von Bernd Neubacher und Christian Kirchner, 1. April 2023
In unserem „Aufsichts- & Regulierungs“-Ticker verfolgen wir die alltäglichen Scharmützel zwischen der Bafin und den deutschen Banken (und Fintechs!) – und darüber hinaus berichten wir, wie sich die regulatorischen Rahmenbedingungen für die Branche entwickeln.
Hier unser Ticker mit sämtlichen Meldungen aus dem Februar und März:
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Es ist Bankenkrise da draußen. In den USA sind bereits zwei Institute umgefallen; in der Schweiz wird die Credit Suisse in die UBS hineinfusioniert; und hierzulande stehen zumindest die Menschen am Finanzplatz Frankfurt immer noch unter dem Eindruck des Deutsche-Bank-Crashs am vergangenen Freitag. Und nun – sieht es so aus, als könnte die hiesige Kreditwirtschaft ausgerechnet in dieser hochsensiblen Gemengelage gewissermaßen den Jackpot knacken. Doch der Reihe nach: Schon seit Monaten wird in Berlin um gut 2 Mrd. Euro gerungen, welche die deutschen Banken zwischen 2011 und 2014 in den Restrukturierungs-Fonds eingezahlt hatten – also in jenes nationale Notfall-Vehikel, das damals überflüssig wurde, als auf europäischer Ebene die Gründung eines europaweiten Bankenabwicklungs-Fonds („Single Resolution Fund“, kurz: SRF) beschlossen wurde. Trotzdem hielten Bafin und Bundesbank das einmal eingesammelte Geld jahrelang zurück. Weil: Man weiß ja nie. Oder weniger flapsig: Man wollte gewappnet sein für den Fall, dass eine deutsche Bank in Schieflage gerät, die Mittel des im Aufbau befindlichen „Single Resolution Funds“ aber nicht ausreichen. Inzwischen allerdings: Steht der europaweite SRF kurz davor, sein Zielvolumen von 80 Mrd. Euro zu erreichen – womit die exakt 2,239 Mrd. Euro aus nationalen Fonds ausgekehrt werden können. Doch an wen? Die Banken? Oder die öffentliche Hand? Bislang schien diese Frage völlig offen. Diese Woche jedoch hat sich das Finanzministerium laut exklusiven Informationen von Finanz-Szene unerwartet deutlich auf die Seite der Kreditwirtschaft geschlagen. Hier die Details: FS Premium
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Was wäre wohl der Schnack, wenn die UBS-Aktie nach der Übernahme der Credit Suisse um 30% gefallen wäre? Oder um 30% gestiegen? Der ohnehin grenzwertige Deal, den die Schweizer Behörden im März an einem Wochenende durchgesetzt haben – es wäre endgültig delegitimitiert. Denn in dem einen Fall würde es nun heißen, Regierung, Notenbank und Finanzaufsicht hätten die UBS in einen desaströsen Deal gezwungen. Und in dem anderen, die eidgenössische Politik hätte sich von der überlebenden der beiden Zürcher Großbanken über den Tisch ziehen lassen. Stattdessen: Sackte die UBS-Aktie in der allgemeinen Nervosität zwar kurzfristig um 16% ab, erholte sich dann aber wieder und notierte zum Handelsschluss an Tag eins nach dem Deal mit 17,33 Franken grob auf dem Niveau von davor. Weshalb das Resümee lauten darf: 1.) Auch wenn die Umstände der Zwangsfusion von UBS und Credit Suisse umstritten bleiben – zumindest billigt der Markt den Konditionen des Deals eine gewisse Angemessenheit zu. Und 2.) Die Bankenwelt mag nach diesem März zwar eine andere sein – aber immerhin steht sie noch. Die Credit-Suisse-Krise nämlich griff, anders als befürchtet, nicht auf andere europäische Großbanken über. Und selbst die Kurse der AT1-Anleihen (sogar jener der UBS!!!) konnten sich nach herben Verlusten am Morgen einigermaßen behaupten – wozu eine Mitteilung beitrug, in der die EZB-Bankenaufsicht klarstellte, dass Nachrang-Anleihen in der Haftungskaskade auch weiterhin den Vorrang vor den Aktionären haben. Alles wieder gut also? Gemach, gemach – die Lage bleibt in höchstem Maße fragil. Lesen Sie hier: Acht Gründe, warum sich die Aufseher dieser Tage so schwertun, die neue Bankenkrise zu meistern. FS Premium
… dass die Bafin bei dem Versuch gescheitert ist, einen Mitarbeiter, der an insgesamt 816 Tagen zu spät zur Arbeit gekommen war, aus dem Beamtenverhältnis entfernen zu lassen? In den ersten beiden Instanzen bekam die Behörde zwar Recht – das Bundesverwaltungsgericht allerdings hat die Urteile jetzt aufgehoben. (FAZ)
Die Bundesbank vermeldet, dass sich innerhalb ihres Vorstands die Zuständigkeit für Bankenaufsicht wechselt: Es übernimmt per 1. April die bislang für Daten und Statistik zuständige Vizepräsidentin Claudia Buch – ein Schritt, der ihre Chancen, Andrea Enria zum Jahreswechsel an der Spitze der EZB-Bankenaufsicht abzulösen, zumindest nicht verschlechtern dürfte. Für Joachim Wuermeling, der bisher im Bundesbank-Vorstand die Bankenaufsicht verantwortete, ist derweil eine Anschlussverwendung gefunden: Bis Jahresende tauscht er mit Buch das Ressort – danach wechselt er als Mitglied des Lehr- und Forschungsteams an die Berliner Wirtschaftshochschule ESMT.
Krise der türkischen Banken in Deutschland: Eurocity ist Bafin-Lizenz los
Wechselt ein Wertpapierkunde von einem Anbieter zum nächsten, geht das heute deutlich schneller als noch vor zwei Jahren. Wie eine Untersuchung der Bafin bei insgesamt zehn Banken und Brokern ergab, lag die durchschnittliche Wartezeit für den „Depotübertrag“ im Q3 2022 bei nur noch knapp 6 Tagen – während es 2020 noch rund 11 Tage gewesen waren. Seinerzeit hatte der Trading-Boom die Zahl der Depot-Eröffnungen in die Höhe getrieben. Viele Kunden beschwerten sich, die Übertragung ihrer Wertpapiere würde absichtlich verschleppt – die Bafin knöpfte sich damals konkret Flatex vor (siehe hier unsere damalige Berichterstattung).
Als Reaktion auf die Beschwerden legt die Bafin vor einem Jahr ein konkretes Zeitlimit für Depotüberträge vor. Demnach soll der Transfer der Wertpapiere spätestens nach drei Wochen abgeschlossen sein. Aufträge mit einer längeren Bearbeitungsdauer hätten im dritten Quartal 2022 nicht einmal 2% ausgemacht, heißt es nun im „Bafin-Journal“. Dies sei das niedrigste Niveau im dreijährigen Betrachtungszeitraum der Untersuchung. Zugleich seien über 90% der Aufträge innerhalb von zehn Tagen erledigt worden.
Die Abwicklungspläne deutscher Banken lassen nach Ansicht der Bafin zu wünschen übrig. Hintergrund: Die Aufseher hatte der Kreditwirtschaft vor zwei Jahren aufgetragen, in sogenannten „Playbooks“ zu beschreiben, wie sie im Krisenfall Vorbereitungen treffen, um Gläubiger an Verlusten zu beteiligen („Bail-in“) – und wie sie diese im Falle einer Abwicklung umsetzen würden. Nun zeigt sich die Finanzaufsicht nach einer Stichprobe zwar teilweise zufrieden mit der Umsetzung der Vorgaben, allerdings macht sie “signifikante Qualitätsunterschiede” in den Drehbüchern aus.
Defizite orten die Aufseher speziell bei den Offenlegungspflichten – also in der Frage, wie und mit welchen Fristen Banken in einer Krisensituation marktrelevante Sachverhalte kommunizieren und wie sie etwa Insider-Informationen steuern. Diese Pflichten zu erfüllen, ist besonders komplex, wie die Bafin einräumt. Denn auf der einen Seite erfordern die regulatorischen und gesetzlichen Regeln ausreichend Zeit zur Vorbereitung einer Abwicklung. Auf der anderen Seite sieht die Marktmissbrauchsrichtlinie zugleich eine möglichst hohe Markttransparenz vor. Als nationale Abwicklungsbehörde ist die Bafin für die Planung jener Häuser zuständig, die nicht als bedeutende Institute in die Zuständigkeit der EU-Abwicklungsbehörde SRB fallen.
Dauer-Knatsch mit der EZB. Was läuft da eigentlich schief bei der Helaba?
Dass der Frankfurter Online-Broker reichlich Ärger mit der Aufsicht hat, das wusste man ja schon. Schließlich hatte Flatex dies Anfang Dezember in einer Pflichtmitteilung selber eingeräumt – und in dem Zuge dessen auch einen weitreichenden Vorstandsumbau angekündigt (siehe unsere damalige Berichterstattung). Insofern erstaunt, welche Spuren die nun nachgereichte, sozusagen offizielle Bafin-Mitteilung am Freitag dann doch nach sich zog. Die Flatex-Aktie verlor nämlich 9% und notierte am Abend mit 7,07 Euro nur noch unwesentlich über dem Dreijahrestief von 5,29 Euro. Zur Einordnung: Auf dem Höhepunkt des Trading-Booms 2021 waren die Papiere fast 30 Euro wert gewesen.
Konkret trägt die Bafin dem Retail-Broker auf, „schwerwiegende Mängel“ sowohl im internen Kontrollsystem als auch im aufsichtlichen Meldewesen sowie in der Geldwäscheprävention zu beseitigen. Zudem verhängen die Aufseher ein Bußgeld von gut 1 Mio. Euro, erlassen höhere Anforderungen ans Eigenkapital und den schicken den Frankfurtern einen Sonderbeauftragten ins Haus, der die Umsetzung der Maßnahmen überwachen soll. Auf Nachfrage erklärte ein Flatex-Sprecher, man empfinde den Sonderbeauftragten als „hilfreich“, um „von Anfang an eine enge Begleitung der Projekte zu gewährleisten und nicht erst auf eine übliche Nachschauprüfung in 12-24 Monaten zu warten.“
Wieder mal eine Meldung, die tief blicken lässt: Dass viele unserer Banken kleine Sauställe sind, denen es an der „ordnungsmäßigen Geschäftsorganisation“ gebricht (wie die Bafin wieder und wieder moniert) – daran haben wir uns ja gewöhnt. Von neuer Qualität allerdings scheint uns jene Rüge zu sein, welche die Aufsicht gestern gegen die hiesige Niederlassung der ABN Amro ausgesprochen hat. Darin nämlich wird lapidar bemängelt, „dass die Geschäftsleitung keinen angemessenen Zugang zum Compliance-Bericht für das Geschäftsjahr 2019 hatte“. Angesichts solch drolliger Vorkommnisse wünscht man sich fast, die Bafin würde ihre Maßnahmen in Form kleiner Theaterstücke veröffentlichen. Etwa so:
DRITTER AUFTRITT
Prüfer. Geschäftsleiter.
P r ü f e r (freudlich): Und dann würden wir noch gern einen Blick in Ihren Compliance-Bericht werfen.
G e s c h ä f t s l e i t e r (verwirrt): Ähhh?
P r ü f e r (verwundert): Ihr Compliance-Bericht. Für das abgelaufene Geschäftsjahr.
G e s c h ä f t s l e i t e r (nervös). Jaja, ich weiß, aber – ähhh. Ich muss mal eben bei meiner Sekretärin … (Verlässt den Raum, kommt nach ungefähr 40 Minuten zurück.) … Ähhh, ehrlich gesagt weiß hier gerade niemand, wo der Compliance-Bericht …
P r ü f e r (aus allen Wolken fallend): Das ist jetzt nicht Ihr Ernst, oder?
G e s c h ä f t s l e i t e r (verzweifelt): Doch, leider schon. Fragen Sie mich bitte nicht, wie das passie…
P r ü f e r (mit erhobenem Zeigefinger, dem Geschäftsleiter brüsk das Wort abschneidend): Daaas wird Konsequenzen haben!
Im Fall der ABN Amro Bank N.V. Frankfurter Branch (f.k.a. Bethmann Bank) sieht die Konsequenz jetzt so aus, dass das Institut eine durchaus empfindliche Geldbuße von 3 Mio. Euro zu zahlen hat. Denn, so erklärt es die Bonner Behörde in ihrer gestrigen Bekanntmachung: „Wenn die Geschäftsleitung nicht angemessen informiert wird, etwa durch einen Compliance-Bericht, kann die Bafin dies mit einer Geldbuße ahnden. Die beträgt maximal fünf Millionen Euro oder bis zu zehn Prozent des Gesamtumsatzes.“
Niederlage für deutsche Banken – EZB unterstützt Instant-Payments-Pflicht
Von DZ Bank bis Helaba – was die neuen SREP-Vorgaben für unsere Banken bedeuten
BIP? Minus 6%! Was vom diesjährigen Banken-Stresstest zu halten ist
Dass der „Bank Lending Survey“, also die vierteljährliche Kreditbefragung der Bundesbank, einen krassen Einbruch in der privaten Baufinanzierung dokumentieren würde – soviel stand ja schon vorher fest (für die Connaisseure: Der Indexwert fiel auf beispiellose „minus 97“). Der deutlich größere Schock: Auch im Firmenkundengeschäft berichten Banken und Sparkassen inzwischen von einem dramatischen Rückgang der Kreditnachfrage. FS Premium
Alle News rund um Aufsicht und Regulierung aus Dezember und Januar
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