Exklusiv

Provinz-Volksbank nahm 60 Mio. Euro von iranischer Sanktions-Bank an. Wieso???

„Das schönste Haus ist das, welches jedermann offen steht“, heißt es in der Geschichte von „Tausendundeiner Nacht“ – und wer wollte da widersprechen? Zumal es sich, trotz der Herkunft der Weisheit, ja nicht zwingend um ein orientalisches Haus handeln muss. Es könnte auch, ganz schlicht, ein deutsches Haus sein. Oder, noch netter, ein deutsches Geldhaus. Zum Beispiel: eine Volksbank! In die man als iranische Bank einfach hineingeht und ein Köfferchen mit 60 Mio. Euro hinterlässt, Sanktionen hin oder her.

Aber erst einmal kurz ausgeholt: Neulich hatten wir von „Finanz-Szene“ mächtig Wirbel ausgelöst mit der Geschichte von der Volksbank Düsseldorf Neuss, die sich auch schon erstaunlich offen für fremdländisches Geld gezeigt hatte – wobei es da um 100 Mio. Euro ging, die ursprünglich einem französischen Modekonzern gehörten, bevor sie über Düsseldorf/Neuss in die Türkei transferiert wurden und dort irgendwie verloren gingen. Indessen waren das nicht die einzigen seltsamen Aktivitäten der rheinischen Volksbank. Später kam nämlich heraus, dass sich die Bafin auch für nicht näher definierte Iran-Geschäfte des Instituts interessierte. Da staunte man dann doch: Eine Volksbank mit Iran-Geschäften! Gibt’s das? Gleichwohl – so singulär ist der Fall vielleicht gar nicht. Und damit nun zu unserer neuen Recherche, also der mit den 60 Mio. Euro. Diesmal geht es um eine mittelgroße Volksbank aus der niedersächsischen Provinz. Und die Frage, warum sich diese mittelgroße niedersächsische Volksbank big time von einer iranischen Sanktions-Bank refinanzieren lässt.

Doch von vorn:

Schauplatz unserer Geschichte ist Rinteln. In diesem beschaulichen Städtchen von rund 25.000 Einwohnern, rund 50 Kilometer südwestlich von Hannover gelegen, hat die „Volksbank in Schaumburg und Nienburg“ ihren Sitz. Nach mehreren Fusionen in der Vergangenheit kommt sie zurzeit auf 4,9 Mrd. Euro Bilanzsumme, damit liegen die Genobanker aus dem Weserbergland immerhin auf Platz 48 der BVR-Rangliste der deutschen Genossenschaftsbanken. Die Geschäftszahlen scheinen okay zu sein: Dank eines deutlich verbesserten Bewertungsergebnisses betrug der operative Gewinn in 2023 rund 57 Mio. Euro, mehr als das Dreifache des Vorjahres. Und mit einem Betriebsergebnis vor Bewertung in Höhe von 1,25% der Bilanzsumme wirkt das Institut ohnehin gut positioniert.

Geschlossen wurde das Geschäft im Herbst 2023

Eigentlich versteht sich die Volksbank zuvörderst als „Partner der Privatpersonen und der Unternehmen im Geschäftsgebiet“, dessen Kern die Landkreise Schaumburg und Nienburg sowie die Gemeinde Wunstorf sind. Dennoch steht fest: Die Volksbank steht bei der Hamburger Zweigniederlassung der Bank Melli – und damit bei der größten staatlichen Bank des Iran – in der Kreide. Stand Ende 2023 beliefen sich diese Verbindlichkeiten auf insgesamt 60 Mio. Euro!

Weder für die Niedersachen noch für die Iraner ist das ein Pappenstiel. Bei den Genossen entspricht die Summe 13% des Eigenkapitals. Noch größer ist freilich das Vertrauen der Iran-Banker von der Alster (Bilanzsumme zuletzt: 511 Mio. Euro), denn diese haben damit eine Forderung in Höhe von 34% ihrer anrechenbaren Eigenmittel offen. Selbst bei einem Drittel der Summe würde die Volksbank in Schaumburg und Nienburg noch zu den Großkreditnehmern der Bank Melli in Hamburg zählen. Sicherheiten: null. Blanko-Anteil: 100%.

Konkret teilen sich die Forderungen der Iraner an die Genossen laut Jahresabschluss der Bank Melli Iran wie folgt auf:

  • 20 Mio. Euro an täglich fälligen Einlagen,
  • 10 Mio. Euro Festgeld über 15 Monate und
  • 30 Mio. Euro Festgeld über 2 Jahre.

Zugesagt wurden die Kredite Ende September 2023. Das Tagesgeld und das 15-Monats-Geld waren bereits im April und im Juni 2024 fällig. Ob diese prolongiert wurden und bis heute bei der Volksbank liegen, lässt sich auf Basis der öffentlich verfügbaren Informationen nicht sagen. Sicher ist indes, dass die auf zwei Tranchen verteilte „Geldanlage 24 Monate“ über insgesamt 30 Mio. Euro bis zum 24. März respektive 15. Mai dieses Jahres läuft.

USA, FATF und Bafin betrachten Deals mit Iran-Banken kritisch

Anders als die freigebigen Volksbanker aus Düsseldorf haben die Genossen in Rinteln offenbar kein Unternehmen mit Iran-Bezug finanziert. Stattdessen haben sie sich über eine iranische Bank refinanziert. Brisant ist das, weil die an der Hamburger Holzbrücke 2 residierende deutsche Niederlassung der Bank Melli – die ihr Kerngeschäft in der „Abwicklung des dokumentären Außenhandelsgeschäfts zwischen Deutschland/Europa sowie dem Iran“ sieht und sich im Zahlungsverkehr oder dem Kreditgeschäft tummelt – seit 2018 vom globalen Zahlungs-Kommunikationsnetz SWIFT suspendiert ist. Und weil sie auf den Sanktionslisten des Office of Foreign Assets Control (OFAC) in den Vereinigten Staaten steht. Die US-Bestimmungen richten sich dabei ebenso an die EU und an Deutschland.

Laut einer institutseigenen Risikoanalyse, die sie mit Blick auf ihre Maßnahmen zur Verhinderung von Geldwäsche und Terrorismus-Finanzierung erstellt und mit dem Jahresabschluss publiziert hat, zählt die deutsche Dependance der Bank Melli Iran insgesamt 416 Kundenbeziehungen. Den Anteil von Kunden mit geringem Risiko gibt sie dabei mit 0% an – den Anteil der Hochrisiko-Kunden dagegen mit 48%. Die Anzahl „politisch exponierter Personen“ unter ihren Kunden: 69.

All das liegt, natürlich, am Herkunftsstaat: Die 1989 auf Initiative der G7 ins Leben gerufene Financial Action Task Force (FATF) zählt den Iran zu den sogenannten Hochrisiko-Staaten (andere sind Myanmar und Nordkorea). Erst im Oktober wieder erneuerte dieses internationale Gremium seinen „Aufruf zur Anwendung von Gegenmaßnahmen auf Grund der erhöhten Risiken der Finanzierung von Proliferationen“ (so die Diktion der Bafin). Die deutsche Aufsicht verpflichtet die deutschen Banken entsprechend per Rundschreiben, bei allen Geschäftsbeziehungen oder Transaktionen, „an der der Iran oder eine im Iran ansässige natürlich oder juristische Person beteiligt ist“, zumindest sämtliche verstärkten Sorgfaltspflichten gemäß Geldwäsche-Gesetz zu erfüllen sowie der Aufsicht Geschäftsbeziehungen und Transaktionen mit Iran-Bezug anzuzeigen.

Die verstärkten Sorgfaltspflichten sehen vor, dass deutsche Banken in solchen Fällen eine ganze Reihe an zusätzlichen Informationen einholen:

  • über den Vertragspartner und den wirtschaftlich Berechtigten,
  • über die angestrebte Art der Geschäftsbeziehung,
  • über die Herkunft der Vermögenswerte und des Vermögens des Vertragspartners,
  • vielfach zudem über die Herkunft der Vermögenswerte und des Vermögens des wirtschaftlich Berechtigten (der ja nicht immer mit dem Vertragspartner identisch ist),
  • über die Gründe für die geplante oder durchgeführte Transaktion sowie
  • über die geplante Verwendung der Vermögenswerte, die im Rahmen der Transaktion oder Geschäftsbeziehung eingesetzt werden (soweit dies zur Beurteilung der Gefahr von Terrorismus-Finanzierung erforderlich ist).

Zudem muss ein Mitglied der Führungsebene zustimmen, wenn eine solche Geschäftsbeziehung begründet oder fortgesetzt wird. Auch müssen Banken eine solche Geschäftsbeziehung verstärkt durch häufigere und intensivere Kontrollen überwachen sowie Transaktionsmuster auswählen, die einer weiteren Prüfung bedürfen.

An sich dürfte die Bafin über die Geschäftsbeziehung somit sowohl durch die Volksbank (über die Meldepflicht) als auch durch die deutsche Dependance der Bank Melli (über die Anzeige von Großkrediten) ins Bild gesetzt worden sein. Im Übrigen unterzieht sie nach eigenen Angaben „Zweigstellen und Tochterunternehmen von im Iran ansässigen Finanzinstituten“ ohnehin weiter einer „verstärkten Aufsicht“. Über Nachfragen, Maßnahmen oder gar Sanktionen der Bafin ist indes nichts bekannt.

Welche Motive treiben die Volksbanker in Rinteln an?

Jenseits der aufsichtsrechtlichen Aspekte drängt sich natürlich eine ganz andere Frage auf: Was reitet eine mittelgroße Volksbank aus der niedersächsischen Provinz, Geld von einer iranischen Bank in nennenswertem Umfang anzunehmen? Trotz der damit möglicherweise einhergehenden Risiken? Zumal sich in ergänzenden Informationen zum Jahresabschluss für 2023 Hinweise eines externen Prüfers finden, dass die Bank Melli Iran in Deutschland mehrere F-3-Beanstandungen (sprich gewichtige Mängel) aufweist, zum Beispiel bei der Beachtung verstärkter Sorgfaltspflichten sowie bei Aktualisierung und Betrieb von EDV-Monitoring-Systemen. Und die Nachverfolgung durch den Prüfer ergab 2023, dass die Behebung eines 2022 festgestellten gewichtigen Mangels (der Kategorie F-3) nach wie vor „offen“ sei: Die Bank setze „unverändert kein Datenverarbeitungs-/Monitoring-System ein“, das allen Anforderungen des Geldwäsche-Gesetzes entspreche, heißt es.

Klar, das sind zunächst einmal Probleme der Bank Melli. Doch wenn eine Volksbank sich bei ihr verschuldet, muss diese sich fragen lassen, wie genau sie sich ihre Geschäftspartner denn anschaut.

Weder die Volksbank in Schaumburg und Nienburg noch die Bank Melli Iran in Hamburg äußern sich zu ihrer Geschäftsbeziehung. Gleiches gilt für die Bafin.

Über den Hintergrund der Geschäftsbeziehung – wie sie zustande kam, wer sie einfädelte, welche Ziele die Volksbank mit ihr verbindet – lässt sich somit nur spekulieren. Im Wesentlichen gibt es drei Theorien, die in Finanzkreisen zu hören sind oder sich schon rein logisch aufdrängen:

  1. Die Theorie von der reinen Geldanlage für die Bank Melli: Bei den 60 Mio. Euro könnte es sich um Erträge handeln, die noch aus der früheren Beteiligung des Iran an ThyssenKrupp resultieren (die auf die Zeit des Schah datierte und im Lauf der Jahrzehnte schrittweise reduziert wurde), infolge der Sanktionen aber nicht in den Iran transferiert werden können. In dem Fall könnte die Bank Melli das Geld in Deutschland anlegen. So weit, so denkbar. Warum aber landet es ausgerechnet in Rinteln?
  2. Die Theorie von der günstigen Gelegenheit zur Refinanzierung der Volksbank: Aus Sicht der Niedersachsen ergäbe ein solches Geschäft – vom Kontrahenten mit schwierigen Ruf einmal abgesehen – durchaus Sinn. Die Genossen müssen einen Kreditüberhang refinanzieren: Ende 2023 zählten sie Kundenforderungen von 3,6 Mrd. Euro, verfügten mit 2,9 Mrd. Euro aber über ein deutlich niedrigeres Einlagevolumen. Jedenfalls weitete die Volksbank 2023 das Kreditgeschäft um 12% aus, refinanziert über höhere Verbindlichkeiten gegenüber Kreditinstituten (+31% auf 1,4 Mrd. Euro). Dabei nahm sie auch „mehrere Termingelder“ der DZ Bank auf. Zitat aus dem betreffenden Geschäftsbericht: „Beim Kreditgeschäft wurden die Erwartungen aus der Eckwert-Planung übertroffen, im Einlagengeschäft konnten die Erwartungen nicht erreicht werden. Die Refinanzierung erfolgte alternativ durch die Aufnahme von Verbindlichkeiten bei Kreditinstituten.“ Der Zinsaufwand hat sich 2023 denn auch auf rund 50 Mio. Euro mehr als verzehnfacht. Vor diesem Hintergrund wäre es interessant zu wissen: Welche Zinsen zahlt die Volksbank auf das Geld der Mullah-Banker eigentlich? Sind die Konditionen für sie günstig, weil die Bank Melli kaum viele Alternativen haben dürfte?
  3. Die Theorie von einer weiter gehenden Geschäftsbeziehung: In diesem Fall wäre der von Melli gewährte Großkredit Teil einer umfangreicheren Verbindung, bei der es um mehr geht als nur um eine günstige Refinanzierung. Die Überlegung hier: Nachdem die lange Zeit als Drehscheibe für den Handel mit dem Iran geltende Varengold Bank von der Bafin hart an die Kandare genommen wurde, ordnet sich der Markt für derlei Geschäfte derzeit neu, wie bei damit vertrauten Personen zu erfahren ist. Demnach ist in der gesamten EU nur mehr eine Handvoll Institute bereit, Geschäfte mit Iran-Bezug zu akzeptieren. Allerdings sollen sich zuletzt etwa Institute in Luxemburg und Litauen offen für Zahlungsverkehr mit Iran-Bezug gezeigt haben. Im Fall einer Volksbank wie in Rinteln müssten solche Geschäfte allerdings direkt über das Bundesbankkonto für Target2-Zahlungen laufen. Das Zentralinstitut der Genossen, die DZ Bank, hatte schon 2018 angekündigt, alle Zahlungsgeschäfte mit Iran aufzuheben.

Wohlgemerkt: Belege gibt es für keine dieser Theorien.

Als Schuldner sind die Genossen in fragwürdiger Gesellschaft

Fest steht unterdessen, in welch illustre Gesellschaft sich die Volksbank in Schaumburg und Nienburg mit ihrer Verbindung zur deutschen Dependance der Bank Melli Iran begeben hat. Neben den Genossen zählen zu den Schuldnern der Iran-Banker unter anderem:

  • die von den USA sanktionierte Projekt- und Handelsgesellschaft GMI Projects Hamburg GmbH mit der iranischen Holding Middle East Mines Industries Development Holding Company als ebenfalls sanktioniertem Eigner,
  • die Düsseldorfer Kara Industrial Trading, die im Mai vergangenen Jahres auf der OFAC-Liste landete wegen ihrer Verbindungen zur gleichfalls sanktionierten
  • Khuzestan Steel Company (KSC), einem der größten Stahlproduzenten im Iran, dem die USA vorwerfen, ein Netz von Firmen in Europa zu nutzen, um sich Teile zu beschaffen und Ausfuhren zu ermöglichen,
  • das iranische Petrochemie-Unternehmen ILAM (steht auf der OFAC-Liste) sowie
  • die iranische Bank Tejerat (steht ebenfalls auf der OFAC-Liste).

Rechtehinweis

Die Artikel von Finanz-Szene sind urheberrechtlich geschützt und nur für den jeweiligen Premium-Abonnenten persönlich bestimmt. Die Weitergabe – auch an Kollegen – ist nicht gestattet. Wie Sie Inhalte rechtssicher teilen können (z.B. via Pressespiegel), erfahren Sie hier.

Danke für Ihr Verständnis. Durch Ihr Abonnement sichern Sie ein Stück Journalismus!

To top