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Beispiel Helaba – wie Banken mit „Debt Funds“ ihre Bilanzen flexibilisieren

Die rechtzeitige Bereitstellung der bilanziellen Ressourcen Kapital und Liquidität ist eine Kernaufgabe von Kreditinstituten, um die Finanzierungs-Bedarfe der Kunden zu erfüllen. Diese Aufgabe wird zunehmend herausfordernd: Zum einen haben sich die Kapitalanforderungen für Kreditinstitute in der letzten Dekade deutlich erhöht. Zum anderen sind die Finanzierungs-Bedarfe der Kunden aufgrund makroökonomischer Unsicherheiten zunehmend volatil und komplexer. Zudem werden diese zur Abdeckung dringend erforderlicher Investitionen im Zuge der nachhaltigen und digitalen Transformation europäischer Unternehmen stark wachsen. Entsprechend müssen Banken ihre Bilanzen aktiver steuern, um die erforderliche Flexibilität im Kundensinne sicherzustellen.

Die Bilanz-Flexibilisierung dient dabei typischerweise den folgenden Zielsetzungen: 

  1. Management knapper Kapitalressourcen: Regulatorische Vorgaben an die Kapitalunterlegung von Banken sind ein zentraler Faktor für die Notwendigkeit eines aktiven Portfoliomanagements. Die Finalisierung des Basel III-Pakets wird ab 2025 in Kraft treten und für europäische Institute in Form der CRR III verbindlich werden. Die Einführung des „Output Floors“ führt mittelfristig zu einem signifikanten Anstieg der Risk Weighted Assets (RWA) in vielen großen Häusern. In der Folge wird das regulatorische Kapital noch stärker zu einer Engpassressource, welche bewusst gesteuert werden muss, um gegenüber Kunden kreditvergabefähig zu bleiben. 
  2. Verbesserung der RWA-Produktivität: Eine Fokussierung der Steuerungsziele auf das Verhältnis von operativem Ergebnis zu RWA ist folgerichtig. Viele Institute haben bereits Hurdle Rates in der Segmentsteuerung und teilweise auch im Pricing etabliert. Die Notwendigkeit einer konsequenten Steigerung der RWA-Produktivitäten wird dadurch verstärkt, dass die meisten deutschen und europäischen Institute mit ihrer Eigenkapitalrendite derzeit nicht oder nur knapp ihre Kapitalkosten verdienen. Insofern muss auch unabhängig vom Kapitalengpass eine optimierte „Return on Equity“-Steuerung in Erwägung gezogen werden. 
  3. Management von Risikokonzentrationen: Aufgrund des volatilen, makroökonomischen Umfelds und geopolitischer Disruptionsrisiken muss die Steuerung von Risikokonzentrationen aktiv angegangen werden. Stresstests und Szenarioanalysen dienen neben der Erfüllung aufsichtsrechtlicher Anforderungen als Instrument zur Einschätzung von Portfoliorisiken. Darüber hinaus ist es ratsam, den Risikoappetit und die Limitierung für Einzeladressen zu überprüfen sowie sektorale und geographische Risikopositionen zielgerichtet zu steuern. 

Vor diesem Hintergrund sind innovative Ansätze zur Entkoppelung des Bilanzwachstums vom Neugeschäftswachstum gefragt, sodass wichtige Kundenbeziehungen unabhängig von Kapital- und Bilanzrestriktionen aufrechterhalten werden können. Der Einsatz geeigneter Instrumente zur Flexibilisierung der Bilanz durch die verbesserte Fungibilität des Kreditportfolios sowie zur Steigerung des Risiko-Rendite-Profils wird somit immer bedeutsamer. 

Aus Perspektive von Originator-Banken kommen verschiedene Instrumente zur Distribution von Kreditrisiken in Frage, die sich hinsichtlich Bilanz-Umschlagswirkung, RWA-Freisetzungspotenzial und langfristigem Ergebnisbeitrag unterscheiden. Syndizierungs-Aktivitäten und Verbriefungen sind in vielen Banken etabliert und werden über verschiedene Asset-Klassen hinweg genutzt. Zur Steuerung von Konzentrationen und Limits werden strukturierte Kreditrisikoversicherungen (CPRI – Credit and Political Risk Insurance) sowie der Verkauf oder die Besicherung von Teil-Portfolios meist anlassbezogen als Instrumente genutzt. Vergleichsweise selten werden hingegen Debt Funds aufgelegt, um langfristig die Risikokapazität von institutionellen Kapitalgebern für die Finanzierung von Kreditnehmern zu nutzen. Im Folgenden wird am Beispiel der neu gegründeten Debt Fund Plattform der Helaba gezeigt, wie die Bilanz-Flexibilität durch Nutzung neuer Instrumente gesteigert werden kann und welche Herausforderungen dabei zu adressieren sind.  

Fallstudie: Helaba Debt Fund Plattform

Die Helaba hat 2021 ein Projekt zur Weiterentwicklung des Portfolio-Managements und zur Steigerung der Bilanz-Flexibilität gestartet. Ziel war ein systematisches und antizipatives Portfoliomanagement sowie der strategische Ausbau der Distribution zur RWA-Entlastung und Verbesserung der RWA-Produktivität. 

Ein zentrales Leuchtturmprojekt war dabei die Gründung einer Debt Fund Plattform, um institutionelle Investoren an den Finanzierungen der Helaba zu beteiligen. Im September 2023 wurde die SICAV-RAIF Plattform „HLB Private Markets“ in Luxemburg gegründet und der erste „Infrastructure Debt Fund“ im November 2023 geschlossen. Bis zum Closing des ersten Debt Funds mit einem großen institutionellen Ankerinvestor aus Kanada wurden folgende Phasen durchlaufen: 

  1. Portfolio-Analyse: Vorgelagerte, strukturierte Portfolioanalyse zur Ermittlung ausplatzierungsfähiger Assets nach Berücksichtigung von Negativkriterien wie Transaktionstyp, Risikostruktur, Restlaufzeit sowie weiteren assetklassenspezifischen Filterfaktoren. 
  2. Business Case: Quantifizierung des potenziellen Impacts auf Bilanzumschlag und Rendite-KPIs durch Etablierung und Ausbau der Plattform. 
  3. Market Sounding: Internationale Ansprache von institutionellen Investoren inkl. Vorstellung eines Investment Memorandums. 
  4. Strukturierung: Entwicklung einer flexiblen Plattformstruktur auf Basis eines SICAV-RAIF mit Fokus auf die relevanten Investorenanforderungen inkl. Investment Memorandum, Zielrenditen der jeweiligen Assets, Laufzeiten, Ratings, etc.  
  5. Externe Parteien: Auswahl und Mandatierung der erforderlichen Transaktionspartner (externer Portfoliomanager, Anwaltskanzlei, Steuerberater, AIFM inkl. Depotbank, Wirtschaftsprüfer). 

Das Closing des „Infrastructure Debt Fund I“ umfasst Darlehen aus den Bereichen „Erneuerbare Energien“, „Digitale Infrastruktur“ und „Land Transport“. Die Helaba behält einen signifikanten Eigenanteil an den Engagements und transferiert Einzelvolumina von ca. 20-30 Mio. EUR pro Transaktion an einen Debt Fund. Dies ermöglicht eine hohe Diversifikation innerhalb der Funds. Die Deals sind senior-secured, weisen niedrige Risiken auf und sind mehrheitlich variabel verzinst. 

Neben der Steigerung der Bilanzflexibilität bietet die Gründung einer solchen Plattform auch aus Rendite-Perspektive durch Fee Skim Potenziale attraktive Vorteile. Die Kosten für den laufenden Betrieb der einzelnen Debt Funds werden von der Investorenschaft getragen, was für den Initiator kostenneutral ist. Die reduzierte Zinsabhängigkeit durch zusätzliche Provisionserträge und die Möglichkeit, größere Darlehensbeträge zu begleiten, eröffnen langfristige Potenziale und stärken die Kundenbeziehung. 

Herausforderungen und Erfolgsfaktoren

Aus den Erfahrungen der Helaba sowie weiterer Marktbeobachtungen lassen sich folgende zentrale Erfolgsfaktoren ableiten: 

  1. „Buy-In“ des Senior Managements: Für die Etablierung einer Debt Fund Plattform ist die Unterstützung des Senior Managements erfolgskritisch. Nur wenn die Notwendigkeit zur Weiterentwicklung einer strategischen Distributionsplattform erkannt und eine positive Einschätzung der Chancen-Risiken-Analyse gegeben ist, können solche Projekte initiiert und verfolgt werden. 
  2. Frühzeitige und verbindliche Investorenkommunikation: Für den Erfolg einer Debt Fund Plattform muss der laufende Abgleich von Angebot- und Nachfrageseite sichergestellt werden. Das bedeutet, die Interessen und den Risikoappetit vorhandener und perspektivisch interessierter Investoren frühzeitig zu eruieren und regelmäßig mit der Debt Fund Strategie abzugleichen. 
  3. Konkrete Deal Parameter: Banken als Debt Fund Initiatoren müssen Investoren bereits in Anbahnungsgesprächen mit einer „realen“ Deal Pipeline überzeugen, statt auf Basis eines „blanko“ Term Sheets zu verhandeln. Das frühzeitige „Ear-Marking“ von Assets ist für die Refinanzierung des auszuplatzierenden Darlehensanteils sowie für die Prozesse der Bank entscheidend. 
  4. Vorbereitung von Prozessen und Infrastruktur: Bankinterne Voraussetzungen für die Nutzung von Debt Funds müssen geschaffen werden, wie das Durchlaufen des „Neue Produkte und Märkte“ Prozesses und die Adjustierung betroffener Kreditprozesse sowie der internen Infrastruktur. Beteiligte Agency-Funktionen sollten frühzeitig eingebunden werden. 
  5. Zielgerichtete Transaktionsstruktur: Eine auf die Zielsetzung ausgerichtete Transaktionsstruktur ist unverzichtbar für den nachhaltigen Erfolg von Debt Funds. Der Luxemburger SICAV-RAIF hat sich als „Gold Standard“ bei vielen internationalen Investoren bewährt: Dessen steuerlich effiziente „Umbrella Struktur“ erlaubt eine kontinuierliche Skalierung der Debt Fund Plattform und bietet Kostendegression durch Skaleneffekte. 
  6. Flexible Ausgestaltung: Die Plattform ermöglicht mit jedem weiteren Compartment bzw. jedem neuen Debt Fund eine maßgeschneiderte Anpassung auf individuelle Investoreninteressen und die jeweiligen spezifischen Anforderungen.

Fazit und Ausblick

Zur Steigerung der Bilanzflexibilität und Schaffung von RWA-Freiräumen ist der Einsatz eines breiten Spektrums an Distributionskanälen empfehlenswert. Im Fall einer Debt Fund Plattform ist eine konsequente Verfolgung der Umsetzung entscheidend. Das erste Fund Closing ist dabei der entscheidende Meilenstein mit positiver Reputationswirkung auf weitere interessierte Investoren. 

Die Helaba plant, je Debt Fund ein Zielvolumen von ca. 200-500 Mio. EUR zu realisieren und ihre Private Debt Investment Strategie über weitere Assetklassen und Compartments auszuweiten. Dieses Projekt stellt sowohl für die deutsche als auch für die europäische Bankenlandschaft eine Zäsur zur innovativen Schaffung von Bilanzflexibilität dar. Sicherlich werden einige weitere Institute das Momentum nutzen und ähnliche Vorhaben in naher Zukunft in Erwägung ziehen. 

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*Jens Kuttig ist Senior Partner und Gunnar Rittershaus ist Manager bei der Beraterfirma zeb consultingzeb consulting gehört zu den Premium-Partnern von Finanz-Szene. Mehr zu unserem Premium-Partner-Modell erfahren Sie hier.

Co-Autor des Beitrags ist Christian Wolff, Head of Syndicate & Investor Markets, Landesbank Hessen-Thüringen Girozentrale (Helaba), London. Der Beitrag erschien im April in leicht anderer Form zuerst in der „Börsen-Zeitung“. 

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