von Christian Kirchner, 27. Oktober 2021
Erinnern Sie noch an unseren gestrigen Newsletter? Plus, minus 1 Mrd. Euro Vorsteuergewinn (bereinigt um sämtliche Umbaukosten) hatten die Analysten der Deutschen Bank zugetraut. Es wurden dann sogar: 1,2 Mrd. Euro. Weil nicht nur die Investmentbank (+18%), sondern auch die beiden notorischen Sorgensparten, also die Private Bank (+22%) und die Corporate Bank (+29%), die Schätzungen deutlich übertrafen. Der nächste Feiertag für CEO Sewing und seinen Adjutanten von Moltke!!!, hätte man meinen können. Doch stattdessen: Endete der Tag mit einer ordentlichen Abreibung. Um 6,9% notierte die Deutsche-Bank-Aktie am Abend niedriger als am Vorabend.
Was, bitteschön, war denn da los? Die Zahlen.
Dazu kursierten gestern zwei Deutungen:
Die neue Marschroute der Deutschen Bank schält sich immer klarer heraus: Nicht mehr die Kosten sollen’s richten – sondern die Erträge.
Klar, diese Strategie ist riskant und verlangt die ein oder andere argumentative Wendung, zum Beispiel (siehe unsere Berichterstattung hier) hat der Vorstand ja das absolute Kostenziel aufgegeben, um sich stattdessen künftig an einem relativen Kostenziel (nämlich einer Cost-Income-Ratio von 70%) zu orientieren – von der man aktuell noch 19 (!) Prozentpunkte entfernt ist. Indes: Aufgehen kann die Strategie natürlich trotzdem.
Und, ja: Die Erträge haben in Q3 tatsächlich positiv überrascht. Bis auf die “Capital Release Unit” genannte Bad Bank haben alle Sparten Gewinn erwirtschaftet und – bis auf das Asset Management mit einer minimalen Verfehlung – die Erwartungen übertroffen …
… Die Richtung stimmt demnach. Zur Wahrheit gehört allerdings auch:
Momentan wächst die Deutsche Bank also in der Tat in Richtung ihrer Renditeziele (8% RoTE per 2022). Aber fraglich, ob das Momentum – allen voran im Investmentbanking – tatsächlich auch noch bis weit ins kommende Jahr hin anhält.
In der Medienmitteilung der Deutschen Bank zu den Q-Zahlen steckt satte 30-mal in verschiedenen Formen das Wort “bereinigt”. Der Sinn der Übung: Die “wahren” Kosten von den Umbaukosten (genauer: von den Aufwendungen für Restrukturierung und Transformation) zu trennen.
Nun ist dem Management aber dummerweise erst im September und zwei Jahre nach Strategieverkündung eingefallen (siehe -> Wie die Deutsche Bank sukzessive ihre Kostenziele verwässert), dass der Umbau noch mal 700 Mio. Euro mehr verschlinge als gedacht. Das mögen dann zwar keine “wahren” Kosten sein. Aber weg ist das Geld trotzdem. Zudem werden die Zahlen, die die Deutsche Bank ihren Investoren präsentiert, immer unübersichtlicher – was die Skepsis erhöht. Im Prinzip ringen inzwischen drei Kostendefinitionen um die Deutungshoheit:
Vergleicht man alle diese drei Kosten im abgelaufenen Quartal mal mit dem Vorjahresquartal, dem Vorquartal und den Analystenerwartungen (wobei ein “+” bedeutet, dass die Kosten über den Erwartungen lagen, also enttäuscht haben) …
… so zeigt sich: Unbereinigt verfehlt die Deutsche Bank ihre Vorjahreswerte und die Analysten-Erwartungen deutlich. Kein Wunder, dass bei manchen Investoren Erinnerungen an die Prä-Sewing-Ära wachwerden. Denn auch da fielen die Kosten regelmäßig zu hoch aus. Und auch damals wurde gern auf Einmalkosten (wie jetzt fürs BGH-Gebührenurteil oder für IT-Maßnahmen oder veränderte Büromieten) verwiesen, versehen mit dem Versprechen: Auf lange Sicht hilft’s doch.
In diesem Zusammenhang: Laut ursprünglicher Strategie wollte der Vorstand die Zahl der Vollzeitstellen bis Ende 2022 auf 74.000 reduziert haben. Aktueller Stand: Allein die “Kernbank” (also alle Einheiten außer der internen Bad Bank) wies per Ende Septeber 84.123 Stellen auf. Tendenz übrigens wieder steigend,. Denn im Q3 kamen saldiert (erstmals wieder) 743 Vollzeitstellen neu hinzu. Deutlicher wurde nie, dass es nun doch das Wachstum und nicht die Kosten richten sollen mit den Renditezielen.
Konzernweit ist der Zinsüberschuss (vor Risikovorsorge) von Juli bis September um 6% zum Vorjahresquartal gestiegen. Aus der Private Bank (-3%) und der Corporate Bank (-9%) kommt das Zinswunder aber explizit nicht. Woher dann?
“Wachstum im Kreditbuch”, “höhere Erträge aus unserem Investmentportfolio” und “sinkende Kosten in der Einlagenverzinsung” führte Finanzchef James von Moltke am Mittwoch an. Warum sich das dann nicht in der Entwicklung der beiden zinssensitivsten Sparten zeigt? Das erklärte er nicht.
Da die Deutsche Bank ihre Zinsüberschüsse jenseits der Private Bank und der Corporate Bank allerdings nicht im Detail ausweist, stehen wir vor einem Kuriosum:
Auf Nachfrage verweist ein Sprecher auf …
Mmmmh. Nicht nur kurios, sondern fast schon mysteriös – finden Sie nicht, liebe Leserinnen und Leser?
Es bleibt dabei: An ihren wesentlichen Zielen …
… hält die Deutsche Bank fest und sieht sich auf Kurs für sie. Doch die Analysten nehmen’s ihr nicht ab, am wenigsten die Eigenkapitalrendite-Ziele.
Pi mal Daumen wird die Deutsche Bank im kommenden Jahr – wie von ihr in Aussicht gestellt – Erträge in Höhe von grob 25 Mrd. Euro brauchen, um auch nur in die Nähe ihrer Rentabilitäts- und Effizienz-Ziele zu kommen. Da muss man es als Rückschlag werten, dass der Vorstand für dieses Jahr trotz florierenden Investmentbankings und starker Ertragszahlen im Q3 impliziert erst mit 24 Mrd. Euro kalkuliert (und so viel war’s letztes Jahr ja auch schon …).
Richten soll es nun (oder irgendwann) womöglich auch die Zinswende. Die Deutsche Bank hat gestern schon mal vorgerechnet: 100 Basispunkte höhere Zinsen brächten 0,7 Mrd. Euro mehr Gewinn im ersten Jahr nach der Zinswende (oder sagen wir vorsichtiger: Zinsbewegung) und 1,2 Mrd. Euro im zweiten.
Im Sommer galt eine solche Zinsbewegung noch als undenkbar. Nach den jüngsten Inflationsdaten ist sie zumindest nicht mehr völlig unwahrscheinlich.