von Heinz-Roger Dohms, 17. August 2020
Eine der größten deutschen Sparkassen – nämlich die in Düsseldorf – präsentiert der Öffentlichkeit seit Jahren Geschäftszahlen, die von den testierten Kennziffern signifikant abweichen, zeigen Recherchen von Finanz-Szene.de. So hatte das Kommunalinstitut im März für 2019 einen vorläufigen “Gewinn vor Steuern” in Höhe von 62,5 Mio. Euro verkündet. Tatsächlich lag das Vorsteuergebnis des Einzelabschlusses allerdings bei nur 7 Mio. Euro (gemäß HGB-Definition) bzw. 39 Mio. Euro (gemäß “Bundesbank-Definition”, hierzu unten mehr). Laut dem renommierten Finanzanalysten Stefan Best, den wir um eine Prüfung des Sachverhalts baten, sind die 62,5 Mio. Euro “verglichen mit dem Jahresabschluss definitiv falsch”. Er spricht von einer “irreführenden Kommunikation”. Best war jahrelang bei Standard & Poor’s für deutsche Banken zuständig und ist inzwischen Lehrbeauftragter an der Hochschule RheinMain.
Nach Angaben der Sparkasse Düsseldorf beruhen die Abweichungen auf “unterschiedlichen Systematiken” der Gewinnermittlung. Zudem könne es vorkommen, dass sich zwischen den bei der Bilanz-PK verkündeten vorläufigen Zahlen und dem endgültigen Abschluss noch Änderungen ergeben. Formal sind diese Erklärungen vermutlich korrekt. Faktisch führt das Vorgehen allerdings dazu, dass die gegenüber der Öffentlichkeit kommunizierten Zahlen mit den testierten Kennziffern zum Teil kaum noch etwas zu tun haben. So beliefen sich die 2019er-Risikokosten (Fachbegriff: “Bewertungsergebnis”) laut Bilanz-PK auf sehr gute minus 4,8 Mio. Euro. Wie sich dem Jahresabschluss entnehmen lässt, waren sie in Wirklichkeit jedoch sechsmal so hoch. Eine weitere Abweichung betrifft das “Betriebsergebnis vor Bewertung”. Hier sprach Vorstandschefin Karin-Brigitte Göbel im März von 77,9 Mio. Euro. Der testierte Abschluss zeigt jedoch nur 67 Mio. Euro.
Die Auffälligkeiten beschränken sich nicht auf das Jahr 2019. Bei den Untersuchungen früherer Abschlüsse fiel Finanz-Szene.de zum Beispiel auf, dass Vorstandschefin Göbel bei der Bilanz-PK zu den 2016er-Zahlen das Bewertungsergebnis auf plus 5 Mio. Euro beziffert hatte – laut testiertem Abschluss waren es hingegen minus 17 Mio. Euro. Ein weiterer Fall (hierüber hatten wir damals schon berichtet) ereignete sich ein Jahr darauf. Da nannte Göbel ein Betriebsergebnis vor Bewertung in Höhe von 102 Mio. Euro. Später deckte Finanz-Szene.de auf, dass es laut testiertem Abschluss nur 47 Mio. Euro waren.
Sind das alles Einzelfälle, von denen jeder einzelne für sich genommen erklärbar ist? Mag sein. Für uns drängt sich in der Gesamtbetrachtung jedoch ein anderer, zugegebenermaßen durchaus schwerwiegender Verdacht auf: Kann es sein, dass die Düsseldorfer Sparkasse der Öffentlichkeit unterm Strich schon seit Jahren ein völlig falsches Bild von der eigenen Lage vermittelt?
Vergleichen Sie hierzu bitte den öffentlich präsentierten Vorsteuergewinn mit den tatsächlichen Ergebniszahlen seit 2014:
Quelle: Eigene Recherchen basierend auf Bilanz-PK-Unterlagen, Bundesanzeiger
Was sieht man? Erst die einfache Erklärung:
Gehen wir etwas tiefer ins Detail und dröseln die bis hierhin verwendeten Ergebniszahlen einzeln auf:
Unsere Recherchen werfen letztlich drei Fragen auf:
Eine denkbare Antwort: Das wird man spätestens dann sehen, wenn die Private-Equity-Erträge austrudeln, was bald der Fall sein dürfte. Eine andere mögliche Antwort (und das ist eine Antwort, die Finanzanalysten gerne geben): Wer wissen möchte, wie es um die Wirtschaftskraft einer nach HGB bilanzierenden Bank oder Sparkasse wirklich bestellt ist, der sollte auf die gezahlten Ertragssteuern achten. Als Faustregel gilt: Die Bilanzposition “Steuern vom Einkommen und vom Ertrag” sollte auf mittlere und lange Sicht etwas 30% des Vorsteuergewinns ausmachen.
Hier zeigt sich: Zumindest seit 2016 passt die Steuerleistung (die freilich immer auch Sondereffekten unterliegt) nicht mehr wirklich zu der alljährlich zur Schau gestellten Ertragskraft:
Eine weitere, maximal simple Methode, mehr über die Ertragskraft der Sparkasse Düsseldorf zu erfahren, ist es, sich einfach mal ganz platt die Entwicklung des Zinsüberschusses anzuschauen. Und zwar ohne Aktien, Beteiligungen und den ganz Private-Equity-Kram (also nur originäres Sparkassengeschäft):
Mithin ein Rückgang um 37% binnen fünf Jahren. Und wohlgemerkt: Wir reden hier nicht vom Zinsertrag (der angesichts der anhaltenden EZB-Niedrigzinspolitik kaum anders kann als zu sinken), sondern tatsächlich vom Zinsüberschuss (der auch die natürlicherweise gesunkenen Zinsaufwendungen berücksichtigt).
Frage: Wenn die Stadtsparkasse Düsseldorf ihren nach “betriebswirtschaftlicher Methode” ermittelten Gewinn für aussagekräftiger hält als ihr HGB-Ergebnis – warum sollten sie den dann nicht auch kommunizieren dürfen? Ja, so lässt sich argumentieren! Unserer Ansicht nach sollte in diesem Fall auf die Abweichungen zum HGB-Ergebnis aber spätestens dann hingewiesen werden, sobald die Zahlen derart auseinanderdriften, wie sie das in den letzten Jahren getan haben.
Hinzu kommt: Eine saubere Kommunikation der Bilanzzahlen impliziert unserer Ansicht nach auch eine gewisse Stringenz und Transparenz – denn nur dann sind die Zahlen für die Öffentlichkeit auch nachvollziehbar und vergleichbar (und zwar ohne dafür mehrere Urlaubstage zu opfern, wie das die Finanz-Szene.de-Redaktion im aktuellen Fall getan hat).
Wie jedoch geht die Sparkasse Düsseldorf vor?
Wir fürchten, dass die Stadtsparkasse Düsseldorf kein Einzelfall ist und werden uns (so wir die Zeit dazu finden) das Ganze in den nächsten Tagen noch einmal ein bisschen näher ansehen. Die drei größten deutschen Sparkassen allerdings haben wir uns gestern schon mal kurz angeguckt – und das sah, zumindest was die Nachvollziehbarkeit des kommunizierten Gewinns angeht, sauber aus:
Hinweis: Die Sparkasse Düsseldorf weist das Kernergebnis unserer Recherche – nämlich dass die Lage besser dargestellt wird als sie ist – zurück. Stattdessen betont ein Sprecher des Instituts, dass das erzielte Ergebnis vor Steuern “in den letzten Jahren immer eine signifikante Stärkung der Vorsorgereserven nach 340f und 340g ermöglicht” habe. Der Versuch, unsere Recherche-Ergebnisse auch in ihren Details mit der Sparkasse Düsseldorf zu besprechen, scheiterte trotz frühzeitiger und mehrmaliger Anfrage. Sollten wir mit unseren Berechnungen und Interpretation irgendwo danebenliegen, werden wir dies selbstverständlich korrigieren.