Analyse

138% Cost-Income-Ratio: Ist schwäbische Krisen-Volksbank ein „Stützungsfall light“?

Erinnert sich noch jemand an die Raiffeisenbank Borken Nordhessen? Okay, vermutlich die wenigsten. Also: Wie „Finanz-Szene“ vor ziemlich genau drei Jahren aufdeckte, hatte sich das nahe Kassel beheimatete Institut „bestandsgefährdende Risiken“ eingehandelt. Der operative Zustand der Bank war niederschmetternd, um doch noch schwarze Zahlen auszuweisen, wurde die GuV mit üppigen „sonstigen Erträgen“ aufgehübscht – darunter ein Sondererlös aus dem Verkauf zweier „Villen“ (wie die Bank zuvor an die Villen gekommen war, entzog sich unserer Kenntnis).

Die spannende Frage wäre nun gewesen, ob die „bestandsgefährdenden Risiken“ schlagend geworden wären. Zur Probe aufs Exempel allerdings kam es nicht mehr. Stattdessen wurde die Raiffeisenbank Borken Nordhessen von einer anderen Genobank (auch wenn offiziell von einer „Fusion“ die Rede war) übernommen. Und zwar, Achtung, jetzt kommt die Pointe – ironischerweise von der VR-Bank Bad Salzungen Schmalkalden, also von jenem Institut, das bald darauf als „Effenberg-Bank“ bundesweite Bekanntheit erlangte.

Die Moral von der Geschichte (auch wenn wir diesen Punkt am Freitag so ähnlich schon einmal gemacht haben): Wer abschätzen will, ob es in der jüngsten Vergangenheit wirklich nur drei Problemfälle auf der genossenschaftlichen Primärebene gegeben hat (und nicht eher, sagen, wir drei Handvoll), der sollte neben den reinrassigen Stützungsfällen auch jene Fälle betrachten, in denen schwächelnde VR-Banken von Nachbarinstituten aufgefangen worden sind. Wobei sich dann ja oft auch die Frage stellt: Hat der Verbund vielleicht doch eingegriffen, hat man es gewissermaßen mit „Stützungsfällen light“ zu tun?

Und damit nun ins Oberschwäbische.

Dort nämlich sitzt die Raiffeisenbank Bad Schussenried-Aulendorf. Wie am Wochenende zuerst die „Schwäbische Zeitung“ (Paywall) berichtete, scheint auch dieses Institut reichlich angeschlagen zu sein – und auch hier soll eine Fusion die Dinge fürs Erste möglich geräuscharm lösen. Konkret strebt die 360-Mio.-Euro-Bilanzsummen-Bank (die vor drei Jahren selbst aus einem Zusammenschluss hervorgegangen war) unter das schützende Dach der unweit beheimaten VR Bank Donau-Oberschwaben. Diese übrigens, das sei für die Connaisseure kurz erwähnt, war jüngst ebenfalls aus einer Verschmelzung hervorgegangen. Nämlich der VR-Banken Bad Saulgau, Altshausen sowie Riedlingen-Federsee.

Klingt natürlich alles wahnsinnig kleinteilig. Allerdings: Die VR Bank Donau-Oberschwaben kommt immerhin auf mehr als 3 Mrd. Euro Bilanzsumme. Und inklusive der Raiffeisenbank Bad Schussenried-Aulendorf würde es dann schon auf die 4 Mrd. Euro zugehen.

Doch von der Größe zurück zur Schwäche: „Die wirtschaftliche Lage unseres Hauses lässt keine Ausschüttung zu“, hat einer der Vorstände der Krisen-Raiba aus Bad Schussenried der „Schwäbische Zeitung“ gesagt – ein klares Signal vor der für den 10. Dezember anberaumten Hauptversammlung. Dann soll auch endlich der Abschluss für 2023 vorgestellt werden. Bereits der von „Finanz-Szene“ untersuchte 2022er-Abschluss lässt allerdings wenig Zweifel, dass sich die Raiffeisenbanken schon länger in handfesten operativen Schwierigkeiten befindet.

Konkret …

  • … schoss die Cost-Income-Ratio (die auch schon 2021 mit satten 114% extrem hoch war) auf 138% in die Höhe. Im Abschluss ist die Rede von „Belastungen aus der Inflation zum einen im Rahmen des Verwaltungsaufwandes, zum anderen in Bezug auf unsere Bauvorhaben“. Und weiter: „An vielen Stellen haben wir Kostensteigerungen in ungeplantem Maße gesehen.“
  • … mussten 1,7 Mio. auf Immobilien im Eigenbestand abgeschrieben werden (bei einem Umlaufvermögen von 7,7 Mio. Euro). Vor Bewertung stand ein Betriebsverlust von 2,7 Mio. Euro, der durch die Auflösung von Vorsorgereserven neutralisiert wurde.
  • … waren darüber hinaus stille Lasten in Höhe von 2,2 Mio. Euro auf Wertpapiere aufgelaufen.
  • … reduzierte sich die harte Kernkapitalquote von 13,6% auf 12,1% (und die Gesamtkapitalquote von 15,8% auf 12,7%), und
  • … rutschte das Institut „temporär“ unter die Eigenmittelanforderungen, nachdem die Bafin im März 2023 den sogenannten SREP-Kapitalzuschlag von 0,17% auf 3,20% heraufgesetzt hatte. Der Vorstand musste der Aufsicht in der Folge einen „Wiedereinhaltungsplan“ vorlegen

Kurzum: Eine Bank in derart desperater Lage ist selbst uns selten untergekommen, auch wenn der Abschluss sich natürlich feiner ausdrückt: „Ohne die Auflösung von Vorsorgereserven nach § 340f HGB wäre ein Jahresüberschuss nicht darstellbar gewesen.“

Alles sieht danach aus, dass sich die Raiffeisenbank Bad Schussenried-Aulendorf mit ihren 24 Vollzeit- sowie 45 Teilzeit-Beschäftigten insbesondere bei Aktivitäten im Bauträgergeschäft kräftig vergaloppiert hat (das ist auch die Stoßrichtung der „Schwäbischen Zeitung“). Damit wären die Oberschwaben zwar nicht allein in den beiden Verbünden. Allerdings mangelt es dem Mini-Institut, anders als größeren Sparkassen und Volksbanken, offenbar an der wirtschaftlichen Schlagkraft, um die entstandenen Verluste wegzustecken.

„Für die Geschäftsjahre 2022 und auch 2023 konnten alle Risiken von unserer Bank abgeschirmt und die aufgestellten und geprüften Jahresabschlüsse aus eigenen Mitteln und Reserven dargestellt werden“, heißt es tapfer. Zugleich räumt der Vorstand gegenüber der „Schwäbischen Zeitung“ ein, dass mit der Zinswende das aufs Bauträgergeschäft ausgerichtete Geschäftsmodell nicht mehr trag- und zukunftsfähig gewesen sei: „Deshalb brauchen wir einen Partner, mit dessen Hilfe nach einer Fusion die Zukunftsfähigkeit des Genossenschaftsbankings in unserem Geschäftsgebiet möglich ist.“

Tatsächlich kennt man sich im Baden-Württembergischen Genossenschaftsverbands (BWGV) aus mit der Verschmelzung eines maladen Hauses auf einen potenteren Partner. So war 2021 bereits die von Zins-Swaps und steuergetriebenen Aktiengeschäften aus der Kurve getragene Volksbank Heilbronn auf die VR Bank Schwäbisch Hall-Crailsheim verschmolzen worden. Damals hieß es, die Sicherungseinrichtung habe dem Vorhaben mit rund 60 Mio. Euro freundlich nachhelfen müssen.

Ist ein ähnlicher Eingriff auch diesmal wieder geplant? „Finanz-Szene“ stellte dazu gestern der VR Bank Donau-Oberschwaben (also jenem Institut, das die Krisen-Raiba übernehmen soll) unter anderem folgende Fragen:

  • Macht Ihre Bank die Einwilligung in einen Zusammenschluss von Hilfen der genossenschaftlichen Sicherungseinrichtung für die Raiffeisenbank Bad Schussenried Aulendorf abhängig?
  • Steht die VR Bank Donau-Oberschwaben in dieser Angelegenheit bereits in Kontakt mit der genossenschaftlichen Sicherungseinrichtung (und falls ja: seit wann)?

Die Antwort:

„Klar ist, dass mögliche Risiken, die in der Bilanz eines Fusionspartners bestehen, Lösungen bedürfen. Fakt aber ist, dass die Raiffeisenbank die geprüften und testierten Jahresabschlüsse der Jahre 2022 und 2023 aus eigener Kraft darstellen konnte. Der Jahresabschluss 2024 wird ab Januar 2025 aufgestellt und vom BWGV zeitnah geprüft. Erst dann sind weitere Aussagen möglich.“

Wir wissen nicht, was Sie daraus lesen, liebe Leserinnen und Leser. Aber wir hier haben, ehrlich gesagt, schon härtere Dementis gesehen.

Fest dürfte jedenfalls stehen: Die Konditionen eines etwaigen Zusammenschlusses müssen erst noch ausbaldowert werden. Und während die Raiffeisenbank Schussenried laut der „Schwäbischen Zeitung“ eine Fusion per Januar 2025 ins Spiel bringt, will sich die VR Bank Donau-Oberschwaben zum Zeitplan erst einmal nicht äußern.

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