Rückblick (#3)

März 2022: Sind Volksbanken fast 1,5-mal profitabler als Sparkassen?

In unserem Jahresrückblick zeigen wir, welche Themen Sie 2022 besonders interessiert haben – mit zwölf Klickfavoriten aus zwölf Monaten. 

Heute mit Teil drei:  

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Klar: Dass die Genobanken, wie gestern berichtet, die Sparkassen erstmals seit mindestens 1998 (und möglicherweise sogar erstmals überhaupt) beim Vorsteuergewinn überholt haben – das ist zweifellos plakativ. Allerdings: Es war auch absehbar. Schließlich hatten Sparkassen und Genobanken (schaut man auf die Zahlen des DSGV, des BVR und der Bundesbank) auch schon in den letzten Jahren auf vergleichbarem Niveau gelegen.

So jedenfalls unser Eindruck.

Die Frage, die wir heute morgen nun allerdings stellen wollen, lautet: War dieser Eindruck möglicherweise falsch?

Denn: Was passiert, wenn man 1.) statt mit den absoluten konsequent mit den relativen Zahlen rechnet, wenn man 2.) dann auch noch versucht, die unterschiedlichen Bilanzierungs-Standards von DSGV und BVR zu nivellieren, und wenn man 3.) schließlich daran geht, die BVR-Zahlen so weit wie möglich um jene Banken zu bereinigen, die zwar als Genossenschaft organisiert, aber keine Volks- oder Raiffeisenbanken sind?

Lesen Sie hier unseren “Deep Dive”, der erstaunlich schmeichelhaft für die VR-Banken und erstaunlich unschmeichelhaft für die Sparkassen ausfällt – und der darüber hinaus einen bösen Verdacht hinsichtlich zweier weiterer Bankengruppen aufwirft:

1.) Volksbanken vs. Sparkassen – scheinbar auf einem Niveau

Stellt man die Zahlen des DSGV denen des BVR gegenüber, zeigen sich auf den ersten Blick nur mäßige Profitabilitätsunterschiede:

  • Der DSGV präsentierte ein Betriebsergebnis vor Bewertung in Höhe von 9,7 Mrd. Euro, was gemessen an der durchschnittlichen Bilanzsumme (DBS) einen Wert von 0,67% ergab
  • Laut BVR erreichten die Genobanken einen Betriebsgewinn vor Bewertung im Umfang von 8,2 Mrd. Euro – in Relation zur DBS ein Ergebnis von 0,74%.

2.) Volksbanken vs. Sparkassen – jetzt mal sauber gerechnet

Wie vergangene ausführlich beleuchtet, ist das vom DSGV kommunizierte Betriebsergebnis allerdings keine HGB-Kennziffer, sondern eine „Betriebsvergleichs“-Kennziffer. Letztere fällt traditionell wesentlich besser aus als erstere – mutmaßlich, weil die Sparkassen unliebsame Kostenpositionen aus ihren „Betriebsvergleichs“-Werten herausrechnen.

2021 summierte sich dieser Effekt auf stattliche 1,5 Mrd. Euro. Rechnet man diese mutmaßlichen Kosten (theoretisch könnte es sich teilweise auch um „negative“ Ertragseffekte handeln) in die DSGV-Zahlen wieder hinein, sinkt das Betriebsergebnis vor Bewertung auf nur noch 8,2 Mrd. Euro – was gemessen an der DBS einen Wert von nunmehr 0,56% ergibt. Die Schere beginnt sich also zu öffnen.

Nun muss man streng genommen allerdings auch bei den BVR-Zahlen eine Bereinigung vornehmen. Die nämlich enthalten neben den Zahlen der Volks- und Raiffeisenbanken auch die Ergebnisse aller sonstigen Genossenschaftsinstitute hierzulande. Die viel bessere Näherung an die Ertragskraft der Volks- und Raiffeisenbanken sind die Zahlenwerke der genossenschaftlichen Regionalverbände – denn diese beinhalten weder die Sparda-Banken noch die PSD-Banken (deren Geschäftsmodelle sich von denen normaler Volksbanken durchaus unterscheiden, weshalb es komplett Sinn macht, von diesen beiden Bankengruppen zu extrahieren.

Mithin – hier die Zahlen der vier genossenschaftlichen Regionalverbände:

in Mrd. Euro Betriebsergebnis vor Bewertung DBS Betriebsergebnis in % der DBS
Verband der Regionen 4,734 556,6 0,84%
Bayerischer Genoverband 1,564 196 0,80%
Genoverband BaWü 1,325 195,2 0,68%
Genoverband Weser-Ems 0,636 69,1 0,92%
8,259 1016,9 0,81%

Man sieht, dass die Genobanken ohne die PSD- und Sparda-Banken quasi genau so viel Ergebnis machen wie mit den PSD- und Sparda-Banken (zu den beiden weiter unten mehr). Allerdings: Die zugrundeliegende Bilanzsumme ist natürlich eine niedrigere. Alles in allem beläuft sich das Betriebsergebnis vor Bewertung in dieser Betrachtung also schon auf 0,81% der Bilanzsumme. Sprich: Die Schere geht noch weiter auf.

Nun müsste man genau genommen verschiedene weitere Bereinigungen vornehmen (etwa wegen der Kirchenbanken, der Umweltbanken oder der im vergangenen Jahr doppelt ausgezahlten DZ-Bank-Dividende). Wir gehen allerdings davon aus, dass sich die Effekte teilweise gegeneinander aufheben und halten allein für die Volks- und Raiffeisenbanken einen Wert von 0,80% für realistisch – verglichen mit (siehe oben) den von uns errechneten 0,56% für die Sparkassen. Eine gewaltige Diskrepanz. Denn wenn die Dinge wirklich so liegen, wie wir sie uns hier zusammenreimen, dann wären die Volks- und Raiffeisenbanken fast anderthalb mal so profitabel wie die Sparkassen.


3.) Woher kommt die enorme Diskrepanz (I)?

Das ist schwer zu sagen. Denn wir wissen zwar, dass die Sparkassen (siehe oben) ihr kommuniziertes Betriebsergebnis um besagte 1,5 Mrd. Euro aufgehübscht haben. Wir wissen allerdings nicht, auf welche Einzelpositionen dieser Betrag genau entfällt. Heißt: Wir können das Betriebsergebnis bereinigen (was wir ja getan haben), aber wir können beispielsweise weder den Zinsüberschuss noch die Verwaltungsaufwendungen bereinigen.

Machen wir stattdessen zunächst einmal das, was der Skatspieler „über die Dörfer gehen“ nennt – auch wenn wir genau genommen nicht über die Dörfer gehen, sondern über die Zahlen einiger großer Volks- und Raiffeisenbanken:

Zinsergebnis in % der DBS Provisionsergebnis in % der DBS Verwaltungs-Aufwendungen in % der DBS Betriebsergebnis vor Bewertung in % der DBS
Volksbank Mittelhessen 1,44 % 0,58 % 1,21 % 0,80 %
Volksbank Wiesbaden 1,61 % 0,57 % 1,22 % 0,86 %
Mainzer Volksbank 1,40 % 0,57 % 1,13 % 0,84 %
Dortmunder Volksbank 1,44 % 0,58 % 1,40 % k.A.
Frankfurter Volksbank 1,38 % 0,64 % k.A 0,68 %

Man sieht:

  • Die Zahlen sind grob auf vergleichbarem Level, auch wenn Dortmund und Frankfurt nicht ganz so gut dastehen wie Mittelhessen, Wiesbaden und Mainz
  • Die Zahlen sehen (vielleicht mit Ausnahme der hohen Kosten der Dortmunder Volksbank) alle sehr, sehr ordentlich aus
  • Gleichwohl: Obwohl zumindest Mittelhessen, Wiesbaden und Mainz zu den anerkanntermaßen sehr guten größeren Volksbanken gezählt werden, liegt ihr Betriebsergebnis nicht signifikant über dem (siehe weiter oben) von uns angenommenen Durchschnittswert von rund 0,80% der DBS

Um zu verstehen, warum das so ist, schauen wir uns die entsprechenden Durchschnittszahlen aus dem Verband der Regionen (der grob die Hälfte aller Volks- und Raiffeisenbanken repräsentiert) sowie aus dem eher kleiner Weser-Ems-Verband an:

Zinsergebnis in % der DBS Provisionsergebnis in % der DBS Verwaltungs-Aufwendungen in % der DBS Betriebsergebnis vor Bewertung in % der DBS
Verband der Regionen 1,58% 0,68% 1,48% 0,82%
Weser Ems 1,68% 0,68% 1,50% 0,92%

Man sieht:

  • Die Durchschnitts-Volksbank weist höhere Erträge als die großen, tendenziell urbanen Volksbanken von weiter oben aus …
  • … allerdings arbeitet die Durchschnitts-Volksbank dafür auch auf einer ungleich höheren Kostenbasis

Offenbar ist es also so, dass die kleinen und mittelgroßen VR-Banken (die die Durchschnittswerte prägen) über eine gehörige Preismacht (=hohe relative Erträge) verfügen und sich darum ihre hohen Kosten leisten können – während die größeren, urban geprägten Häuser nicht ganz so hohe relative Erträge erwirtschaften, dafür aber ihre Kosten im Griff haben. Unterm Strich (also beim Betriebsergebnis) kommt ungefähr dasselbe heraus.


5.) Woher kommt die enorme Diskrepanz (II)?

Wie sieht es nun bei den Sparkassen aus?

Auch hier haben wir über die vergangenen Wochen eine ganze Reihe von Verbandszahlen gesammelt …

Zinsergebnis in % der DBS Provisionsergebnis in % der DBS Verwaltungs-Aufwendungen in % der DBS Betriebsergebnis vor Bewertung in % der DBS
SGV Hessen-Thüringen 1,33 % 0,61 % 1,33 % 0,66 %
SV Niedersachsen 1,38 % 0,66 % 1,42 % 0,67 %
Ostdeutscher SV 1,34 % 0,65 % 1,25 % 0,76 %
SV Westfalen-Lippe 1,41 % 0,64 % 1,32 % 0,74 %
SV Bayern 1,26 % 0,63 % 1,22 % 0,68 %
SV Baden-Württemberg 1,34 % 0,56 % 1,22 % 0,68 %

Da es sich allerdings auch hier um „Betriebsvergleichs“-Zahlen handelt, ist die Vergleichbarkeit auch hier begrenzt. Vermutlich kommt man beim Betriebsergebnis der Wahrheit am nächsten, wenn man überall gedanklich grob 0,10 Prozentpunkte abzieht.

Was nun eine Betrachtung auf Basis einzelner Institute angeht, ist’s mit der Vergleichbarkeit endgültig vorbei. Manche Sparkassen wechseln die Darstellung ihrer Ergebnisse von Jahr zu Jahr, von einer institutsübergreifenden Konsistenz kann erst Recht keine Rede sein. Anekdotisch lässt sich aber zumindest so viel sagen:

  • Viele insbesondere urbane Sparkassen (siehe unsere Artikel zuletzt zur KSK Köln, zur SK KölnBonn, zur Haspa und zur Fraspa) kommen nicht einmal entfernt auf Ergebnisse, wie sie bei größeren Volksbanken wie in Wiesbaden oder Mainz üblich sind. Die Hamburger Sparkasse zum Beispiel erreichte trotz einer merklichen Verbesserung der Ertragslage zuletzt ein Ergebnis von lediglich 0,29% der DBS – ob es sich dabei dann um den HGB- oder den „Betriebsvergleichs“-Wert handelt (wir haben nicht nachgefragt), ist bei dem Niveau fast schon wurscht
  • Eine solide aufgestellte größere Sparkasse wie die Nassauische Sparkasse aus Wiesbaden weist immerhin  einen Wert von 0,66% auf (nach „Betriebsvergleichs“-Logik, nicht nach HGB-Logik)
  • Ansonsten ist uns in den vergangenen Wochen nicht eine einzige größere Sparkasse untergekommen, die in nachvollziehbarer Art und Weise auf Werte wie etwa die Volksbank Mittelhessen oder die Volksbank Wiesbaden gekommen wäre

6.) Drei Thesen zur Diskrepanz zwischen Volksbanken und Sparkassen

  1. Die Sparkassen haben eher ein Kosten- als ein Ertragsproblem: Laut der HGB-basierten Ertragslage-Statistik der Bundesbank für 2020 kamen die Sparkassen in jenem Jahr auf Verwaltungsaufwendungen von 1,47% der DBS, die Kreditgenossenschaften auf 1,45%. Dabei müssten doch eigentlich die Sparkassen günstiger wirtschaften als die Kreditgenossenschaften, schließlich gibt es viel, viel mehr Genobanken und auch viel, viel mehr genossenschaftliche Filialen.
  2. Die Sparkassen leiden unter immer neuem Einmal-Gedöns: Das größte Rätsel bleibt die Frage, wo die weiter oben schon zweimal erwähnten 1,5 Mrd. Euro (als die Diskrepanz zwischen HGB-Ergebnis und „Betriebsvergleich“) eigentlich herrühren. Zumal es diese Diskrepanz – wenn auch in unterschiedlicher Höhe – praktisch Jahr für Jahr zu bestaunen gibt. Geht es um Aufwendungen für Restrukturierungen und Personalanpassungen, wie Finanz-Szene-Analyst Thomas Borgwerth vermutet? Spielen womöglich auch Abschreibungen (etwa für die Landesbank Berlin?) mit rein? Wir wissen es nicht.
  3. Die Volksbanken sichern möglicherweise ihre Zinsrisiken unzureichend ab: Okay, diese These ist jetzt sehr steil. Aber eine der zentralen Erkenntnisse unserer großen Sparkasse-Studie im vergangenen Herbst lag ja darin, dass zum Teil gerade solche Sparkassen auf (vordergründig) gute Zahlen kommen, die eher wenig Zinssicherung betreiben – und deren Zinsaufwand entsprechend niedriger ausfällt (entgegengesetzte Beispiele sind die Sparkasse KölnBonn und die Kreissparkasse Köln, siehe hier und hier). Nun besitzen wir zwar keine entsprechenden Daten zu den Volks- und Raiffeisenbanken. Aber was auffällt: Laut besagten Buba-Zahlen für das Geschäftsjahr 2020 waren die Zinsaufwendungen der Kreditgenossen damals mit 0,21% der DBS noch niedriger als die der Sparkassen (0,30%). Womöglich ist das ein Indiz, dass die Genos das mit der Zinssicherung eher locker sehen – und ihre Ergebnisse auch deshalb so gut daherkommen.

7.) Was ist mit den Sparda- und den PSD-Banken?

Wenn der Genosektor ohne die Sparda- und PSD-Banken genauso viel Ergebnis erwirtschaftet wie mit den Sparda- und PSD-Banken – dann kann das ja eigentlich nur heißen, dass die Sparda-Banken und die PSD-Banken (gemeinsam betrachtet) gar keinen Gewinn mehr erwirtschaften. Als wir den BVR-Vorstand Andreas Martin bei der Bilanz-PK diese Woche mit dem Phänomen konfrontierten, lächelte dieser verlegen, wusste aber so recht auch nicht weiter.

Nun haben wir es hüben wie drüben und allerorten mit vorläufigen Zahlen zu tun. Und dass sich irgendwer (wir?) irgendwo vertan hat, ist ja auch nie zu 100% auszuschließen. Allerdings: So richtig viele Erfolgsmeldungen aus der PSD- bzw. der Sparda-Gruppe waren während der bisherigen Bilanzsaison nicht zu vernehmen:

  • Die Sparda West kommt nach unseren Berechnungen auf ein Betriebsergebnis vor Bewertung von knapp 0,02% der DBS
  • Die möglicherweise (und möglicherweise sogar mit Abstand) beste Sparda-Bank, nämlich die aus Hessen, kam immerhin auf 0,43% der DBS
  • Die Sparda Südwest legte ein paar Zahlen vor, machte aber keinerlei Angaben zum Betriebsergebnis oder sonstigen harten Ertragkennsziffern
  • Die Sparda Baden-Württemberg legte ein paar Zahlen vor, machte aber keinerlei Angaben zum Betriebsergebnis oder sonstigen harten Ertragskennziffern
  • Das sonstige Sparda-Banken oder irgendeine PSD-Bank verwertbare 2021er-Zahlen vorgelegt hätte, ist uns nicht bekannt

Was weiß Herr Martin, was wir nicht wissen? Und ist es das, was wir zu ahnen glauben?

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