von Bernd Neubacher, 3. März 2025
„Das schönste Haus ist das, welches jedermann offen steht“, heißt es in der Geschichte von „Tausendundeiner Nacht“ – und wer wollte da widersprechen? Zumal es sich, trotz der Herkunft der Weisheit, ja nicht zwingend um ein orientalisches Haus handeln muss. Es könnte auch, ganz schlicht, ein deutsches Haus sein. Oder, noch netter, ein deutsches Geldhaus. Zum Beispiel: eine Volksbank! In die man als iranische Bank einfach hineingeht und ein Köfferchen mit 60 Mio. Euro hinterlässt, Sanktionen hin oder her.
Aber erst einmal kurz ausgeholt: Neulich hatten wir von „Finanz-Szene“ mächtig Wirbel ausgelöst mit der Geschichte von der Volksbank Düsseldorf Neuss, die sich auch schon erstaunlich offen für fremdländisches Geld gezeigt hatte – wobei es da um 100 Mio. Euro ging, die ursprünglich einem französischen Modekonzern gehörten, bevor sie über Düsseldorf/Neuss in die Türkei transferiert wurden und dort irgendwie verloren gingen. Indessen waren das nicht die einzigen seltsamen Aktivitäten der rheinischen Volksbank. Später kam nämlich heraus, dass sich die Bafin auch für nicht näher definierte Iran-Geschäfte des Instituts interessierte. Da staunte man dann doch: Eine Volksbank mit Iran-Geschäften! Gibt’s das? Gleichwohl – so singulär ist der Fall vielleicht gar nicht. Und damit nun zu unserer neuen Recherche, also der mit den 60 Mio. Euro. Diesmal geht es um eine mittelgroße Volksbank aus der niedersächsischen Provinz. Und die Frage, warum sich diese mittelgroße niedersächsische Volksbank big time von einer iranischen Sanktions-Bank refinanzieren lässt.
Doch von vorn:
Schauplatz unserer Geschichte ist Rinteln. In diesem beschaulichen Städtchen von rund 25.000 Einwohnern, rund 50 Kilometer südwestlich von Hannover gelegen, hat die „Volksbank in Schaumburg und Nienburg“ ihren Sitz. Nach mehreren Fusionen in der Vergangenheit kommt sie zurzeit auf 4,9 Mrd. Euro Bilanzsumme, damit liegen die Genobanker aus dem Weserbergland immerhin auf Platz 48 der BVR-Rangliste der deutschen Genossenschaftsbanken. Die Geschäftszahlen scheinen okay zu sein: Dank eines deutlich verbesserten Bewertungsergebnisses betrug der operative Gewinn in 2023 rund 57 Mio. Euro, mehr als das Dreifache des Vorjahres. Und mit einem Betriebsergebnis vor Bewertung in Höhe von 1,25% der Bilanzsumme wirkt das Institut ohnehin gut positioniert.
Eigentlich versteht sich die Volksbank zuvörderst als „Partner der Privatpersonen und der Unternehmen im Geschäftsgebiet“, dessen Kern die Landkreise Schaumburg und Nienburg sowie die Gemeinde Wunstorf sind. Dennoch steht fest: Die Volksbank steht bei der Hamburger Zweigniederlassung der Bank Melli – und damit bei der größten staatlichen Bank des Iran – in der Kreide. Stand Ende 2023 beliefen sich diese Verbindlichkeiten auf insgesamt 60 Mio. Euro!
Weder für die Niedersachen noch für die Iraner ist das ein Pappenstiel. Bei den Genossen entspricht die Summe 13% des Eigenkapitals. Noch größer ist freilich das Vertrauen der Iran-Banker von der Alster (Bilanzsumme zuletzt: 511 Mio. Euro), denn diese haben damit eine Forderung in Höhe von 34% ihrer anrechenbaren Eigenmittel offen. Selbst bei einem Drittel der Summe würde die Volksbank in Schaumburg und Nienburg noch zu den Großkreditnehmern der Bank Melli in Hamburg zählen. Sicherheiten: null. Blanko-Anteil: 100%.
Konkret teilen sich die Forderungen der Iraner an die Genossen laut Jahresabschluss der Bank Melli Iran wie folgt auf:
Zugesagt wurden die Kredite Ende September 2023. Das Tagesgeld und das 15-Monats-Geld waren bereits im April und im Juni 2024 fällig. Ob diese prolongiert wurden und bis heute bei der Volksbank liegen, lässt sich auf Basis der öffentlich verfügbaren Informationen nicht sagen. Sicher ist indes, dass die auf zwei Tranchen verteilte „Geldanlage 24 Monate“ über insgesamt 30 Mio. Euro bis zum 24. März respektive 15. Mai dieses Jahres läuft.
Anders als die freigebigen Volksbanker aus Düsseldorf haben die Genossen in Rinteln offenbar kein Unternehmen mit Iran-Bezug finanziert. Stattdessen haben sie sich über eine iranische Bank refinanziert. Brisant ist das, weil die an der Hamburger Holzbrücke 2 residierende deutsche Niederlassung der Bank Melli – die ihr Kerngeschäft in der „Abwicklung des dokumentären Außenhandelsgeschäfts zwischen Deutschland/Europa sowie dem Iran“ sieht und sich im Zahlungsverkehr oder dem Kreditgeschäft tummelt – seit 2018 vom globalen Zahlungs-Kommunikationsnetz SWIFT suspendiert ist. Und weil sie auf den Sanktionslisten des Office of Foreign Assets Control (OFAC) in den Vereinigten Staaten steht. Die US-Bestimmungen richten sich dabei ebenso an die EU und an Deutschland.
Laut einer institutseigenen Risikoanalyse, die sie mit Blick auf ihre Maßnahmen zur Verhinderung von Geldwäsche und Terrorismus-Finanzierung erstellt und mit dem Jahresabschluss publiziert hat, zählt die deutsche Dependance der Bank Melli Iran insgesamt 416 Kundenbeziehungen. Den Anteil von Kunden mit geringem Risiko gibt sie dabei mit 0% an – den Anteil der Hochrisiko-Kunden dagegen mit 48%. Die Anzahl „politisch exponierter Personen“ unter ihren Kunden: 69.
All das liegt, natürlich, am Herkunftsstaat: Die 1989 auf Initiative der G7 ins Leben gerufene Financial Action Task Force (FATF) zählt den Iran zu den sogenannten Hochrisiko-Staaten (andere sind Myanmar und Nordkorea). Erst im Oktober wieder erneuerte dieses internationale Gremium seinen „Aufruf zur Anwendung von Gegenmaßnahmen auf Grund der erhöhten Risiken der Finanzierung von Proliferationen“ (so die Diktion der Bafin). Die deutsche Aufsicht verpflichtet die deutschen Banken entsprechend per Rundschreiben, bei allen Geschäftsbeziehungen oder Transaktionen, „an der der Iran oder eine im Iran ansässige natürlich oder juristische Person beteiligt ist“, zumindest sämtliche verstärkten Sorgfaltspflichten gemäß Geldwäsche-Gesetz zu erfüllen sowie der Aufsicht Geschäftsbeziehungen und Transaktionen mit Iran-Bezug anzuzeigen.
Die verstärkten Sorgfaltspflichten sehen vor, dass deutsche Banken in solchen Fällen eine ganze Reihe an zusätzlichen Informationen einholen:
Zudem muss ein Mitglied der Führungsebene zustimmen, wenn eine solche Geschäftsbeziehung begründet oder fortgesetzt wird. Auch müssen Banken eine solche Geschäftsbeziehung verstärkt durch häufigere und intensivere Kontrollen überwachen sowie Transaktionsmuster auswählen, die einer weiteren Prüfung bedürfen.
An sich dürfte die Bafin über die Geschäftsbeziehung somit sowohl durch die Volksbank (über die Meldepflicht) als auch durch die deutsche Dependance der Bank Melli (über die Anzeige von Großkrediten) ins Bild gesetzt worden sein. Im Übrigen unterzieht sie nach eigenen Angaben „Zweigstellen und Tochterunternehmen von im Iran ansässigen Finanzinstituten“ ohnehin weiter einer „verstärkten Aufsicht“. Über Nachfragen, Maßnahmen oder gar Sanktionen der Bafin ist indes nichts bekannt.
Jenseits der aufsichtsrechtlichen Aspekte drängt sich natürlich eine ganz andere Frage auf: Was reitet eine mittelgroße Volksbank aus der niedersächsischen Provinz, Geld von einer iranischen Bank in nennenswertem Umfang anzunehmen? Trotz der damit möglicherweise einhergehenden Risiken? Zumal sich in ergänzenden Informationen zum Jahresabschluss für 2023 Hinweise eines externen Prüfers finden, dass die Bank Melli Iran in Deutschland mehrere F-3-Beanstandungen (sprich gewichtige Mängel) aufweist, zum Beispiel bei der Beachtung verstärkter Sorgfaltspflichten sowie bei Aktualisierung und Betrieb von EDV-Monitoring-Systemen. Und die Nachverfolgung durch den Prüfer ergab 2023, dass die Behebung eines 2022 festgestellten gewichtigen Mangels (der Kategorie F-3) nach wie vor „offen“ sei: Die Bank setze „unverändert kein Datenverarbeitungs-/Monitoring-System ein“, das allen Anforderungen des Geldwäsche-Gesetzes entspreche, heißt es.
Klar, das sind zunächst einmal Probleme der Bank Melli. Doch wenn eine Volksbank sich bei ihr verschuldet, muss diese sich fragen lassen, wie genau sie sich ihre Geschäftspartner denn anschaut.
Weder die Volksbank in Schaumburg und Nienburg noch die Bank Melli Iran in Hamburg äußern sich zu ihrer Geschäftsbeziehung. Gleiches gilt für die Bafin.
Über den Hintergrund der Geschäftsbeziehung – wie sie zustande kam, wer sie einfädelte, welche Ziele die Volksbank mit ihr verbindet – lässt sich somit nur spekulieren. Im Wesentlichen gibt es drei Theorien, die in Finanzkreisen zu hören sind oder sich schon rein logisch aufdrängen:
Wohlgemerkt: Belege gibt es für keine dieser Theorien.
Fest steht unterdessen, in welch illustre Gesellschaft sich die Volksbank in Schaumburg und Nienburg mit ihrer Verbindung zur deutschen Dependance der Bank Melli Iran begeben hat. Neben den Genossen zählen zu den Schuldnern der Iran-Banker unter anderem:
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