von Christian Kirchner, 25. März 2024
Als Thomas Schaufler vor zwei Jahren zur Commerzbank kam, dürfte er sich vorgekommen sein wie ein Chefkoch, der sein Leben lang in Steak-Häusern und Burger-Restaurants gearbeitet hat – und nun plötzlich eine vegane Küche leiten soll.
Dazu muss man wissen: Schaufler ist zwar eigentlich Banker (und führt als solcher seit Ende 2021 die Privatkunden-Sparte der Commerzbank). Von 2013 bis 2016 allerdings stand er an der Spitze der „Erste Asset Management“, war also eine Art österreichischer Deka-Chef. Was wiederum die Zeit davor und danach angeht – da arbeitete Schaufler zwar tatsächlich stets für Banken, aber immer nur für solche, die einen eigenen Asset Manager im Hause hatten. Anders die Commerzbank, die irgendwann Ende der Nullerjahre in Richtung „Open Architecture“ abbog und damit (so dürfte es nicht nur Schaufler, sondern auch Vorstandschef Manfred Knof sehen) in die ertragstechnisch falsche Richtung.
Jedenfalls, um damit langsam mal zur Sache zu kommen: Es ist mitnichten nur ein opportunitäts-getriebenes Strohfeuer, wenn die Commerzbank mit „Yellowfin“ einen neuen Asset Manager launcht, erste kleine Zukäufe in dem Beritt tätigt (siehe u.a. hier) und auch personell aufrüstet. Sondern: Nach Informationen von „Finanz-Szene“ sind weitere Deals in Vorbereitung, die Indizien deuten darauf hin, dass das bei der Commerzbank jahrelang vernachlässigte Asset Management zu einem zentralen Ertragspfeiler der „Strategie 2027“ ausgebaut werden soll.
Lesen Sie in unserem heutigen „Deep Dive“, welche industrielle Logik hinter den Plänen steht, warum ausgerechnet die Regulatorik der Commerzbank zupass kommt, welche Fallstricke gleichwohl drohen – und welcher junge Commerzbanker sich im Zuge der Asset-Management-Offensive als künftiger Vorstand aufdrängen könnte.
Auf geht’s:
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Die Commerzbank betreibt schon immer Asset Management beziehungsweise Vermögensverwaltung, auch und gerade für große und vermögende Kunden. Sie besitzt aber seit 2009 keinen eigenen Asset Manager mehr (außer der Commerz Real für Sachwerte wie Immobilien), weil sie damals die Cominvest mit seinerzeit 62 Mrd. Euro Kundengeldern an die Allianz verkaufte – wo die Cominvest dann in Allianz Global Investors (AGI) aufging.
Der damalige Verkauf hatte zwei Hauptgründe:
Neben diesen Gründen hätten auch noch weitere Argumente für den Verkauf gesprochen, erklären damalige Entscheidungsträger: Die Cominvest sei viel zu klein, in der Managementleistung zu schlecht und in ihrer Ertragskraft zu schwachbrüstig gewesen, um langfristig eine gewichtige Rolle zu spielen. Zudem sei die Commerzbank schon eine einzige, riesige Baustelle gewesen (Stichwort: Dresdner-Bank-Integration).
Zur Wahrheit gehört freilich auch: Schon damals gab es genügend Stimmen, die den Verkauf kritisch sahen (und heute etliche, die dies rückblickend erst recht tun). Auch heute, 15 Jahre später, verkaufen Sparkassen fleißig exklusiv Deka-Fonds, die Genossenschaftsbanken vertreiben munter Union-Investment-Fonds und die Deutsche Bank bietet gerne DWS-Produkte an.
Hauseigene Asset Manager haben sich für ihre Eigner als Gewinnmaschinen erwiesen. Den Verkaufspreis der Cominvest von 700 Mio. Euro verdienen Adressen wie Union Investment (2023: 974 Mio, Euro), DWS (2023: 937 Mio. Euro) und Deka (2022: 800 Mio. Euro) inzwischen vor Steuern – in einem Jahr.
Man kann trefflich streiten, ob der Cominvest-Verkauf ein Muss oder ein strategischer Fehler war. Fest steht: In der Null- und Niedrigzins-Ära der 2010er Jahre war ein hauseigener Asset Manager Gold wert und ein exzellenter Gewinnlieferant für eine Bank.
Die Commerzbank aber hatte keinen mehr – und lavierte auf extrem kleiner Flamme, unter anderem im ETF-Markt, ehe sie auch dieses Geschäft 2018 an die Société Générale verkaufte.
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Wer einen oberflächlichen Blick auf die Biografien der wichtigsten handelnden Akteure in der Commerzbank wirft, der stellt fest:
Interessant ist auch, wer die Asset-Management-Offensive strategisch und personell leitet – nämlich Bereichsvorstand Christian Hassel, der 2020 mit nur 35 Jahren in die erste Führungsebene einrückte und in dem viele im Haus bereits einen künftigen Vorstand sehen. Vorausgesetzt natürlich: Die Offensive verpufft nicht.
Eine börsennotierte Bank braucht nicht nur gute Zahlen – sondern immer auch eine "Story".
Gute Zahlen hat die Commerzbank inzwischen (siehe zuletzt unsere Analyse hier). Aber sind sie gut genug? Wenn die Coba bis 2027 wie angestrebt auf >11% Eigenkapital-Rendite kommen will, muss sie auf den jüngsten Nettogewinn von 2,2 Mrd. Euro nochmal mindestens die Hälfte draufpacken. Woher soll das Geld kommen (auch wenn der Wegfall der Belastungen aus dem Polen-Geschäft für einen gewissen Auftrieb sorgen wird)?
Das alles führt zu dem Schluss, dass vor allem die Erträge – und hier vor allem der Provisionsüberschuss – die Dinge werden richten müssen. Dazu passt, dass die Erträge laut Commerzbank-Strategie bis 2027 nochmals um 1 Mrd. Euro steigen sollen, und von dieser Milliarde soll die Hälfte über den Provisionsüberschuss erwirtschaftet werden. In der Folge plant die Bank mit einem Wachstum von 4% beim Provisionsüberschuss im Privatkunden-Geschäft und von 3% im Firmenkunden-Geschäft.
Bloß: Wenn das (also das Provisionsergebnis) die "Story" ist – wie soll, wie kann diese Story dann mit Leben gefüllt werden?
Der Provisionsüberschuss sank 2023 das zweite Jahr in Folge, um 4% auf nurmehr 3,4 Mrd. Euro ...
In dieser Situation kommen große Pläne, das Asset Management (über die Sachwerte-Tochter Commerz Real hinaus) auszubauen, natürlich gerade recht. Sie untermauern das Ziel steigender Provisionserträge und sollen Investoren und Analysten zeigen, dass da was geht.
Oder anders gesagt: Die Asset-Management-Offensive ist für die Investoren-Story der Commerzbank zentral.
Dass die Commerzbank überhaupt (wieder) einen eigenen Asset Manager haben will, der dezidiert vor allem das Geschäft mit Hochvermögenden und Family Offices anpeilt – dafür spricht auf mehreren Ebenen auch eine industrielle Logik:
Für das Asset Management gilt: Wenn es einfach wäre, dort Geld zu verdienen, dann würde es ja jeder machen. Eine der Hürden ist aber: Es ist in weiten Teilen ein Geschäft, das von der Skalierung lebt wie kein zweites: je größer, desto besser. Regulatorisch bietet es indes einen unschätzbaren Vorteil, denn es bindet wenig Eigenkapital. Die Verwaltung von Geldern in einem strengen regulatorischen Rahmen und gegen eine Gebühr ist nun mal ein per se risikoarmes Geschäft. Und da die Eigenkapital-Rendite zu einer der härtesten Währungen im Vergleich der Banken und damit im Werben um Investoren ist, stellt ein Asset Manager eine prima Sache dar – sofern er Geld verdient, natürlich.
Nehmen wir die Deutsche Bank: Diese muss für ihren Anteil von 80% an der DWS mit ihren 900 Mrd. Euro Assets under Management und ihren mindestens 500 Millionen Euro Nettogewinn, die sie in normalen Jahren bei der Muttergesellschaft abliefert, intern aktuell nur 2,4 Mrd. Euro Eigenkapital allokieren – für die Privatkundenbank liegt die Summe fünfmal so hoch, für die Investmentbank gar zehnmal höher.
Problematisch wird Asset Management insbesondere für die "Boutiquen", die sich im Bereich ein- und zweistelliger Milliarden-Assets bewegen. Diesen fehlt die Größe, um das Geschäft in Richtung eines Vollanbieters zu skalieren. Zudem würde Wachstum zu immer stärkeren regulatorischen Anforderungen und damit hohen Kosten auf der einen und verfallenden Margen auf der anderen Seite führen. Aber ihr Grad der Spezialisierung und ihre Leistung dort ist so gut, dass sie sehr gutes Geld verdienen. Genau hier kann nun eine große Bank wie die Commerzbank ansetzen, mit einem sicheren "Dach" werben und potenziellen Übernahmezielen sagen: Wenn ihr zu uns kommt, könnt ihr euch weiter auf euren Job konzentrieren, während wir uns um die Regulatorik kümmern – und übrigens, auch um den Vertrieb, denn wir haben bereits jede Menge spannende Kundschaft im Haus. Diese gute Verhandlungsposition dürfte sich über die Jahre eher weiter verbessern als verschlechtern, denn Kosten und Regulatorik werden im Asset Management zentrale Probleme bleiben.
Ob bei der grundsätzlichen Idee ein Erfolgsmodell im Ausland Pate stand? Ein Finanzexperte, der von einer Personalberatung für eine Stelle befragt wurde, fühlte sich jedenfalls in dem, was ihm da erzählt wurde, an einen Mini-Entwurf einer französische Fondsgesellschaft erinnert: Natixis. Die bewegt sich zwar mit 1,2 Billionen Euro Assets under Management in vollkommen anderen Dimensionen als sie für die Commerzbank jemals realistisch sein dürften. Gut, bekannt und operativ erfolgreich geworden ist Natixis aber mit dem Konzept, knapp zwei Dutzend unabhängige Asset Manager unter ihrem Dach zu sammeln.
In der Praxis ist Asset Management alles andere als einfach, insbesondere im Bereich eher kleiner und mittelgroßer Häuser unterhalb der ersten Reihe, den Unions, Dekas und DWSe dieser Welt. Berenberg zum Beispiel hat im Asset Management immer hehre Ziele, schon seit Jahren, kommt aber nicht in die Hufe: Das verwaltete Vermögens insgesamt lag schon vor fünf Jahren (mithin vor dem Wertpapierboom) bei 37 Mrd. Euro – und liegt heute bei 39 Mrd. Euro. Metzler muss sein Asset Management (dessen verwaltetes Vermögen 2022 von 80 Mrd. Euro auf 69 Mrd. Euro sank) komplett umstrukturieren und Stellen abbauen, bei Donner & Reuschel, das sich auch einen Asset Manager leistet, sanken die Assets under Management zuletzt binnen zwei Jahren von knapp 40 Mrd. Euro auf 26 Mrd. Euro.
Wer Industrieexperten befragt, was sie von dem ganzen Manöver halten, der bekommt in der Regel vier zentrale Argumente zu hören, woran das ganze auch scheitern könnte:
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