von C. Kirchner, B. Neubacher und H.-R. Dohms, 29. Mai 2023
In unserem „Groß- und Direktbanken“-Ticker verfolgen wir, was bei Deutsche Bank, Commerzbank, ING Diba usw. los ist.
Hier der Ticker für den Mai 2023:
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Die Deutsche Bank soll sich (wie „Reuters“ berichtet, hier via Wiwo) während des globalen Bankenbebens in diesem Frühjahr mit etlichen Milliarden an zusätzlicher Liquidität vollgesogen haben, um den eigenen Investoren eine bessere Liquidity Coverage Ratio zeigen zu können. Den Schilderungen zufolge war die wichtige Kennziffer eine Woche vor Ende des ersten Quartals auf nur noch 137% abgebröckelt – stabilisierte sich durch die Liquiditäts-Operationen aber bis zum 31. März wieder auf einen Wert von 143%. Auch wenn das Vorgehen unter Banken nicht unüblich sei, habe es trotzdem das Aufsehen der EZB erregt, so „Reuters“. Die Aufseher schreiben einen LCR-Mindestwert von 100% vor, die Deutsche Bank selbst hat sich ein Ziel von 130% verordnet.
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Warum der Retail-Chef der ING Diba wie verrückt um Einlagen buhlt
Als wir in den letzten Wochen beschrieben haben, welche Banken von der Zinswende in besonderem Maße profitieren – da galt der Fokus (natürlicherweise, ist man geneigt zu sagen) eigentlich immer den einlagenstarken Retailbanken. Man denke an die ING Diba, die ihren Zinsüberschuss im ersten Quartal um spektakuläre 69% hochgefahren hat. Oder an die DKB, bei der es sogar unglaubliche 97% waren. Interessanterweise ist es nun aber so, dass sich bei den klassischen Universalbanken hierzulande zuletzt eher das Firmenkundengeschäft hervorgetan hat. Da war zunächst die Hypo-Vereinsbank, die in ihrem 2022er-Geschäftsbericht erstmals seit etlichen Jahren wieder zwischen „Retail“ und „Corporates“ unterschied (siehe –> Hypo-Vereinsbank publiziert erstmals wieder detaillierte Zahlen zum Retail-Geschäft) – und bei der man deshalb feststellen konnte, dass die „Corporates“-Sparte (plus 620 Mio. auf 2.006 Mio. Euro) einen ungleich größeren operativen Ergebnisbeitrag leistet als das Privatkunden-Segment (plus 218 Mio. auf 386 Mio. Euro). Noch pointierter zeigte sich das Ganze letzte Woche bei der Commerzbank, wo die Firmenkundensparte die Erwartungen der Analysten um zwei Drittel übertraf (539 Mio. Euro statt 329 Mio. Euro), während das Retailgeschäft um ein Fünftel hinter den Prognosen zurückblieb (390 Mio. Euro statt 499 Mio. Euro). Dazu nun wiederum passt, dass sich auch bei der Deutschen Bank die Corporate Bank zuletzt als größter Wachstumstreiber entpuppte. Allerdings – und das ist nun fast schon eine tektonische Verschiebung: nicht nur im Vergleich zum Privatkundengeschäft, sondern selbst gemessen am Investmentbanking. Wie es nämlich aussieht, könnte die Corporate Bank die Investmentbank schon bald (und auch dauerhaft) als gewinnträchtigste Sparte ablösen. Hier die Details: FS Premium
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Okay, vom Grundsatz her ist das, was wir Ihnen heute Morgen erzählen möchten, natürlich nicht neu, liebe Leserinnen und Leser. Denn: Dass die Zinswende die Ergebnisse der allermeisten Banken hierzulande anschiebt, das ist ja längst eine Binse (siehe etwa neulich unser Artikel -> „Zinsen statt Strategie: Bei der DKB kommt der Gewinn jetzt von alleine“ ). Was allerdings neu ist – und in dieser Hinsicht hat der gestrige Donnerstag einen, wie wir finden, erheblichen Erkenntnisgewinn gebracht –, das sind die schieren Dimensionen dieses Anschiebens! Um mal beim Beispiel der DKB zu bleiben: Als wir Anfang April die zitierte „Zinsen statt Strategie“-Headline dichteten, da beriefen wir uns auf einen Anstieg des Zinsüberschusses (2022 vs. 2021) von 28%. Nun allerdings reden wir (Q1/23 vs. Q1/22) urplötzlich von einem Plus von 97%!!! Und es ist nicht nur die DKB, bei der die Luzie gerade abgeht wie verrückt. Sondern: Auch bei der ING Diba ist das Zinsergebnis im ersten Quartal regelrecht explodiert, nämlich um 69%!!! Klar, nicht alle Banken profitieren gleich so unverschämt stark von der Zinswende wie die größte und die zweitgrößte Direktbank der Republik. Denn: Wer sich (wie Diba und DKB) überwiegend bzw. sogar komplett granular refinanziert, der ist dieser Tage natürlich geradezu gebenedeit. Aber – und auch das ist eine Erkenntnis des gestrigen Tages: Auch bei anderen Banken ziehen die Zahlen brutal an. So verzeichnete die BayernLB auch jenseits der DKB deutlich bessere Ergebnisse im Zinsgeschäft (Corporates: +24%; Immobilien: +33%); und bei der Aareal verbesserte sich der Zinsüberschuss um 40%, einhergehend mit einer fulminanten Ausweitung der Zinsmarge. Die Folge dieser Entwicklung sind Kennziffern, wie man sie lange nicht mehr gesehen hat da draußen (etwa bei der DKB eine Cost-Income-Ratio von 36% oder bei der BayernLB insgesamt eine EK-Rendite von 16%). Wahnsinn.
Zinswende als Gewinnturbo: DKB kommt jetzt auf 31% Rendite!
ING Diba scheffelt im Startquartal über 500 Mio. Euro Vorsteuergewinn
Die meisten von Ihnen, liebe Leserinnen und Leser, lesen uns in der Stunde zwischen 7 und 8 Uhr. Weshalb es den allermeisten von Ihnen (den semi-professionellen Nach-8-Uhr-Lesern ja sowieso) relativ egal ist, wenn wir unseren Newsletter mal nicht um Punkt 6 Uhr rausschicken. Sondern 10 Minuten, 20 Minuten oder auch mal eine dreiviertel Stunde später. Weil wir verschlafen haben, noch viel zu aktualisieren hatten oder in unserem Mailing-Dienst an die falschen Knöpfe gekommen sind. Jedenfalls: Stefan Hoops wäre nicht Stefan Hoops, wäre er nicht auch in puncto Newsletter-Lektüre ein gutes Stück früher dran als die meisten anderen. Ein Musterleser, sozusagen. Der morgens meistens gegen 6 Uhr aufsteht. Bald darauf mit seinem morgendlichen Sportprogramm beginnt. Und in den Minuten dazwischen schnell noch Finanz-Szene liest. Es sei denn, siehe oben, wir verspäten uns. Dann kommt der schöne Zeitplan durcheinander. Und Hoops ärgert sich. Sozusagen über uns. Was wir bislang aber gar nicht wussten – sonst hätten wir uns irgendwann mal einen zweiten Wecker angeschafft, Ehrenwort! Jedenfalls: Jetzt also wissen wir’s. Denn Hoops hat uns von seiner Morgen-Routine erzählt. Am Rande des Podcasts, den wir dieser Tage mit ihm aufgenommen haben. Darum also heute, sogar ein paar Minuten vor 6 Uhr (sicher ist sicher!), die neue Folge von „Finanz-Szene – Der Podcast“: Stefan Hoops über sein erstes Jahr im Amt. Seinen Linkedin-Fimmel. ESG. Tokenisierung. Und die sehr grundsätzliche Frage, wie er die eher mittelgroße DWS im skalengetriebenen Asset-Management künftig positionieren will. Und, ähh, klar – wie viel er im Bankdrücken schafft, haben wir ihn natürlich auch gefragt. Auf geht’s: Finanz-Szene (frei zugänglich)
Die in Frankfurt ansässige J.P. Morgan SE ist im vergangenen Jahr zur fünfgrößten deutschen Bank aufgestiegen – jedenfalls gemessen an der Bilanzsumme. Diese explodierte um 55% auf 436 Mrd. Euro, wie aus dem gestern Abend veröffentlichten Geschäftsbericht hervorgeht. Damit überholten die Amerikaner die Hypo-Vereinsbank und die LBBW und sind nun auf einem ähnlichen Niveau wie die Commerzbank (477 Mrd. Euro) unterwegs sind. Das krasse Bilanzwachstum (das wesentlich aus der Fusion der irischen und der luxemburgischen in die deutsche Einheit herrührt) spiegelt sich auch in den Ergebniskennziffern. So stieg das Vorsteuerergebnis um 49% auf 1,74 Mrd. Euro, der Jahresüberschuss zog um knapp zwei Drittel auf 1,24 Mrd. Euro an. Auffällig: Zwar verdreifachte sich die Beschäftigtenzahl im Zuge der Fusion auf gut 4.000 Mitarbeiter. Davon allerdings arbeiteten nur 553 (zuvor: 480) am Standort Frankfurt.
Im deutschen Einlagenmarkt waren in den vergangenen Monaten zwei (scheinbar) widersprüchliche Entwicklungen zu beobachten. Einerseits entspann sich ein regelrechter Kampf ums Kundengeld, angefacht nicht nur von Online-Banken wie der ING Diba, sondern auch von Fintechs wie Scalable Capital oder Trade Republic. Doch andererseits? Zeigte sich in den Makro-Zahlen von alldem recht wenig. So betrug der durchschnittliche effektive Zinssatz für Sichteinlagen laut Bundesbank im ersten Quartal (aktuellere Daten liegen noch keine vor) immer noch nur 0,1% für Privatkunden bzw. 0,3% für Firmenkunden. Dazu passte, dass selbst die notorisch zinsgeizigen deutschen Sparkassen bei ihrer Bilanz-PK im März bezogen aufs abgelaufene Geschäftsjahr von Einlagenzuflüssen im Retailgeschäft berichteten – plus 2,3% auf 883 Mrd. Euro. Der unausgesprochene Subtext: Wir zahlen nicht nur keine Zinsen, wir brauchen es auch nicht zu tun!!! Ist die aktuelle Einlagen-Debatte (die ja insbesondere vor dem Hintergrund der anders motivierten Abflüsse bei den US-Regionalbanken geführt wird) bezogen auf den deutschen Markt also nur theoretischer Natur? Sind die hiesigen Depositen letztlich dermaßen sticky, dass der Zinssatz fast schon egal ist? Mag sein. Allerdings: Das Beispiel der Hypo-Vereinsbank deutet darauf hin, dass bei den Einlagen doch was in Bewegung geraten könnte. Die Münchner Großbank nämlich hat im ersten Quartal wahrnehmbare Abflüsse zu verzeichnen – und muss auf die verbleibenden Kundengelder plötzlich signifikant höhere Zinsen zahlen. Die Details: FS Premium
Neubacher & Kirchner über EPI, Deutsche Bank, N26 und Provisionen
DKB lädt (versehentlich) die falsche App im Apple-Store hoch
Auch wenn uns die Deutsche Bank in der vergangenen Woche ganz schön auf Trab gehalten hat, bis Freitagfrüh war’s dann ja doch mehr oder weniger Business as usual. So ein Vorstands-Revirement? Gibt’s gefühlt alle 1-2 Jahre. Neue Restrukturierungs-Programme? Werden gefühlt in ungefähr dem gleichen Rhythmus aufgelegt. Und ein Topmanager mit, pardon, etwas dämlichem Compliance-Konflikt – ist jetzt auch nichts, was es in der Deutschen Bank die letzten Jahre nicht schon mal gegeben hätte. Kurz gesagt: Die eigentlichen News der Woche hatte sich die Deutsche Bank also für den Freitag aufgespart. Da nämlich verkündete das blaueste aller blauen Geldinstitute die für die Außenwelt komplett überraschende Übernahme der Londoner Investment-Boutique Numis.
Klar, das ist jetzt kein Mega-Deal (der Kaufpreis von 410 Mio. Pfund entspricht sehr grob dem Aggregat dessen, was die OLB für die Degussa Bank, die Solarisbank für Contis und Tink für Fintecsystems bezahlt haben) – aber: Dass die Deutsche Bank überhaupt noch mal irgendwas kaufen würde, abgesehen von Anteilen irgendwelcher seltsamer australischer Paytechs, stand ja nicht unbedingt zu erwarten. Zumal das, was Numis macht, nichts mit Digital und Pipapo zu tun hat, sondern nach schnödem Corporate-Finance-Geschäft klingt (um die „Financial Times“ zu zitieren: „Numis berät knapp ein Fünftel aller „FTSE 350″-Unternehmen bei praktisch allen Themen von Kapitalerhöhung bis Akquisition“) …
Alles in allem also: Mal was anderes. Womit wir nach ziemlich langer Vorrede endlich bei unserer eigenen kleinen Exklusiv-Info zur Deutschen Bank heute Morgen angelangt wären. Eigentlich ein ganz, ganz, ganz anderes Thema als die Numis-Übernahme. Aber insofern artverwandt, als die Deutsche Bank auch in diesem Fall Dinge tut, an die man sich erst einmal gewöhnen muss. Das größte Geldhaus der Republik bietet sich nämlich neuerdings der Berliner Fintech-Szene als Service-Bank an – und hat in dieser Rolle nun den zweiten, durchaus prominenten Kunden gewonnen. Hier entlang: FS Premium
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