von G. Hädicke, H.R. Dohms & C. Kirchner, 31. Januar 2023
In unserem Genosektor-Ticker verfolgen wir Volks- und Raiffeisenbanken genauso wie PSD- und Sparda-Banken, die DZ-Bank-Gruppe genauso wie die Atruvia.
Hier unser Ticker für den Januar 2023:
––––––––––––––––––––
Von der Volksbank Brawo über die Sparda Hessen bis zur Volksbank Nienburg – das Phänomen der zum Immobilien-Investor mutierenden Kleinbank ist weit verbreitet. Nun wird die Aufsicht nervös. Und knöpft sich acht Institute konkret vor. Hier entlang: FS Premium
Die Bank, die das Maestro-Aus durch einen simplen (und teuren) Trick umgeht
Dass es kleinere Diskrepanzen gibt zwischen Zahlen, die von den Banken selber verbreitet werden, und solchen, die die Bafin publiziert – geschenkt. Vergleicht man allerdings die Bafin-Warnung von vergangener Woche (siehe -> Zinswende lässt kleinere deutsche Banken in die roten Zahlen rutschen) mit den dieser Tage veröffentlichten 2022er-Zahlen großer Genobanken, dann sieht man keine kleineren Diskrepanzen. Sondern: Man sieht Unterschiede, die so groß sind wie der Ozean weit. Konkret: Laut Aufsicht lag die Gesamtkapitalrendite (also Ergebnis geteilt durch Bilanzsumme) der nicht-systemrelevanten Banken hierzulande auf 9M22-Sicht bei minus (minus!) 0,03%. Trotzdem berichtete gestern die Volksbank Mittelhessen von einem Betriebsergebnis nach Bewertung von 55 Mio. Euro (0,52% der DBS) – während die Sparda Hessen ein Betriebsergebnis nach Bewertung von 15 Mio. Euro ins Ziel rettete (0,15% der DBS) und sich die Volksbank Darmstadt-Südhessen über einen um 5% auf 38 Mio. Euro gestiegenen „Jahresüberschuss vor Steuern“ (0,71% der DBS) freute.
Erklärung? Nun, es sind natürlich tendenziell eher die starken Genobanken, die überhaupt Zahlen veröffentlichten. Trotzdem fragt sich, ob die Institute ihre zinswende-bedingten Probleme im Depot-A-Geschäft wirklich vollständig offenlegen. Und: Es fällt auf, dass vielerorts die GuVs an der ein oder anderen Stelle dann doch ein Stück weit, nun ja, geglättet werden. So war es vergangene Woche (siehe unten) bei der Mainzer Volksbank. Und so ist es auch bei den Darmstädtern (die auf Nachfrage erklären, das „Wertkorrekturen“ durch „freie“ 340f-Reserven „kompensiert“ worden seien) oder den Mittelhessen, die mitteilen, zumindest in „geringem Umfang“ Zinssicherungs-Geschäfte aufgelöst zu haben. Und bei der Sparda Hessen? Verbergen sich im geradezu phänomenalen „Zinsüberschuss“ von 116 Mio. Euro auch Wertpapier-Erträge und Beteiligungs-Erträge von zusammen mehr als 50 Mio. Euro.
Zinswende lässt kleinere deutsche Banken in die roten Zahlen rutschen
Die Mainzer Volksbank (mit einer Bilanzsumme von knapp 9 Mio. Euro die größte Volksbank in Rheinland-Pfalz) hat heftige Einschläge in ihrem „Depot A“ durch die Auflösung von Zinssicherungs-Geschäften gekontert: Während die Zinswende für Abschreibungen von 41 Mio. Euro auf festverzinsliche Wertpapiere sorgte, realisierten die Genossen aus den Derivate-Transaktionen satte 31 Mio. Euro an Einmalerträgen. Sowohl das Zinsergebnis als auch die Cost-Income-Ratio spielten infolge des Vorgangs einigermaßen verrückt. So stieg der Zinsüberschuss um 35% (!) auf 147 Mio. Euro, während die Aufwandsquote auf rekordverdächtige 49% sank. Deutlich mehr Aussagekraft lässt sich dem Betriebsergebnis nach Bewertung zubilligen. Dieses sank um knapp 5% auf rund 60 Mio. Euro. Gemessen an der durchschnittlichen Bilanzsumme entsprach dies einem Rückgang von 0,80% auf immer noch sehr ordentliche 0,71%.
Trotz Zinswende und konjunkturellen Unsicherheiten machte die Mainzer Volksbank erstaunlich viel Geschäft. In der privaten Baufinanzierung, die andernorts crashte, hat man allenfalls ein leichtes Abflauen im Schlussquartal verspürt, wie Vorstandschef Uwe Abel am Montag Journalisten erklärte. Alles in allem stiegen die Forderungen um gut 11% auf fast 7 Mrd. Euro. Freilich: In der GuV spiegelte sich derlei Umtriebigkeit nur bedingt. So stieg zwar das Zinsergebnis um den Swap-Effekt bereinigt um stolze 7% – das Provisionsergebnis aber lediglich um 3% (anstatt um 9%, wie das Management ursprünglich geplant hatte). Dafür zog der Verwaltungsaufwand um satte um 9% an.
Der Vorstand begründete dies mit tarifbedingt höheren Personalkosten, gestiegenen Energiekosten, regulatorischen Ausgaben, der Inflation ganz allgemein sowie ersten Kosten für die im Jahresverlauf geplanten Fusion mit der Volksbank Darmstadt-Südhessen. Mit dem Zusammenschluss wollen die Mainzer mit dann 14,5 Mrd. Euro zum bundesweit sechstgrößten genossenschaftlichen Primärinstitut aufsteigen.
Die „Meine Volksbank Raiffeisenbank“ aus Rosenheim (Bilanzsumme: 10,7 Mrd. Euro) und die Ingolstädter VR-Bank Bayern Mitte (5,1 Mrd. Euro) begraben ihr erst im Sommer 2022 angekündigtes Fusionsvorhaben. Wie die Rosenheimer Ende vergangener Woche in einer Mitteilung erklärten, „wird es den Zusammenschluss nicht geben“. Durch die Mega-Hochzeit hätte eigentlich nach Zustimmung der Vertreterversammlung im Frühsommer dieses Jahr die zweitgrößte Volksbank hierzulande (nach der Berliner Volksbank) und eines der fünf größten Geno-Institute überhaupt entstehen sollen.
Warum daraus jetzt doch nichts wird? Die mitgelieferte Begründung lässt jedenfalls reichlich Interpretationsspielraum: „Es hat sich gezeigt, dass die Arbeitsweisen und organisatorischen Abläufe in beiden Häusern sehr unterschiedlich sind. In Anbetracht der aktuellen Herausforderungen erscheint es nicht möglich, die gesteckten Ziele zeitnah zu realisieren.“
War’s der Bitcoin-Automat, den die Volksbank Bayern Mitte vergangenes Jahr pressewirksam hatte aufstellen lassen? Wahrscheinlich nicht. War’s die branchenweite Sorge darum, was das vergangene Jahr mit dem Depot A und den Bewertungsergebnissen gemacht hat? Eventuell. Offenkundig ist lediglich, dass der Rosenheimer Vorstandschef Wolfgang Altmüller dieser Tage einige Baustellen hat – ist er doch gleichzeitig Aufsichtsratschef der Münchner FTI Group, eines milliardenschweren, angeschlagenen Touristik-Unternehmens, das – so berichtete vergangene Woche das „Handelsblatt“ – an den Rewe-Konzern verkauft werden soll.
Nichts genaues weiß man (noch) nicht. Nur, dass die Rosenheimer VR-Bank grundsätzlich kein Problem mit Fusionen hat, verleibte sie sich doch ebenfalls vergangenen Sommer die Raiffeisenbank Tattenhausen-Großkarolinenfeld ein – deren Bilanzsumme lag allerdings lediglich bei 133 Mio. Euro.
Starke Bank, diesmal schwach: Die Zahlen der Voba Wiesbaden verheißen Unheil
Nachdem das Funding für „Amberra“ zuletzt leicht wackelte (siehe hier), hat das BVR-Prestigeprojekt nun immerhin schon mal eine Rechtsform. Seit dem 22. Dezember ist die Amberra GmbH im Berliner Handelsregister eingetragen, wie aus dem seit gestern einsehbaren Registerauszug hervorgeht. Als Geschäftsführer sind die BVR-Abgesandten René Gardenier (Gruppenleiter Finanzen) und Jörg Götze (Abteilungsleiter Vertriebsstrategie) eingetragen – laut Insidern soll auf Sicht allerdings ein Geschäftsführer mit „unternehmerischem Hintergrund“ gewonnen werden. Wie die „BÖZ“ (Paywall) berichtet, wird der Accelerator seinen Geschäftsbetrieb am 1. April aufnehmen.
Alle Meldungen aus dem Genosektor für November und Dezember 2022
Die Artikel von Finanz-Szene sind urheberrechtlich geschützt und nur für den jeweiligen Premium-Abonnenten persönlich bestimmt. Die Weitergabe – auch an Kollegen – ist nicht gestattet. Wie Sie Inhalte rechtssicher teilen können (z.B. via Pressespiegel), erfahren Sie hier.
Danke für Ihr Verständnis. Durch Ihr Abonnement sichern Sie ein Stück Journalismus!