von Bernd Neubacher , 29. Mai 2023
In unserem „Aufsichts- & Regulierungs“-Ticker verfolgen wir die alltäglichen Scharmützel zwischen der Bafin und den deutschen Banken (und Fintechs!) – und darüber hinaus berichten wir, wie sich die regulatorischen Rahmenbedingungen für die Branche entwickeln.
Hier unser Ticker mit sämtlichen Meldungen aus April und Mai:
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Die Bafin war am Dienstag, den 9. Mai, von einem mittelschweren Stromausfall betroffen. Ursache: Eine missratene Überprüfung der Notstromversorgung. Wirkung: Die Mitarbeiter waren zeitweise weder telefonisch noch per Mail erreichbar, und auf die IT-Systeme konnten die Beschäftigten auch nicht zugreifen. Nun können solche Sachen natürlich vorkommen. Allerdings: Ist es nicht gerade die Bafin, die bei den Banken peinlich genau darauf achtet, dass genau solche Sachen eben nicht vorkommen? Einzelne Anwendungen und Fachverfahren jedenfalls funktionierten am frühen Abend immer noch nicht wieder. Man arbeite „mit Hochdruck“ an der vollständigen Wiederherstellung der IT-Systeme, teilten die Aufseher mit.
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Die Bafin hat sich im vergangenen Jahr offenbar sehr viel intensiver an der deutschen Bankenbranche abgearbeitet als bislang bekannt. So geht aus dem am Dienstag veröffentlichten Tätigkeitsbericht der Behörde hervor, dass es 2022 zu insgesamt 873 aufsichtlichen „Maßnahmen” gemäß KWG in den Problemfeldern „Eigenmittel“, „Liquidität“ und „Großkreditobergrenzen“ gekommen ist – verglichen mit dem Vorjahr, als es nur 82 dieser „Maßnahmen“ gab, eine Steigerung um mehr als den Faktor 10. Mit insgesamt 521 Fällen waren die genossenschaftlichen Banken (von denen es freilich auch besonders viele gibt) am stärksten betroffen. Es folgten Sparkassen (242) und Kreditbanken (66).
Nun hinkt der direkte Vorjahresvergleich zwar insofern, als es 2021 außergewöhnlich wenige Maßnahmen waren (2020 hatte es noch 362 „Maßnahmen“ gegeben, im Jahr davor sogar 574). Erstaunlich bleibt die Zunahme allerdings trotzdem. Zumal: Vergangenes Jahr hatte die Bafin noch erklärt, die Zahl der Maßnahmen gemäß KWG korreliere „üblicherweise mit der Zahl der Sonderprüfungen, da diese eine wesentliche Erkenntnisquelle für Mängel sind“. Ausgerechnet die Zahl der Sonderprüfungen blieb mit 115 allerdings auf dem vergleichsweise niedrigen Niveau des Vorjahres, als die Bafin in 106 Fällen einen Prüftrupp in Banken bzw. Sparkassen entsandt hatte. Zwei mutmaßliche Gründe für das wilde Ab und Auf bei der Zahl der „Maßnahmen“: 1.) Im vergangenen Jahr ließ die Bafin ihre regulatorischen Corona-Erleichterungen auslaufen. 2.) Zudem holten die Aufseher zuletzt Kapitalfestsetzungen nach, die wegen Pandemie ausgesetzt worden waren.
Nach den milliardenschweren Abschreibungen in den Eigenanlagen von Banken und Sparkassen nimmt die Bafin nun einige Institute enger an die Kandare. Hintergrund: Aufgeschreckt durch die „Depot A“-Verluste hatte die Finanzaufsicht vor Weihnachten kurzentschlossen eine branchenweite Ad-hoc-Umfrage zum Thema gestartet (siehe unser damaliger Scoop -> Bafin schaltet in Alarm-Modus und befragt 1.500 hiesige Banken zu Zinsrisiken). Im Mittelpunkt der Erhebung standen mögliche Drohverlust-Rückstellungen.
Mittlerweile habe “eine überschaubare Anzahl von Instituten die Notwendigkeit der Bildung einer Drohverlust-Rückstellung” gemeldet, erklärt die Bafin nun auf Anfrage. “Gerade mit Blick auf die Risiken aus dem abrupten Zinsanstieg“ würden diese Institute nun „eng begleitet”. Wie dieses enge Begleitung konkret aussieht, bleibt allerdings unklar. Theoretisch reicht die Spanne möglicher Konsequenzen von höheren Kapital-Anforderungen bis hin zum Neugeschäftsverbot oder gar zur Abberufung von Geschäftsleitern.
Eine andere Frage ist, wie wertvoll die zum Jahreswechsel erhobenen Daten rund fünf Monate später überhaupt noch sind. Schließlich sind zum einen die Zinsen weiter gestiegen, der EZB-Leitzins erst letzte Woche auf nunmehr 3,75% (und der Zinsanstieg war ja der wesentliche Auslöser der „Depot A“-Verluste); und zum zweiten verkomplizieren die Havarie von Credit Suisse und Silicon Valley Bank sowie die jüngsten Sorgen um diverse US-Regionalbanken die Situation zusätzlich. Gut möglich, dass die Bafin längst an neuen Berechnungen zu den Folgen der Zinswende tüftelt.
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Der Fall des wegen angeblichen Insiderhandels verurteilten Fondsmanagers der Union Investment wird nach einer Entscheidung des Bundesgerichtshofs noch einmal aufgerollt. Grund sei ein Verfahrensfehler: Die Listen über die getätigten Aktiengeschäfte seien „in der Hauptverhandlung nicht förmlich verlesen oder eingeführt“ worden. Das Frankfurter Landgericht hatte den bekannten Manager sowie einen mitangeklagten Banker Ende 2021 schuldig gesprochen, sich durch „Frontrunning“ bereichert zu haben. Der Union-Mann wurde nicht nur zu einer Haftstrafe von dreieinhalb Jahren verurteilt, sondern sollte auch rund 45 Mio. Euro zahlen. AFP (via Yahoo)
Und, liebe Leserinnen und Leser, was machen Ihre Glieder? Sitzt der Schreck noch drin? Weil: Jetzt, wo die Ostertage nahen, mancherorts schon Ferien sind und draußen allen Ernstes die Sonne scheint, mag man das mit dem Bankenbeben ja fast schon wieder für einen bösen Traum halten. Doch so war es nicht! Die Credit Suisse ist untergegangen. Die Deutsche Bank hat gewackelt. Alles ganz real. Und es stellen sich zwei Fragen: Ist’s wirklich schon vorüber? Und was sind die Lehren? Fest steht zumindest so viel: Die Deutsche Bank ist jetzt grosso modo ein Fünftel weniger wert als noch im Februar, als sie sich für 5 Mrd. Euro Nettogewinn und 9,4% EK-Rendite feiern ließ. Und bei der Commerzbank – ist’s nicht viel anders. Eben noch Dax-Euphorie. Jetzt die bange Frage, inwieweit ein vorschnelles Ende der Zins-Rallye die Gewinnaussichten eintrübt. Plus: Was droht jetzt in puncto Regulierung? Denn: Selbst, wenn das Beben vorüber sein sollte, werden Politik und Aufsicht ja irgendwelche Konsequenzen ziehen. Sei es beim Kapital. Sei es bei der Liquidität. Sei es in Sachen „Too big to fail“. Jede Menge Stoff also für den Monats-Podcast mit unseren Frankfurter Redakteuren Bernd Neubacher und Christian Kirchner. Und, keine Bange, jenseits des Bankenbebens war auch noch ein bisschen Zeit für 2-3 weitere Themen. Auf geht’s: Finanz-Szene (frei zugänglich)
Es ist Bankenkrise da draußen. In den USA sind bereits zwei Institute umgefallen; in der Schweiz wird die Credit Suisse in die UBS hineinfusioniert; und hierzulande stehen zumindest die Menschen am Finanzplatz Frankfurt immer noch unter dem Eindruck des Deutsche-Bank-Crashs am vergangenen Freitag. Und nun – sieht es so aus, als könnte die hiesige Kreditwirtschaft ausgerechnet in dieser hochsensiblen Gemengelage gewissermaßen den Jackpot knacken. Doch der Reihe nach: Schon seit Monaten wird in Berlin um gut 2 Mrd. Euro gerungen, welche die deutschen Banken zwischen 2011 und 2014 in den Restrukturierungs-Fonds eingezahlt hatten – also in jenes nationale Notfall-Vehikel, das damals überflüssig wurde, als auf europäischer Ebene die Gründung eines europaweiten Bankenabwicklungs-Fonds („Single Resolution Fund“, kurz: SRF) beschlossen wurde. Trotzdem hielten Bafin und Bundesbank das einmal eingesammelte Geld jahrelang zurück. Weil: Man weiß ja nie. Oder weniger flapsig: Man wollte gewappnet sein für den Fall, dass eine deutsche Bank in Schieflage gerät, die Mittel des im Aufbau befindlichen „Single Resolution Funds“ aber nicht ausreichen. Inzwischen allerdings: Steht der europaweite SRF kurz davor, sein Zielvolumen von 80 Mrd. Euro zu erreichen – womit die exakt 2,239 Mrd. Euro aus nationalen Fonds ausgekehrt werden können. Doch an wen? Die Banken? Oder die öffentliche Hand? Bislang schien diese Frage völlig offen. Diese Woche jedoch hat sich das Finanzministerium laut exklusiven Informationen von Finanz-Szene unerwartet deutlich auf die Seite der Kreditwirtschaft geschlagen. Hier die Details: FS Premium
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