Analyse

3 Mrd. Euro pro Monat! Sparkassen vertreiben wie verrückt Zertifikate

Die deutschen Sparkassen bauen den Vertrieb von Zertifikaten spektakulär aus. Wie aus Statistiken der Branchen-Lobby DDV hervorgeht, stieg bei den sparkassen-nahen Emittenten das Volumen im ersten Quartal um knapp 9 Mrd. Euro. Da weit über 90% dieses Zuwachses auf sogenannte strukturierte Anleihen zurückgehen, dürfte die Zahl quasi eins zu eins den Nettovertrieb widerspiegeln – Markteffekte dagegen spielen keine Rolle.

Zur Einordnung: Nachdem der Nettoabsatz „festverzinslicher Wertpapiere“ (worunter auch die Zertifikate fallen) bei den Sparkassen jahrelang um die Nullinie pendelte und 2021 sogar negativ war, schossen die Zahlen im Zuge der Zinswende bereits 2022 spektakulär auf 13,9 Mrd. Euro in die Höhe. Die Zahlen aus dem ersten Quartal deuten nun allerdings darauf hin, dass die Sparkassen ihren Vertrieb sogar nochmals intensiviert haben – schließlich sind mit den 9 Mrd. Euro schon jetzt fast zwei Drittel des Vorjahresergebnisses erreicht. Ebenfalls imposant: Die S-Finanzgruppe dürfte von Januar bis März nicht nur mehr Zertifikate als alle anderen Banken zusammen vertrieben haben. Selbst der branchenweite Nettozufluss bei Publikumsfonds (laut BVI 4,9 Mrd. Euro) blieb hinter den Zertifikate-Zahlen der Sparkassen zurück.

Dabei dürfte die Vertriebsleistung in den Filialen über die 9 Mrd. Euro sogar noch hinausgehen. Schließlich reichen die Sparkassen nicht eigene Zertifikate aus, sondern dank einer im vergangenen Jahr geschlossenen Kooperation auch die entsprechenden Papiere der Société Générale (siehe zu den Hintergründen unser Stück –> Wie Deka und Sparkassen radikal ihre Vertriebs-Strategie änderten). Was hierbei auffällt: Als einziger großer Zertifikat-Emittent ohne eigenen Filialvertrieb verzeichnete auch die Société Générale im ersten Quartal enorme Zuwächse (und auch dieser Zuwachs dürfte zu einem substanziellen Anteil dem Sparkassen-Vertrieb geschuldet sein) …

Damit wird immer deutlicher, dass das Sparkassen-Lager im Wertpapierabsatz inzwischen sehr stark auf Zertifikate bzw. strukturierte Anleihen setzt. Hintergrund: Infolge der Zinswende sind viele Anleger auf der Suche nach Alternativen zu oft unverzinsten Einlagen. Die Zertifikate bieten für Käufer oft attraktive Fixkupons in Verbindung mit dem Versprechen von Kapitalschutz zum Laufzeitende. Die Banken und Emittenten wiederum profitieren von den in die Produkte eingearbeiteten Vertriebsmargen. Zudem lassen sich aufgrund der deutlich gestiegenen Zinsen auch wieder Garantiezertifikate verkaufen, die einen Kapitalschutz zum Laufzeitende mit einer variablen Verzinsung kombinieren.

Wie sich der obigen Tabelle entnehmen lässt, verzeichnete die LBBW mit 3,9 Mrd. Euro das größte Vertriebsplus aller hiesigen Emittenten – wobei der Landesbank das Kunststück gelang, ihr Marktvolumen in nur drei Monaten um exorbitante 39% (!!!) zu steigern. Dabei ließ die LBBW innerhalb des öffentlich-rechtlichen Bankensektors sowohl die Helaba (3,1 Mrd. Euro) als insbesondere auch die Deka (1,9 Mrd. Euro) deutlich hinter sich. Ein Erfolg, der sich freilich nicht nur mit dem Vertrieb über die eigene Retail-Tochter BW Bank sowie über die baden-württembergischen Sparkassen erklären lässt. Vielmehr tritt die LBBW längst bundesweit in Konkurrenz zur Deka.

Gemeinsam kommen die drei Sparkassen-nahen Emittenten (siehe die Tabelle weiter unten) inzwischen auf einen kumulierten Marktanteil von mehr als 50%. Weitere knapp 20% entfallen auf die DZ Bank, die als genossenschaftliches Zentralinstitut die Zertifikate für Volks- und Raiffeisenbanken liefert. Die Hypo-Vereinsbank steigerte ihr Volumen leicht auf 4,8 Mrd. Euro; die Deutsche Bank wiederum (die das Geschäft als einstiger Marktführer brutal zurückgefahren hatte) legte auf niedrigem Niveau um 46% zu, auf nunmehr doch wieder 2,8 Mrd. Euro. Die größten Emittenten ohne eigenes Filialnetz in Deutschland kommen zusammen auf weniger als 20%.

Abzuwarten bleibt, ob sich die Großbanken vor dem Hintergrund der Zinswende und den spektakulären Absatzerfolgen der Sparkassen im Zertifikate-Geschäft vielleicht doch wieder offensiver positionieren. Die Commerzbank hatte den entsprechenden Bereich 2020 an die weiter oben schon gewürdigte SocGen verkauft. Bei der Deutschen Bank wiederum läuft das Geschäft eher nebenbei, nachdem es vor Jahren mal (offenbar vergeblich) zum Verkauf gestellt worden war, siehe 2019 unser Stück –> "Deutsche Bank sucht Lösung für Milliardengeschäft mit Zertifikaten").

Zertifikate-Volumen, in Mio. Euro

12/2022 03/2023 absolut relativ
Deka 18.367 20.308 + 1.941 + 11%
DZ BANK 13.044 15.162 + 2.118 + 16%
LBBW 10.076 13.957 + 3.881 + 39%
Helaba 9.473 12.550 + 3.077 + 32%
Société Générale 4.117 7.148 + 3.031 + 7%
Hypo-Vereinsbank 4.464 4.810 + 346 + 8%
BNP Paribas 2.417 3.000 + 584 + 24
Deutsche Bank 1.901 2.784 + 883 + 46%
Vontobel 1.581 2.768 + 1.187 + 75%
Goldman Sachs 1.511 1.593 + 83 + 5%
UBS 1.528 1.503 - 25 - 2%
HSBC Trinkaus 846 985 + 138 + 16%
Morgan Stanley 586 547 - 39 - 7%
Citigroup 413 491 + 78 + 19%
J.P. Morgan 149 153 + 5 + 3%

Quelle: DDV

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