Exklusiv

Notstand beim Genoverband – Consulting-Tochter Awado versinkt im Chaos

Beim mutmaßlich letzten Foto, das Ingmar Rega in Ausführung seines Amtes zeigte, hielt er eine große Schere in der Hand. Es war Mitte Januar, und Rega war nach Hamburg gekommen, um einen weiteren Standort des Genoverbands zu eröffnen, den nunmehr dreizehnten – was in diesem Fall allerdings alles anders als Glück brachte, wie man mittlerweile weiß. Doch bevor wir vorspulen (und zu Chaos und Notstand kommen), sollten wir vielleicht einmal kurz zurückspulen und die Basics klären.

Also: Jenseits des BVR gibt es vier genossenschaftliche Regionalverbände, von denen einer infolge diverser Fusionen jedoch größer ist als die drei anderen, nämlich der „Verband der Regionen“, wie er sich bis 2023 nannte. Einen „Primus inter Pares“-Status hatte der Verband schon länger. Das allein war dem ehrgeizigen Chef Ingmar Rega aber irgendwann offenbar nicht mehr genug.

  • So erfolgte vor einem Jahr die Umbenennung in „Genoverband“, was einen gewissen Alleinvertretungs-Anspruch zu signalisieren schien
  • Dann war da die Eröffnung neuer Standorte, wohinter mancher im Sektor bundesweite Ambitionen vermutete
  • Und schließlich trieb Rega auch noch den Ausbau der hauseigenen Dienstleistungstochter Awado zu einer veritablen Consulting-Firma voran, die es mit ZEB und anderen externen Anbietern aufnehmen sollte

Mehr Expansion geht kaum. Und als Ingmar Rega also Mitte Januar das symbolische Band durchschnitt, um in Hamburgs nobler „HafenCity“ die nächste Dependance einzuweihen – da glaubte man einen Funktionär auf der Höhe seines Einflusses zu sehen.

Doch nur wenige Tage später: Trat Rega völlig überraschend zurück. „Aus persönlichen Gründen“, wie es offiziell hieß, was im Genosektor aber niemand recht glauben mag. Und tatsächlich: Laut Recherchen von „Finanz-Szene“ ist der Rücktritt Regas nur die sichtbare Spitze einer tiefgreifenden Affäre, die den Genoverband und die Tochter Awado in den letzten Wochen erfasst hat.

Der Reihe nach: Schon Ende letzter Woche mutmaßte „Finanzbusiness“, dass neben Ingmar Rega auch die beiden für das Banken-Consulting verantwortlichen Awado-Geschäftsführer Thomas Stegmüller (kam 2024 von ZEB) und Steffen Jung (gehörte der Geschäftsführung ebenfalls erst seit 2023 an) demissioniert sein könnten. Laut Finanz-Szene vorliegenden internen Schriftstücken ist das tatsächlich so. Allerdings geht die Geschichte sogar noch deutlich darüber hinaus.

So sollte nach dem Abgang von Stegmüller und Jung fürs Erste ein gewisser Philipp Stein die Geschäfte führen. Stein, muss man dazu wissen, hat eine für einen Geno-Manager ungewöhnliche Karriere hinter sich. Er war mal „Brand Manager“ bei Red Bull, arbeitete später als Richter und wechselte 2016 zur Volksbank Mittelhessen, wo er bis 2020 als Bereichsleiter für Recht, Compliance und den Vorstandsstab firmierte und danach zum Chief Operating Officer und schließlich sogar zum Generalbevollmächtigten aufstieg.

Der Weg in den Vorstand der milliardenschweren Gießener Groß-Volksbank schien vorgezeichnet. Doch Anfang letzten Jahres bog Stein erst einmal zu Awado ab, wo er laut seinem Social-Media-Profil seit Juli das Geschäftsfeld „Consulting Financial Services“ verantwortet. Was den Wechsel zu Awado möglicherweise erhellt: Die Volksbank Mittelhessen gehört zu den größten Mitgliedsinstituten des Genoverbands. Und Peter Hanker, Vorstandschef des Instituts, sitzt dem Verbandsrat vor. Oder zumindest war das zuletzt noch der Fall. Man kennt sich also.

Jedenfalls: Nach den Abgängen von Stegmüller und Jung sollte also Philipp Stein interimistisch an die Spitze der Awado-Bankenberatung rücken. So sollten es die Consultants laut unseren Informationen gegenüber den eigenen Kunden kommunizieren (also gegenüber den Volks- und Raiffeisenbanken, die sich von Awado beraten lassen). Und so stand es auch in einem „Finanz-Szene“ vorliegenden Sprechzettel für die interne Kommunikation:  „Der Verbandsvorstand hat entschieden, die Geschäftsführung der Awado Bankenberatung mit sofortiger Wirkung abzuberufen und freizustellen. Dr. Philipp Stein wird die Geschäfte als verantwortlicher Geschäftsfeldleiter interimistisch führen.“ Extern indes solle gegenüber Mandanten lediglich schriftlich erklärt werden, Stegmüller und Jung seien „nicht mehr für die Awado Bankenberatung tätig“.

Wenige Tage später allerdings ereignete sich dann die nächste Volte. Die Kommunikationschefin des Genoverbands, Lisa König-Topf, wandte sich mit der Nachricht an die Awado-Belegschaft, „dass Philipp kurzfristig wegen persönlicher Gründe bis auf Weiteres ausfallen wird“. Philipp? Philipp Stein, so darf man mutmaßen. Und weiter schreibt König-Topf, nunmehr sozusagen in eigener Sache: „Um die Geschäfte der Awado Bankenberatung dennoch weiterführen zu können, wurde ich vom Vorstand des Genoverbands gebeten, übergangsweise die Geschäftsführung zu übernehmen und eure erste Ansprechpartnerin sein. Infolgedessen wurde ich vom Gesellschafter interimistisch mit den notwendigen Befugnissen für die Awado Bankenberatung ausgestattet.“

Auch wenn sich die Ereigniskette noch nicht bis ins letzte Detail rekonstruieren lässt, so deutet doch alles darauf hin, dass hinter dem Genoverband und Awado zwei überaus wilde Wochen liegen – mögliche Machtkämpfe inklusive:

  • 17. Januar: Der Genoverband veröffentlicht Nachricht und Bilder der Standort-Eröffnung in Hamburg
  • Um den 22. Januar herum: Mutmaßliche Abberufung Stegmüllers und Jungs
  • Um den 22. Januar herum: Stein wird intern als Interimschef der Bankenberatung ausgerufen
  • 27. Januar: Die „Börsen-Zeitung“ berichtet (eher unvermittelt, denn die Pressemitteilung ist ja schon zehn Tage alt) in großer Aufmachung über die Standort-Eröffnung in Hamburg
  • 27. Januar: Interne Mitteilung, dass der frisch installierte Interimschef Stein „ausfallen“ wird; stattdessen übernimmt König-Topf
  • 28. Januar: Pressemitteilung, dass Rega „aus persönlichen Gründen“ zurücktritt

Macht, je nachdem, wie man rechnet, vier hochrangige Demissionen bei Verband und Tochter binnen weniger Tage – während das Beratungsgeschäft, mit dem der Genoverband den großen Consultants einheizen wollte, jetzt erst einmal von der Kommunikationschefin geführt wird. Es brenne „lichterloh“, sagt ein Kenner der Verhältnisse.

Klar ist: Der Masterplan des Ingmar Rega, nämlich als Verband der Wirtschaftsprüfer der Volks- und Raiffeisenbanken zu sein, aber mit Awado zugleich als Consultant aufzutreten, barg von Anfang an Konfliktstoff. Zumal sich manche Ortsbank, wie zu hören ist, vertrieblich durchaus unter Druck gesetzt fühlte. Laut „Finanz-Szene“-Informationen sollen im Laufe der letzten Monate dann vermehrt Dissonanzen zwischen Entscheidungsträgern im Verband und Entscheidungsträgern bei Awado aufgetreten seien – wobei bislang diffus bleibt, wo die Konfliktlinien genau verlaufen sind. Angeblich wurden die Auseinandersetzungen zuletzt harzig. So wird im Genosektor von einem angeblichen internen Dossier geraunt, in dem es unter anderem um angebliche Compliance-Verstöße gehen soll.

Auf Anfrage von Finanz-Szene wollte sich der Genoverband gestern zu keinem einzigen Punkt äußern. Nicht zur mutmaßlichen Abberufung der beiden Consulting-Chefs. Nicht zur Kurzzeit-Installation des Interimschefs Stein. Nicht zur Personalie König-Topf. Nicht zu dem angeblichen Dossier und der Frage, ob es möglicherweise irgendeine Verbindung zwischen dem angeblichen Papier und den jüngsten personellen Verwerfungen gibt. „Vielen Dank für Ihre Anfrage. Hierzu äußern wir uns nicht“, hieß es am Montagabend lediglich. „Finanz-Szene“ versuchte darüber hinaus, am Montagnachmittag auch in Kontakt mit einzelnen Entscheidungsträgern zu kommen, allerdings zunächst ohne Erfolg.

Ingmar Rega scheint unterdessen sein Linkedin-Profil überarbeitet zu haben. Direkt unter seinem Namen ist als persönlicher Claim jetzt eine Tätigkeit aufgeführt, die er bislang nur nebenher ausübte: „Ehrenamtlicher Vorstandsvorsitzer des IDW“, also des Instituts der Wirtschaftsprüfer.

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