstokens.

Was bedeutet Agentic Commerce für PSPs, Acquirer und Händler?

Für PSPs verschiebt sich der Ort der Transaktion. Der klassische menschlich bediente Checkout tritt in den Hintergrund, neue Schnittstellen und Zahlungsmechanismen, die auch von KI-Agenten genutzt werden können, rücken in den Vordergrund.

Gefragt sind:

  • Schnittstellen für agentengetriebene Zahlungsauslösung.
  • Unterstützung von Agenten-Authentifizierung und delegierter SCA.
  • Sicherheitssysteme, die maschinelles Verhalten interpretieren können.

Acquirer müssen mit autonomen Transaktionen umgehen lernen:

  • Wer haftet bei Fehlkäufen durch einen Agenten?
  • Wie wird SCA erfüllt, wenn kein Mensch aktiv beteiligt ist?
  • Wie geht man mit neuen Chargeback-Szenarien um?

Für Händler bedeutet das: Kunden besuchen seltener aktiv Shops – sie delegieren an Agenten. Die Herausforderungen:

  • Produktdaten müssen maschinenlesbar sein
  • Werbung im Web, Aufmerksamkeit über große Bilder oder Videos und UX verliert an Relevanz – entscheidend wird „Agent Visibility“
    Checkouts brauchen agentenfähige APIs (z. B. OpenAI ACP, Trusted Agent Protocol)

Händler müssen also ihren Shop auf die Welt des Agentic Commerce vorbereiten. Shops, die bisher vor allem auf die Psychologie des Menschen ausgerichtet waren und mit großen Werbebannern, professionellen Fotos, guten Beschriftungen und vor allem aussagekräftigen Bewertungen funktioniert haben, müssen in der Zukunft vor allem strukturierte Daten anbieten, die von einer AI interpretiert werden können und alle Prozesse auch gegenüber APIs von Agents öffnen. Das Testen von Shops muss auch Agenten umfassen und auch Rückgabe- und Chargeback-Prozesse müssen auf die Welt des Agentic Commerce vorbereitet sein.

Ein wichtiger positiver Nebeneffekt: Agentic Commerce bietet auch Chancen für barrierefreies Einkaufen. Für Menschen mit Einschränkungen kann ein sprachgesteuerter Agent echte Teilhabe schaffen. Vielleicht hat die Politik hier mit dem Barrierefreiheitsstärkungsgesetz ausnahmsweise mal vorgebaut?

Aktuell am Markt: PayPal x ChatGPT – Agentic Checkout in Echtzeit

Mit dem kürzlich angekündigten Deal zwischen PayPal und OpenAI wird das Konzept von Agentic Commerce erstmals auf breiter Bühne real. Nutzer von ChatGPT können künftig direkt über den Assistenten mit ihrem PayPal- oder Venmo-Konto bezahlen – ohne den klassischen Checkout zu durchlaufen.

OpenAI spricht hier bewusst von einem „Autonomous Purchase Protocol“ – also einem strukturierten Rahmen, in dem Agenten für Nutzer Transktionen auslösen dürfen.

Der PayPal-Deal zeigt: Große Player setzen auf kontextbasiertes, agentengesteuertes Einkaufen – und machen die einst theoretische Idee praktisch erlebbar.

Plattformdynamik: Amazon vs. Perplexity – Wer steuert den Agenten­-Marktplatz?

Auch Amazon und Perplexity liefern sich ein öffentliches Duell: Amazon geht gegen Perplexitys Shopping-Agenten vor, die eigenständig über Amazon-Plattformen Bestellungen auslösen können. Perplexity hingegen sieht sich als Verfechter eines „offenen Agenten-Ökosystems“.

Für Händler und PSPs heißt das:

  • Der neue „Marktplatz“ ist nicht mehr der Shop – sondern der Zugangspunkt des Agenten.
  • Wer früh APIs anbietet, wird von Agenten vorgeschlagen – andere bleiben unsichtbar.
  • Es entsteht ein neues Machtgefüge zwischen Plattformen, Agenten, Mandaten und Zahlungsverarbeitung.

Was heißt das für Issuer Processing?

Wenn Agenten zahlen, verändern sich auch die Anforderungen an Issuer. Drei Punkte sind entscheidend:

  1. Echtzeit-Entscheidungen: Transaktionen müssen kontextbasiert autorisiert werden – z. B. auf Basis von Agentenprofil, Zeit, Betrag, Händler und Mandat.
  2. Tokenisierung & Mandate: Agenten benötigen Zahlungsfreigaben mit klar definierten Rahmenbedingungen (z. B. Token mit Händlerbindung, Betrag, Zeitfenster).
  3. Agent-Aware Fraud Management: Issuer müssen erkennen, ob eine Zahlung von einem autorisierten Agenten stammt – und ob sie zum erwartbaren Verhalten passt.

Ohne moderne Processing-Plattformen mit API-first-Logik, dynamischen Spend Controls und Echtzeit-„Fraud Engines“ wird Agentic Commerce nicht skalierbar funktionieren.

Von Clicks zu Agenten – wie sich ökonomische Modelle verschieben

Agentic Commerce stellt das Grundprinzip des E-Commerce infrage: Aufmerksamkeit als knappes Gut. Der neue Engpass ist nicht mehr der Klick, sondern die Aufnahme in die Entscheidungslogik des Agenten.

Neue Wertschöpfung:

  • Wer Agentenprotokolle, Zugangslogik oder Präferenzsysteme kontrolliert, gewinnt.
  • Marken konkurrieren nicht mehr im Interface – sondern im Backend des Agenten.

Neue KPIs:

  • Conversionrates werden irrelevant.
  • Intent-Matching, Mandatsnutzung und Agent-Vertrauenswerte treten an ihre Stelle.
    Das verändert, wie Händler wachsen, Plattformen monetarisieren – und Investoren Geschäftsmodelle bewerten.

PSD2, SCA & Käuferschutz – Geht das überhaupt?

Einwände aus dem regulatorischen Lager sind berechtigt:

  • SCA (Strong Customer Authentication) ist Pflicht bei elektronischen Zahlungen – was bei einem Agentenauftrag in Abwesenheit des Nutzers problematisch sein kann.
  • Lösungsansatz: Einmaliges Mandat mit SCA-Freigabe, danach delegierte Zahlungen im definierten Rahmen (ähnlich wie bei Abozahlungen, aber im Detail komplexer).
  • Chargeback & Käuferschutz: Der Verbraucher bleibt schützenswert – Rückerstattungspflichten und Nachvollziehbarkeit der Agentenentscheidung müssen gesichert sein.

Zusammengefasst: Es braucht neue technische Strukturen (Token, Limits, Agent-Whitelists), damit Agentic Commerce mit EU-Recht vereinbar wird. Möglich ist es – trivial wird es nicht.

Fazit

Agentic Commerce ist kein Buzzword – sondern ein möglicher neuer Kanal für digitalen Handel. Händler, PSPs, Acquirer und Issuer müssen umdenken: Der Zugang zu Kunden erfolgt nicht mehr über schöne UI, sondern über Agentenlogik, Kontext und Vertrauen.

Die Welt im Agentic Commerce ist noch etwas unübersichtlich und es bewegen sich viele große Player gleichzeitig mit ihren Initiativen, die sich oft überschneiden. Wenn man genauer hinschaut, merkt man deutlich: Die großen E-/M-Commerce Gatekeeper und auch die großen Zahlungsverkehrsanbieter sind aufgeschreckt und jeder versucht sich für die Zukunft in Position zu bringen, um Marktanteile und Relevanz zu verteidigen. Es werden riesige Summen Geld in Bewegung gesetzt, um auch in der sich schnell entwickelnden neuen Welt einen Platz zu haben.

Ein bisschen klingt es so, als würde Online- oder Mobile-Shopping in Zukunft keinen Spaß mehr machen? Das glauben wir nicht. Es wird weiterhin viele Menschen geben, die gerne selbst entdecken, vergleichen und sich durch die besten Black-Friday-Deals klicken. Gleichzeitig wird es aber auch immer mehr geben, die sich beim Einkaufen unterstützen lassen möchten – etwa um den besten Preis für die nächste Urlaubsreise zu finden oder einfach sicherzustellen, dass das Hundefutter zuverlässig nachgeliefert wird. Agentic Commerce wird dabei nicht das Einkaufen verdrängen, sondern ergänzen und für viele einen festen Platz im Alltag einnehmen.

Wer früh vorbereitet ist, profitiert. Wer abwartet, wird vielleicht gar nicht mehr „angefragt“. Wenn man sich als E-Commerce Händler vom Dash Button bedroht fühlte, dann sollte man bei dem Thema Agentic Commerce wirklich hellhörig werden.

Ein komplett geratener Ausblick auf Agentic Commerce in 2030

  • 40 % aller Online-Käufe durch Agenten ausgelöst.
  • Keine Warenkörbe mehr – nur noch Transaktionsmandate.
  • „Agent Visibility Optimization“ wird das neue SEO.
  • Paywalls für Agenten-Zugriff entstehen.
  • Agentenprofile werden wichtiger als CRM-Datenbanken.

Wie sieht die Welt in ihrem Business aus, wenn das so Realität wird? Sind sie darauf vorbereitet? Oder glauben Sie das ist alles Humbug und es bleibt alles wie immer?

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Tim Danker ist Manager bei bei der auf Payment-Themen spezialisierten Unternehmensberatung Osthaven. Osthaven gehört zu den Premium-Partnern von Finanz-Szene. Mehr zu unserem Partner-Modell erfahren Sie hier.

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