von Jens Kuttig und Gunnar Rittershaus*, 7. Juni 2024
Die rechtzeitige Bereitstellung der bilanziellen Ressourcen Kapital und Liquidität ist eine Kernaufgabe von Kreditinstituten, um die Finanzierungs-Bedarfe der Kunden zu erfüllen. Diese Aufgabe wird zunehmend herausfordernd: Zum einen haben sich die Kapitalanforderungen für Kreditinstitute in der letzten Dekade deutlich erhöht. Zum anderen sind die Finanzierungs-Bedarfe der Kunden aufgrund makroökonomischer Unsicherheiten zunehmend volatil und komplexer. Zudem werden diese zur Abdeckung dringend erforderlicher Investitionen im Zuge der nachhaltigen und digitalen Transformation europäischer Unternehmen stark wachsen. Entsprechend müssen Banken ihre Bilanzen aktiver steuern, um die erforderliche Flexibilität im Kundensinne sicherzustellen.
Die Bilanz-Flexibilisierung dient dabei typischerweise den folgenden Zielsetzungen:
Vor diesem Hintergrund sind innovative Ansätze zur Entkoppelung des Bilanzwachstums vom Neugeschäftswachstum gefragt, sodass wichtige Kundenbeziehungen unabhängig von Kapital- und Bilanzrestriktionen aufrechterhalten werden können. Der Einsatz geeigneter Instrumente zur Flexibilisierung der Bilanz durch die verbesserte Fungibilität des Kreditportfolios sowie zur Steigerung des Risiko-Rendite-Profils wird somit immer bedeutsamer.
Aus Perspektive von Originator-Banken kommen verschiedene Instrumente zur Distribution von Kreditrisiken in Frage, die sich hinsichtlich Bilanz-Umschlagswirkung, RWA-Freisetzungspotenzial und langfristigem Ergebnisbeitrag unterscheiden. Syndizierungs-Aktivitäten und Verbriefungen sind in vielen Banken etabliert und werden über verschiedene Asset-Klassen hinweg genutzt. Zur Steuerung von Konzentrationen und Limits werden strukturierte Kreditrisikoversicherungen (CPRI – Credit and Political Risk Insurance) sowie der Verkauf oder die Besicherung von Teil-Portfolios meist anlassbezogen als Instrumente genutzt. Vergleichsweise selten werden hingegen Debt Funds aufgelegt, um langfristig die Risikokapazität von institutionellen Kapitalgebern für die Finanzierung von Kreditnehmern zu nutzen. Im Folgenden wird am Beispiel der neu gegründeten Debt Fund Plattform der Helaba gezeigt, wie die Bilanz-Flexibilität durch Nutzung neuer Instrumente gesteigert werden kann und welche Herausforderungen dabei zu adressieren sind.
Die Helaba hat 2021 ein Projekt zur Weiterentwicklung des Portfolio-Managements und zur Steigerung der Bilanz-Flexibilität gestartet. Ziel war ein systematisches und antizipatives Portfoliomanagement sowie der strategische Ausbau der Distribution zur RWA-Entlastung und Verbesserung der RWA-Produktivität.
Ein zentrales Leuchtturmprojekt war dabei die Gründung einer Debt Fund Plattform, um institutionelle Investoren an den Finanzierungen der Helaba zu beteiligen. Im September 2023 wurde die SICAV-RAIF Plattform „HLB Private Markets“ in Luxemburg gegründet und der erste „Infrastructure Debt Fund“ im November 2023 geschlossen. Bis zum Closing des ersten Debt Funds mit einem großen institutionellen Ankerinvestor aus Kanada wurden folgende Phasen durchlaufen:
Das Closing des „Infrastructure Debt Fund I“ umfasst Darlehen aus den Bereichen „Erneuerbare Energien“, „Digitale Infrastruktur“ und „Land Transport“. Die Helaba behält einen signifikanten Eigenanteil an den Engagements und transferiert Einzelvolumina von ca. 20-30 Mio. EUR pro Transaktion an einen Debt Fund. Dies ermöglicht eine hohe Diversifikation innerhalb der Funds. Die Deals sind senior-secured, weisen niedrige Risiken auf und sind mehrheitlich variabel verzinst.
Neben der Steigerung der Bilanzflexibilität bietet die Gründung einer solchen Plattform auch aus Rendite-Perspektive durch Fee Skim Potenziale attraktive Vorteile. Die Kosten für den laufenden Betrieb der einzelnen Debt Funds werden von der Investorenschaft getragen, was für den Initiator kostenneutral ist. Die reduzierte Zinsabhängigkeit durch zusätzliche Provisionserträge und die Möglichkeit, größere Darlehensbeträge zu begleiten, eröffnen langfristige Potenziale und stärken die Kundenbeziehung.
Aus den Erfahrungen der Helaba sowie weiterer Marktbeobachtungen lassen sich folgende zentrale Erfolgsfaktoren ableiten:
Zur Steigerung der Bilanzflexibilität und Schaffung von RWA-Freiräumen ist der Einsatz eines breiten Spektrums an Distributionskanälen empfehlenswert. Im Fall einer Debt Fund Plattform ist eine konsequente Verfolgung der Umsetzung entscheidend. Das erste Fund Closing ist dabei der entscheidende Meilenstein mit positiver Reputationswirkung auf weitere interessierte Investoren.
Die Helaba plant, je Debt Fund ein Zielvolumen von ca. 200-500 Mio. EUR zu realisieren und ihre Private Debt Investment Strategie über weitere Assetklassen und Compartments auszuweiten. Dieses Projekt stellt sowohl für die deutsche als auch für die europäische Bankenlandschaft eine Zäsur zur innovativen Schaffung von Bilanzflexibilität dar. Sicherlich werden einige weitere Institute das Momentum nutzen und ähnliche Vorhaben in naher Zukunft in Erwägung ziehen.
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*Jens Kuttig ist Senior Partner und Gunnar Rittershaus ist Manager bei der Beraterfirma zeb consulting. zeb consulting gehört zu den Premium-Partnern von Finanz-Szene. Mehr zu unserem Premium-Partner-Modell erfahren Sie hier.
Co-Autor des Beitrags ist Christian Wolff, Head of Syndicate & Investor Markets, Landesbank Hessen-Thüringen Girozentrale (Helaba), London. Der Beitrag erschien im April in leicht anderer Form zuerst in der „Börsen-Zeitung“.
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