von Heinz-Roger Dohms, 20. Dezember 2022
In unserem Jahresrückblick zeigen wir, welche Themen Sie 2022 besonders interessiert haben – mit zwölf Klickfavoriten aus zwölf Monaten.
Heute mit Teil drei:
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Klar: Dass die Genobanken, wie gestern berichtet, die Sparkassen erstmals seit mindestens 1998 (und möglicherweise sogar erstmals überhaupt) beim Vorsteuergewinn überholt haben – das ist zweifellos plakativ. Allerdings: Es war auch absehbar. Schließlich hatten Sparkassen und Genobanken (schaut man auf die Zahlen des DSGV, des BVR und der Bundesbank) auch schon in den letzten Jahren auf vergleichbarem Niveau gelegen.
So jedenfalls unser Eindruck.
Die Frage, die wir heute morgen nun allerdings stellen wollen, lautet: War dieser Eindruck möglicherweise falsch?
Denn: Was passiert, wenn man 1.) statt mit den absoluten konsequent mit den relativen Zahlen rechnet, wenn man 2.) dann auch noch versucht, die unterschiedlichen Bilanzierungs-Standards von DSGV und BVR zu nivellieren, und wenn man 3.) schließlich daran geht, die BVR-Zahlen so weit wie möglich um jene Banken zu bereinigen, die zwar als Genossenschaft organisiert, aber keine Volks- oder Raiffeisenbanken sind?
Lesen Sie hier unseren “Deep Dive”, der erstaunlich schmeichelhaft für die VR-Banken und erstaunlich unschmeichelhaft für die Sparkassen ausfällt – und der darüber hinaus einen bösen Verdacht hinsichtlich zweier weiterer Bankengruppen aufwirft:
Stellt man die Zahlen des DSGV denen des BVR gegenüber, zeigen sich auf den ersten Blick nur mäßige Profitabilitätsunterschiede:
Wie vergangene ausführlich beleuchtet, ist das vom DSGV kommunizierte Betriebsergebnis allerdings keine HGB-Kennziffer, sondern eine „Betriebsvergleichs“-Kennziffer. Letztere fällt traditionell wesentlich besser aus als erstere – mutmaßlich, weil die Sparkassen unliebsame Kostenpositionen aus ihren „Betriebsvergleichs“-Werten herausrechnen.
2021 summierte sich dieser Effekt auf stattliche 1,5 Mrd. Euro. Rechnet man diese mutmaßlichen Kosten (theoretisch könnte es sich teilweise auch um „negative“ Ertragseffekte handeln) in die DSGV-Zahlen wieder hinein, sinkt das Betriebsergebnis vor Bewertung auf nur noch 8,2 Mrd. Euro – was gemessen an der DBS einen Wert von nunmehr 0,56% ergibt. Die Schere beginnt sich also zu öffnen.
Nun muss man streng genommen allerdings auch bei den BVR-Zahlen eine Bereinigung vornehmen. Die nämlich enthalten neben den Zahlen der Volks- und Raiffeisenbanken auch die Ergebnisse aller sonstigen Genossenschaftsinstitute hierzulande. Die viel bessere Näherung an die Ertragskraft der Volks- und Raiffeisenbanken sind die Zahlenwerke der genossenschaftlichen Regionalverbände – denn diese beinhalten weder die Sparda-Banken noch die PSD-Banken (deren Geschäftsmodelle sich von denen normaler Volksbanken durchaus unterscheiden, weshalb es komplett Sinn macht, von diesen beiden Bankengruppen zu extrahieren.
Mithin – hier die Zahlen der vier genossenschaftlichen Regionalverbände:
Man sieht, dass die Genobanken ohne die PSD- und Sparda-Banken quasi genau so viel Ergebnis machen wie mit den PSD- und Sparda-Banken (zu den beiden weiter unten mehr). Allerdings: Die zugrundeliegende Bilanzsumme ist natürlich eine niedrigere. Alles in allem beläuft sich das Betriebsergebnis vor Bewertung in dieser Betrachtung also schon auf 0,81% der Bilanzsumme. Sprich: Die Schere geht noch weiter auf.
Nun müsste man genau genommen verschiedene weitere Bereinigungen vornehmen (etwa wegen der Kirchenbanken, der Umweltbanken oder der im vergangenen Jahr doppelt ausgezahlten DZ-Bank-Dividende). Wir gehen allerdings davon aus, dass sich die Effekte teilweise gegeneinander aufheben und halten allein für die Volks- und Raiffeisenbanken einen Wert von 0,80% für realistisch – verglichen mit (siehe oben) den von uns errechneten 0,56% für die Sparkassen. Eine gewaltige Diskrepanz. Denn wenn die Dinge wirklich so liegen, wie wir sie uns hier zusammenreimen, dann wären die Volks- und Raiffeisenbanken fast anderthalb mal so profitabel wie die Sparkassen.
Das ist schwer zu sagen. Denn wir wissen zwar, dass die Sparkassen (siehe oben) ihr kommuniziertes Betriebsergebnis um besagte 1,5 Mrd. Euro aufgehübscht haben. Wir wissen allerdings nicht, auf welche Einzelpositionen dieser Betrag genau entfällt. Heißt: Wir können das Betriebsergebnis bereinigen (was wir ja getan haben), aber wir können beispielsweise weder den Zinsüberschuss noch die Verwaltungsaufwendungen bereinigen.
Machen wir stattdessen zunächst einmal das, was der Skatspieler „über die Dörfer gehen“ nennt – auch wenn wir genau genommen nicht über die Dörfer gehen, sondern über die Zahlen einiger großer Volks- und Raiffeisenbanken:
Man sieht:
Um zu verstehen, warum das so ist, schauen wir uns die entsprechenden Durchschnittszahlen aus dem Verband der Regionen (der grob die Hälfte aller Volks- und Raiffeisenbanken repräsentiert) sowie aus dem eher kleiner Weser-Ems-Verband an:
Offenbar ist es also so, dass die kleinen und mittelgroßen VR-Banken (die die Durchschnittswerte prägen) über eine gehörige Preismacht (=hohe relative Erträge) verfügen und sich darum ihre hohen Kosten leisten können – während die größeren, urban geprägten Häuser nicht ganz so hohe relative Erträge erwirtschaften, dafür aber ihre Kosten im Griff haben. Unterm Strich (also beim Betriebsergebnis) kommt ungefähr dasselbe heraus.
Wie sieht es nun bei den Sparkassen aus?
Auch hier haben wir über die vergangenen Wochen eine ganze Reihe von Verbandszahlen gesammelt …
Da es sich allerdings auch hier um „Betriebsvergleichs“-Zahlen handelt, ist die Vergleichbarkeit auch hier begrenzt. Vermutlich kommt man beim Betriebsergebnis der Wahrheit am nächsten, wenn man überall gedanklich grob 0,10 Prozentpunkte abzieht.
Was nun eine Betrachtung auf Basis einzelner Institute angeht, ist’s mit der Vergleichbarkeit endgültig vorbei. Manche Sparkassen wechseln die Darstellung ihrer Ergebnisse von Jahr zu Jahr, von einer institutsübergreifenden Konsistenz kann erst Recht keine Rede sein. Anekdotisch lässt sich aber zumindest so viel sagen:
Wenn der Genosektor ohne die Sparda- und PSD-Banken genauso viel Ergebnis erwirtschaftet wie mit den Sparda- und PSD-Banken – dann kann das ja eigentlich nur heißen, dass die Sparda-Banken und die PSD-Banken (gemeinsam betrachtet) gar keinen Gewinn mehr erwirtschaften. Als wir den BVR-Vorstand Andreas Martin bei der Bilanz-PK diese Woche mit dem Phänomen konfrontierten, lächelte dieser verlegen, wusste aber so recht auch nicht weiter.
Nun haben wir es hüben wie drüben und allerorten mit vorläufigen Zahlen zu tun. Und dass sich irgendwer (wir?) irgendwo vertan hat, ist ja auch nie zu 100% auszuschließen. Allerdings: So richtig viele Erfolgsmeldungen aus der PSD- bzw. der Sparda-Gruppe waren während der bisherigen Bilanzsaison nicht zu vernehmen:
Was weiß Herr Martin, was wir nicht wissen? Und ist es das, was wir zu ahnen glauben?
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