von Robert Ellenbeck und Christian Witte, 27. April 2022
Seit dem 30. März haben deutsche Institute Gewissheit – die Finanzaufsicht Bafin hebt die Mindestkapitalanforderungen für nationale Banken ab Februar 2023 deutlich an. Zum einen erhöht sie den antizyklischen Kapitalpuffer, um die Widerstandsfähigkeit des hiesigen Bankensektors gegenüber zyklischen Risiken zu erhöhen. Zum anderen aktiviert sie erstmalig den Kapitalpuffer für systemische Risiken als ergänzendes Instrument, um insbesondere die spezifischen Risiken am Wohnimmobilienmarkt abzudecken, die vom antizyklischen Kapitalpuffer nicht adressiert werden. Im Ergebnis wird die Bewirtschaftung des Eigenkapitals damit zu einer deutlich größeren Herausforderung für die Institute.
Die Erhöhung des antizyklischen Kapitalpuffers von 0% auf 0,75% begründet die Bafin mit zyklischen Anfälligkeiten im deutschen Finanzsystem, die in den vergangenen Jahren gestiegen seien. Einerseits entspricht es der grundsätzlichen Idee hinter diesem Instrument, dass Banken in Zeiten eines übermäßigen Kreditwachstums einen zusätzlichen Kapitalpuffer aufbauen. Des Weiteren sieht die Bafin die Gefahr einer systematischen Risikounterschätzung am Markt – zum Beispiel verursacht durch zu niedrige Credit Spreads bei Unternehmensanleihen.
Für den Kapitalpuffer für systemische Risiken hat die Bafin eine Höhe von 2% festgesetzt, gültig für Risikopositionen, bei denen inländische Grundpfandrechte auf Wohnimmobilien anrechnungsmindernd berücksichtigt wurden. Die Notwendigkeit dafür resultiert aus Sicht der Aufsichtsbehörden aus dem andauernden Preisanstieg am Wohnimmobilienmarkt. Dort haben sich neben zyklischen auch strukturelle Risiken entwickelt.
Die Bafin sieht insbesondere bei Neukreditnehmern eine größere Anfälligkeit gegenüber Zinsanstiegen und Marktkorrekturen, die möglicherweise eine Verschlechterung der Schuldendienstfähigkeit bewirken. Außerdem beruft sich die Aufsicht darauf, dass Preise für Wohnimmobilien historische Höchstwerte erreicht haben – das berge die Gefahr, dass Finanzinstitute zum Beispiel aufgrund zu optimistischer Prognosen die Schuldendienstfähigkeit der Kreditnehmer sowie die Werthaltigkeit der Sicherheiten systematisch überschätzen.
Grundsätzlich wirken sich beide Maßnahmen auf alle Finanzinstitute aus. Da der Systemrisikopuffer aber abhängig vom Anteil der realkredit-privilegierten Wohnimmobilien-Finanzierungen eines Instituts erhoben wird, werden Banken mit einem hohen Anteil dieser Wohnimmobilien-Finanzierungen von dieser Maßnahme besonders betroffen sein.
Simulationen auf Basis typischer Kreditportfolien von Regionalbanken zeigen einen Anstieg der Mindestkapital-Anforderungen um bis zu 1,15 Prozentpunkte (vgl. Abb. 1).
Die Aufsicht erwartet, dass der überwiegende Anteil der nationalen Institute die erhöhten Mindestkapital-Anforderungen im Status quo aus ihrem Überschusskapital decken kann.
Simulationen von zeb zeigen, dass die kumulierten Betriebsergebnisse von Sparkassen und Genossenschaftsbanken unter diesen neuen Umständen – bei einer Verstetigung von Wachstum und Kostenkonstanz sowie einer Fortschreibung des Zinsniveaus von Februar 2022 – fallen werden: Ohne Gegenmaßnahmen sinken die Ergebnisse demnach bis 2023 auf 0,51% der durchschnittlichen Bilanzsumme (DBS). Bis 2030 würden sich die Ergebnisse dann wieder auf 0,69% der DBS erholen (s. Abb. 2).
Die Kehrseite wäre ein parallel deutlicher Rückgang der Kernkapitalquoten von im Durchschnitt mehr als 15% im Jahr 2021 auf unter 13% im Jahr 2030. Damit wären – im Durchschnitt der Regionalbanken – unter Berücksichtigung der gestiegenen Eigenkapitalanforderungen keine Spielräume für weiteres Wachstum ab 2025 mehr vorhanden.
Ein solcher Rückgang der Kapitalquoten würde bewirken, dass die durchschnittlichen Kapitalquoten deutscher Finanzinstitute auf Sicht unter die Mindestanforderungen der Aufsicht fallen würden. Nach zeb-Analysen könnten daher rund zwei Drittel der Regionalbanken das Wachstum ihrer Risk Weighted Assets (RWA) im Kreditgeschäft nicht dauerhaft fortsetzen.
Wollen die Institute ihre Kapitalquoten stabilisieren und künftiges Wachstum sicherstellen, müssen sie demzufolge reagieren. Das bedeutet: Rentabilitäten müssen wieder steigen und Spielräume im Rahmen einer RWA-Bewirtschaftung genutzt werden.
Unabhängig von der aktuellen Kapitalquote sollten die deutschen Institute in einer individuellen Simulation errechnen, wie sich das makroprudenzielle Maßnahmenpaket auf ihre Mittelfristplanung auswirkt. Neben den strukturellen Ertrags- und Kostenmaßnahmen zur Steigerung der Rentabilität spielt dabei zunehmend die Transparenz über die Rentabilität und Bewirtschaftung der gebundenen RWAs eine zentrale Rolle. Um diese Transparenz herstellen zu können, ist zunächst der Verbrauch und die Rendite auf die RWAs zu messen, um dann durch eine gezielte Steuerung der RWAs Renditen zu steigern respektive die RWA-Bindung zu reduzieren.
Ein durchdachtes RWA-Management unterteilt sich in drei wesentliche Handlungsstränge:
Die von der Bafin verabschiedeten makroprudenziellen Maßnahmen führen bei Deutschlands Banken in den kommenden Jahren verstärkt zu Eigenkapitalengpässen bei der Finanzierung des Kreditwachstums. Eine konsequente Bewirtschaftung des Eigenkapitals sowie ein aktiveres RWA-Management wirken den Belastungen entgegen, mildern das Absinken der Kapitalquoten – und eröffnen den Instituten auf diese Weise weitere Wachstumsspielräume.
* Robert Ellenbeck ist Partner, Christian Witte ist Manager bei der Strategie- und Managementberatung zeb. Diese gehört zu den „Premium-Partnern“ von Finanz-Szene. Mehr zu unserem Partner-Modell erfahren Sie hier.
Die Artikel von Finanz-Szene sind urheberrechtlich geschützt und nur für den jeweiligen Premium-Abonnenten persönlich bestimmt. Die Weitergabe – auch an Kollegen – ist nicht gestattet. Wie Sie Inhalte rechtssicher teilen können (z.B. via Pressespiegel), erfahren Sie hier.
Danke für Ihr Verständnis. Durch Ihr Abonnement sichern Sie ein Stück Journalismus!