von Bernd Neubacher, 30. November 2022
In unserem „Aufsichts- & Regulierungs“-Ticker verfolgen wir die alltäglichen Scharmützel zwischen der Bafin und den deutschen Banken (und Fintechs!) – und darüber hinaus berichten wir, wie sich die regulatorischen Rahmenbedingungen für die Branche entwickeln.
Hier unser Ticker mit sämtlichen Meldungen aus Oktober und November 2022
–––––––––––––––––––
Die Ende Oktober beschlossene Verschiebung der „Target2-Migration“ (siehe unsere Berichterstattung hier) ist quasi alternativlos gewesen. Laut neuen Finanz-Szene-Informationen hatte sich die Bundesbank im September bei rund 1.150 hiesigen Banken nach dem Projektstatus erkundigt. Ergebnis der nach dem Ampelsystem durchgeführten Befragung: 77% der Institute meldeten „Rot“ (sie waren also technisch nicht bereit für die Migration), weitere 16% „Gelb“. Nicht mal jede zehnte Bank sah sich mithin für den „Big Bang“ gerüstet. Besonders interessant: Einige Monate zuvor hatten bei einer identischen Umfrage nur 68% der Banken signalisiert, sie seien noch nicht ausreichend auf den Target2-Umzug vorbereitet. Sprich – anstatt dass die Bereitschaft stieg, fiel sie, je näher der Tag der geplanten Migration rückte. Hoffen wir, dass das kein schlechtes Omen für den neuen D-Day (20. März 2023) ist.
Die Bundesbank, das Meldewesen – und das „Rundschreiben 60/2022“
Europas Aufseher rücken dem Problem des Greenwashings koordiniert zu Leibe. Im Zuge einer öffentlichen Konsultation sammelt die Bankenbehörde Eba gemeinsam mit den Schwesterbehörden Esma und Eiopa seit dieser Woche Informationen zu „potenziellen Greenwashing-Methoden im gesamten EU-Finanzsektor“. Input liefern sollen neben Banken und sonstigen Finanzdienstleistern auch andere Parteien, von Kleinanlegern und Verbraucherschützern bis hin zu NGOs.
In einem 36 Seiten umfassenden Fragebogen wollen Eba und Co. von den Teilnehmenden unter anderem wissen …
Die EU-Kommission hatte Eba, Esma und Eiopa im Frühjahr aufgefordert, bis Mai 2022 einen Zwischenbericht zum Greenwashing-Phänomen zu liefern – bis Mai 2024 fordert Brüssel dann den fertigen Report. Gut möglich, dass die Aufsichtsbehörden diese Zeit auch brauchen. Schließlich haben sich die Regulierer bis dato nicht einmal auf eine einheitlich Definition verständigt, was „Greenwashing“ überhaupt ist. Die Esma hat in einem ihrer jüngsten Berichte zumindest schon mal folgende, ungemein griffige Formulierung gefunden:
„Der Begriff Greenwashing kann auf eine Reihe von Arten definiert werden, aber intuitiv bezieht er sich auf Marktpraktiken, beabsichtigt wie unbeabsichtigt, bei denen das veröffentliche Nachhaltigkeitsprofil eines Emittenten sowie die Merkmale und/oder Ziele eines Finanzinstruments oder -produktes entweder durch Handeln oder Unterlassen die eigentlichen mit dem Emittenten, dem Finanzinstrument oder -produkt verbundenen Nachhaltigkeitsrisiken und -effekte nicht richtig widerspiegelt.“
––––––––––––––––––––
Bafin vs. Krypto – Beziehungsstatus: Kompliziert
Der EU-Rat hat seine Position zum Regelwerk Basel III festgeklopft und (wie zuvor schon die EU-Kommission) zahlreiche Erleichterungen durchgewunken, die den Anstieg der Kapitalanforderungen an Banken infolge der Vorgaben begrenzen (siehe unseren Deep Dive hier). So will er Rat den Mitgliedstaaten Spielraum gewähren in der Frage, ob bei Berechnung des Eigenkapitalbedarfs die für den Einsatz bankinterner Modelle eingeführten Restriktionen auf Ebene etwa jeder Auslandstochter einer Bank gelten oder, in einer großzügigeren Variante, nur auf Gruppenebene vorgeschrieben sind. Jedem Land soll es freistehen, die Beschränkung für Banken „auf der höchsten Konsolidierungsebene anzuwenden“, erklärte der Rat am Dienstag. In der Bundesrepublik ist dies unter anderem für die Unicredit Bank sowie für ING-DiBa interessant.
Daneben zielt der Beschluss auf neue Regelungen u.a. zur Berechnung von Kredit-, Markt- sowie operationellen Risiken ab. Zudem geht es auch um mehr Verhältnismäßigkeit von Offenlegungspflichten kleiner Banken. Vor dem Hintergrund des Brexits, der manche Auslandsbank zu bedeutenden Spielern auf dem Kontinent hat werden lassen, sollen nationale Aufsichtsbehörden zudem als systemrelevant erachtete Zweigstellen von Banken aus Drittländern zur Umwandlung in eine Tochtergesellschaft zwingen können.
Kommission und Rat müssen nun im Trilog eine Linie mit dem EU-Parlament finden. Dies dürfte den Erwartungen zufolge bis weit ins kommende Jahr dauern. Die Einführung der neuen Kapitalregeln soll 2025 beginnen und sich bis 2032 hinziehen. Zu den PDFs des Standpunkts im Original: Teil 1 und Teil 2
4,0% statt 19,8%: Wie unsere Banken das Basel-III-Finale gewinnen
Rein stochastisch war es nur eine Frage der Zeit, bis die Bonner Finanzaufsicht und das größte Geldhaus der Republik mal wieder aneinandergeraten. Schließlich hat die Bafin zuletzt fast wöchentlich irgendeine Bank da draußen öffentlich zur Ordnung gerufen. Rein inhaltlich dagegen? Hatte man zuletzt den Eindruck, die Deutsche Bank habe bei der Finanzaufsicht ein bisschen Kredit aufgebaut. Klar, der notorische Sonderbeauftragte schlich immer noch in den Doppeltürmen herum. Zugleich war aus dem Umfeld der Bafin allerdings wiederholt zu hören, die Deutsche Bank komme bei ihren Problemthemen (Geldwäsche, Terrorismusfinanzierung) eigentlich ganz gut voran.
Seit Freitag weiß man, dass das eine Fehleinschätzung gewesen ist (ob unsererseits oder seitens der Bafin, sei mal dahingestellt). Da nämlich teilte die Finanzaufsicht – trotz Kommafehlers unmissverständlich – mit: „Die BaFin hat am 28. September 2022 gegenüber der Deutsche Bank AG zur Prävention von Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung spezifische Maßnahmen angeordnet, die die Bank zur Umsetzung der Anordnungen der BaFin vom 21. September 2018 und vom 15. Februar 2019 zu ergreifen hat und für den Fall der Nichterfüllung Zwangsgelder angedroht.“ Sprich: Die alten Probleme sind nach Einschätzung der Aufseher also sehr wohl noch akut. Bleibt die Frage, ob die Deutsche Bank die Dinge in den letzten Monaten hat schleifen lassen. Oder ob bei der Bafin die neue Exekutivdirektorin für Geldwäschethemen (Frau Rodolphe) anders und im Zweifel kritischer draufschaut als der alte Exekutivdirektor (Herr Pötzsch).
Die EZB-Bankenaufsicht setzt Europas Banken harte Fristen zur Steuerung ihrer Klimarisiken. Schon vor zwei Jahren hatten die Aufseher ihre diesbezüglichen Erwartungen niedergelegt. Nun ergab eine Überprüfung (Thematic Review) durch die EZB: Einige Banken hätten zwar begonnen, den Übergang in eine kohlenstoffarme Wirtschaft zu planen und entsprechende Kundengespräche zu führen – die meisten Häuser jedoch warteten nach wie vor ab (was in einigen Fällen auch schon Folgen für die individuellen Kapitalanforderungen gehabt hat).
Bis spätestens März müssen die Banken nun ihre Klima- und Umweltrisiken angemessen kategorisieren und deren Auswirkungen auf die eigenen Aktivitäten abschätzen. Bis Ende 2023 soll sich das Ganze dann auch in der Steuerung der Governance, der Strategie sowie der Risiken niederschlagen – Und bis Ende 2024 erwartet die EZB dann eine “volle Integration” der Klima- und Umweltrisiken unter anderem bei der Einschätzung der eigenen Kapitaladäquanz (Internal Capital Adequacy Assessment Process/ICAAP) sowie bei Stresstests.
Wie der „Thematic Review“ der Aufseher gezeigt hat, wenden 85% der Banken inzwischen zwar zumindest grundlegende Methoden zum Management der Klimarisiken an. Es fehlt allerdings laut EZB zugleich an fortgeschrittenen Methoden sowie granularen Informationen; auch hinken die Banken bei der Umsetzung hinterher. Im Ergebnis wiesen 96% der Institute blinde Flecken bei der Identifikation von Klima- und Umweltrisiken auf, schreibt die EZB. Zugleich zeigten positive Beispiele, dass rascher Fortschritt möglich sei.
Sind unsere Banken zu lax bei Herstellung und Vertrieb ihrer Produkte? Zu diesem Ergebnis kommt jedenfalls die Finanzaufsicht – und bringt das im hauseigenen „Bafin-Journal“ auch deutlich zum Ausdruck: Bafin-Website
Dass die deutschen Aufseher einerseits und die europäischen Aufseher andererseits in puncto „makroprudenzielle Gefahrenlage“ unterschiedlicher Ansicht sind – dass hatte sich zuletzt ja schon angedeutet. Worum es genau geht, lesen Sie hier.
Richter stärken Position der Bafin – und stellen Münchner Bankhaus bloß
Gibt es eigentlich zwei Deutsche Banken? Eine, deren Chef seit Monaten vor Inflation („Gefährdet den sozialen Frieden“) und Rezession („Nicht mehr abzuwenden“) warnt – und eine, die am heutigen Mittwoch (siehe unseren Live-Blog weiter unten) einen üppigen Quartalsgewinn präsentieren dürfte und die Analysten zufolge im Gesamtjahr mit einer Risikovorsorge von 1,3 Mrd. Euro auskommen will (was gerade mal einen Aufschlag von 15% verglichen mit dem Mittel der vergangenen zehn Jahre bedeuten würde)? In der Tat, die Gegensätze sind erstaunlich. Auf der einen Seite: Ukraine-Krieg, Energiekrise, eine entfesselte Inflation und eine noch immer nicht wirklich eingedämmte Pandemie. Auf der anderen Seite: die Bankenbranche, die in Teilen immer noch so tut, als wäre Business as usual. Zu Recht? Das ist die Frage! Haben wir es mit einer Situation wie 2008 zu tun, als die Subprime-Blase in den USA längst geplatzt war, viele deutsche Banken aber noch glaubten, sie selber werde es schon nicht treffen? Oder drängt sich eher der Vergleich mit dem Frühjahr 2020 auf? Da schaute der Bankensektor erst unvermittelt in einen Abgrund, nur um bald darauf – unterstützt von beispiellosen Wirtschaftshilfen der öffentlichen Hand – erleichtert aufzuatmen. Wir haben die unübersichtliche Gemengelage zum Anlass für eine Tiefenrecherche zum Thema Risikovorsorge genommen. Warum bilden unsere Banken nicht mehr Rückstellungen? Taugen angesichts der scharfen Zinswende die Risikomodelle noch? Bietet der Anlagebestand möglicherweise einen Ausweg? Und, platt gesagt: Wer muss ein böses Erwachen fürchten, wer nicht? Unser „Deep Dive“: FS Premium
Lobby-Erfolg für Pfandbriefbanken: Bafin ändert Beleihungswert-Regeln
Banken, die im großen Stil mit Restschuld-Versicherungen arbeiten, droht Ärger mit der EU-Aufsicht Eiopa. In einem ungewöhnlich scharfen, fünfseitigen Warnschreiben hat die in Frankfurt ansässige Behörde gestern stärkere Kontrollen und sogar Sanktionen gegenüber Banken und Versicherern angekündigt, wenn diese den regulatorischen Bestimmungen zum Vertrieb solcher Policen nicht genügen. Hier die ganze Geschichte…
Podcast: Neubacher & Kirchner – unser Rückblick auf den September
Die Artikel von Finanz-Szene sind urheberrechtlich geschützt und nur für den jeweiligen Premium-Abonnenten persönlich bestimmt. Die Weitergabe – auch an Kollegen – ist nicht gestattet. Wie Sie Inhalte rechtssicher teilen können (z.B. via Pressespiegel), erfahren Sie hier.
Danke für Ihr Verständnis. Durch Ihr Abonnement sichern Sie ein Stück Journalismus!