"Aufsichts- und Regulierungs"-Ticker

Sämtliche „Aufsichts- und Regulierungs“-News aus Juli und August 2024

In unserem „Aufsichts- & Regulierungs“-Ticker verfolgen wir die alltäglichen Scharmützel zwischen der Bafin und den deutschen Banken (und Fintechs!) – und darüber hinaus berichten wir, wie sich die regulatorischen Rahmenbedingungen für die Branche entwickeln. 

Hier unser Ticker mit sämtlichen Meldungen aus dem Juli und August 2024:

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Bundesregierung will Millionenkredit-Grenze im Meldewesen schleifen

Eigentlich hatten Bundesbank und Bafin schon vor zwei Jahren die Abschaffung des deutschen Millionenkredit-Meldewesens per Ende 2023 angeregt – schließlich gibt es seit 2018 das EZB-Kreditregister Anacredit, das weitenteils dieselben Daten erhebt. Bald jedoch bekamen die Aufseher offenkundig Angst vor der eigenen Courage. Jedenfalls eröffneten sie im Frühjahr letzten Jahres der deutschen Kreditwirtschaft, das Ziel einer Abschaffung könne „nicht aufrechterhalten werden“. Hintergrund: Die Aufseher hatten Zweifel beschlichen, ob sie auf die Meldungen tatsächlich würden verzichten können (siehe unseren damaligen Scoop –> Bafin und Buba verschieben Abschaffung des Millionenkredit-Meldewesens). Nun allerdings sieht es ganz so aus, als finde sich doch noch eine Lösung, und zwar im Referentenentwurf für das zweite Zukunftsfinanzierungs-Gesetz, aus dem das „Handelsblatt“ (Paywall) zitiert. Der Kompromiss zwischen den Anforderungen der Aufseher und dem Wunsch der Banken nach Entbürokratisierung scheint dabei salomonisch auszufallen: Die Banken sollen ihre Kredite künftig nicht mehr ab einem Volumen von 1 Mio. Euro, sondern erst ab 2 Mio. Euro melden. Laut dem Referentenentwurf wird eine Kostenentlastung der Institute von gerade mal 3,75 Mio. Euro jährlich erwartet – branchenweit.

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Kurz getickert

  • Für die rund 40.000 Anlageberater bei Banken und Sparkassen könnten demnächst umfangreiche Melde- und Anzeigepflichten entfallen. Ein Referenten-Entwurf des Finanzministeriums zum zweiten Zukunftsfinanzierungs-Gesetz sieht unter anderem vor, das sogenannte Bafin-Register abzuschaffen. Diesem müssen Banken und Wertpapierinstitute bislang ihre wesentlichen Funktionsträger und auch ihre Kundenbeschwerden melden.
  • Das Finanzministerium will den Kündigungsschutz für Spitzenverdiener im Bankgewerbe lockern. Bei systemrelevanten Instituten gelten entsprechende Regeln heute schon – künftig sollen diese auch bei kleineren Banken und Sparkassen sowie bei sonstigen Finanzdienstleistern angewendet werden. HB (Paywall)

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Comdirect vs. Scalable: Wie die EBA den Wertpapierkredit-Markt spaltet

Die Comdirect und Wertpapierkredite, das ist, nun ja, vielleicht keine never ending story, aber doch eine Fortsetzungsgeschichte, wenn auch eine zunehmend rätselhafte. Eine Geschichte zumal, die laut Recherchen von Finanz-Szene inzwischen weit über die Comdirect hinausreicht und viel über die Unwägbarkeiten der EU-Regulierung und die daraus resultierenden Unsicherheiten in den Banken erzählt. Zur Erinnerung: Anfang 2023 berichteten wir über ein Gerichtsurteil, demzufolge die Comdirect unrechtmäßig gehandelt hatte, als sie Wertpapiere eines Kunden zwangsliquidierte, um einen Wertpapierkredit abzusichern (siehe –> „Margin Call“-Schlappe der Comdirect – dieses Urteil erschwert das Brokerage). Einige Monate später berichteten wir dann, dass die Quickborner Direktbank von allen Kunden mit einem Wertpapierkredit plötzlich einen Einkommens- und Vermögensnachweis einforderte (siehe –> Der seltsame Kurswechsel der Comdirect im Geschäft mit Wertpapier-Krediten). Die bis dato übliche Praxis, einen Wertpapierkredit schlicht auf Basis gehaltener Wertpapiere anzubieten, wurde abgeschafft. Aber nicht etwa, weil sich die Comdirect davon bessere Geschäfte versprach. Sondern weil es dem Brokerage-Spezialisten der Commerzbank „wichtig ist, den regulatorischen und verbraucherschutzrechtlichen Anforderungen zu entsprechen“, wie es seinerzeit in einer Stellungnahme gegenüber Finanz-Szene hieß. Die Sache ist nun aber, dass die Comdirect mit diesem Vorgehen ziemlich allein steht. Andere Anbieter betreiben das Wertpapierkredit-Geschäft bis heute mehr oder weniger so, wie sie es immer betrieben haben (oder sie wagen sich, wie Scalable Capital, gerade jetzt mit Verve hinein in das Geschäft). Wie kann das sein? Gelten die regulatorischen und rechtlichen Anforderungen, auf die sich die Comdirect beruft, für andere Banken, Broker und Fintechs etwa nicht? Unsere Recherche: FS Premium

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Kurz getickert

  • Die Bafin hat am Dienstag eine Razzia gegen Betreiber nicht von ihr genehmigter Krypto-Automaten lanciert. Begründung: Es handele sich  „um gewerbsmäßigen Eigenhandel oder ein Bankgeschäft“. Mithilfe von BKA und Polizei wurden die Aufseher an bundesweit 35 Standorten vorstellig; 13 Automaten wurden beschlagnahmt. Mitteilung

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Leiden Banken und Sparkassen womöglich an einem ESG-Overkill?

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Serie (#4): Diese 40 ESG-Regularien sollten unsere Banken kennen

Als das mit ESG losging vor ein paar Jahren, da dachte man, das neue Kürzel stünde nicht nur für Environmental, Social & Governance – sondern auch für Win, Win, Win. Die Finanzbranche bekam ein schmuckes neues Vertrieb-Thema. Die Regulierer hatten wieder was zu regulieren (in dieser Hinsicht tickt so ein Regulierer ja nicht anders als, sagen wir, ein Bäcker, der am glücklichsten dann ist, wenn er was zu backen hat). Und als kleinen Kollateraleffekt rettete man auch noch die Welt. Nicht schlecht, oder? Und, ähh, wie blickt man heute auf das Thema? Nun ja: Mal ganz abgesehen davon, dass es um die Rettung der Welt schon mal besser bestellt war, ist die große ESG-Euphorie verflogen. In der Finanzbranche sowieso. Aber in gewisser Weise auch bei den Regulierern. Als Wegscheide entpuppte sich zumindest hierzulande die Greenwashing-Affäre der DWS. Denn da merkte die Branche plötzlich: Upps, ESG hat ja nicht nur Upside – sondern gegebenenfalls auch mächtig Downside. Zugleich aber (so wird es uns jedenfalls geschildert) blickt auch mancher Regulierungsmensch inzwischen mit einem gewissen Unbehagen auf das Thema. Im Sinne von: Was machen wir hier eigentlich? Wem nützt das?? Und ist es möglicherweise zu viel des Guten??? Was aus dieser Gemengelage folgt, lässt sich noch schwer abschätzen. Unser Eindruck: Regulierer und Aufseher sind momentan tatsächlich eher zurückhaltend, was konkrete Eingriffe in das operative Geschäft angeht. Parallel allerdings – wird trotzdem weiter fleißig reguliert, zumindest in dem Sinne, dass die Banken geradezu versinken in Unmengen von ESG-Richtlinien, ESG-Verordnungen, ESG-Initiativen, ESG-Leitlinien, ESG-Roadmaps, ESG-Leitfäden, ESG-Merkblättern etc. pp. … Damit Sie trotzdem nicht den Überblick verlieren, liebe Leserinnen und Leser, haben wir im dritten Teil unserer ESG-Serie die rund 40 vielleicht wichtigsten Regelpakete einfach mal für Sie aufgelistet. Hier entlang: FS Premium

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(Einzelne) Banken können auf Rückzahlung von SRB-Beiträgen hoffen

Die Sparkasse Köln-Bonn hat einen juristischen Erfolg gegen die europäische Abwicklungsbehörde SRB errungen. Hintergrund: Im Jahr 2022 hatte das Single Resolution Board von Europas Banken insgesamt Beiträge im Umfang von rund 14 Mrd. Euro eingefordert– was über die definierte jährliche Obergrenze von 12,5% des SRB-Zielvolumens deutlich hinausging (das nämlich wären nur rund 10 Mrd. Euro gewesen). Schon im April hatte der Europäische Gerichtshof einer Beschwerde der belgisch-französische Dexia bezüglich der Beitragshöhe stattgegeben, siehe die entsprechende EuGH-Mitteilung hier. Wie aktuell nun die „BÖZ“ (Paywall) berichtet, hat die Sparkasse Köln-Bonn ebenfalls geklagt – und ebenfalls Recht bekommen. Nach jetzigem Stand werden die klagenden Institute (mindestens auch: die Sparkasse Essen; wer sonst noch dazugehört, ist unklar) die zu viel gezahlten Beiträge erst einmal zurückbekommen. Offen scheint zu sein, was mit den sonstigen Banken ist und wie etwaige Löcher gestopft werden.

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Kurz getickert

  • Die Bafin knöpft sich erneut die Citigroup in Frankfurt vor – diesmal trifft es allerdings nicht die Europa-Einheit (die ja im Mai wegen ihres „Flash Crashs“ zu 13 Mio. Euro Bußgeld verdonnert wurde), sondern die unter anderem für IT-Dienste zuständige Citibank N.A. Für diese ordnet die Aufsicht aufgrund von IT-Mängeln die „Sicherstellung der ordnungsgemäßen Geschäftsorganisation“ an.
  • Im Juni berichteten wir exklusiv über eine Bafin-Sonderprüfung bei der Investitions- und Strukturbank Rheinland-Pfalz – nun hat die Finanzaufsicht das Ergebnis veröffentlicht: Wegen Mängeln in der IT-Auslagerung muss das Förderinstitut zusätzliche Eigenmittel vorhalten. (Mitteilung
  • Immer mehr deutsche Fintechs lassen sich – statt von der Bafin – lieber von ausländischen Aufsichtsbehörden lizenzieren. Jüngstes Beispiel ist der Berliner „Buy now, pay later“-Spezialist Mondu, dessen niederländische Einheit „Mondu BV“ eine E-Geld-Lizenz der niederländischen Zentralbank DNB erhalten hat und die Lizenz nun per Passporting EU-weit nutzen will. Finance Fwd  
  • Im Wirecard-Skandal geht die StA München gegen zwei weitere Ex-Vorstände vor – nämlich CFO Alexander von Knoop und Produktchefin Susanne Steidl, denen sie jeweils Untreue vorwirft. (Reuters, via MM)

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Von Deutsche Bank bis GLS Bank – die ESG-Ziele unserer Banken im Überblick

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Sommer-Serie (#1): Was auf unsere Banken bei ESG konkret zukommt

Eine „Sommer-Serie“ zu ESG – echt jetzt? Zugegeben, auf den ersten Blick ein furchtbar sperriges Thema, das wir uns da ausgesucht haben (verglichen etwa mit dem bestens flutschenden Thema der letztjährigen „Sommer-Serie“). Allerdings: ESG ist halt nicht nur furchtbar sperrig. Sondern auch furchtbar relevant. Und vielleicht sind die Dinge ja gar nicht so kompliziert, wie man immer meint. Kleine Anekdote: Neulich weilte der Vorstandschef einer großen deutschen Bank in unserem Frankfurter Büro zum Hintergrundgespräch. Als es irgendwann um ESG ging, da schnappte er sich einen Stift und ein Blatt Papier und begann, eine Achsen-Grafik zu zeichnen. Die X-Achse: bildete die RWA ab. Die Y-Achse: war der CO2-Ausstoß. Und dann deutete der Vorstandschef mit dem Stift im Feld, das die beiden Achsen aufspannten, nach links unten und sagte, das sei der Bereich, in den jetzt alle Banken hineinwollten. Sprich zu Kreditnehmern mit wenig Emissionen und einer (entsprechend) günstigen Risikogewichtung. Wie Dienstleister. Software-Unternehmen. Wind- und Solarkraftproduzenten. Dann jedoch – zeigte der Vorstandschef mit dem Stift nach oben rechts und raunte einfach nur zwei Wörter: „schwäbische Zementfabrik.“ Womit eigentlich alles gesagt war. Denn: Natürlich hat ESG unzählige Facetten, im CIB-Geschäft andere als im Retailbanking und im Retailbanking andere als im Asset Management. Allerdings: Wer ESG möglichst weit herunterbrechen will, für den ist die am Ende vielleicht wichtigste Frage eine zugleich simple: Was wird aus dem Geschäft, dass Banken und Sparkassen heute noch mit der „schwäbischen Zementfabrik“ und vergleichbaren Unternehmen machen? Legen wir also los mit unserer „Sommer-Serie“ zum Thema ESG – mit insgesamt sechs Teilen, locker verteilt über diese und die kommende Woche. Natürlich wird es nicht nur um die „schwäbischen Zementfabrik“ gehen. Aber sie ist sozusagen unser gedanklicher Ausgangspunkt, auch in unserem heutigen ersten Teil, in dem wir uns zunächst der grundsätzlichen Frage widmen wollen, was im Zuge der ESG-Regulierung konkret zukommt auf Banken und Sparkassen und was die Konsequenzen sind. Bitte sehr: FS Premium

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Kurz getickert

  • Die Bafin hat die hiesige BNP Paribas wegen Verstößen im Wertpapier-Geschäft zu einer Geldbuße in Höhe von 830.000 Euro verdonnert. (Bafin-Mitteilung
  • Die inzwischen auch in Deutschland rasant wachsende Londoner Neobank Revolut (die laut „WSJ“/Paywall bei ihrem aktuellen „Secondary“ übrigens eine 45-Mrd.-Dollar-Bewertung durchsetzen dürfte) gerät in den Fokus der EZB-Bankenaufsicht. Laut „Bloomberg“ (Paywall) drängen die Aufseher die von Litauen aus operierende Europa-Holding von Revolut, sich stärker um „Anti-Financial-Crime“-Themen zu kümmern.
  • Die Bafin hat gegen die VR Payment (also den Payment Service Provider der DZ Bank) zwei Geldbußen über insgesamt 40.000 Euro festgelegt, u.a. wegen Verstößen gegen „geldwäscherechtliche Pflichten“.

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Verfassungsbeschwerde gegen „Cooling off“-Phase bei Restschuld-Versicherungen

Nachdem die Kreditbanken mit ihrem Hilfegesuch beim Bundespräsidenten abgeblitzt waren, stemmt sich die Versicherungs-Lobby jetzt mit einer Verfassungsbeschwerde gegen das De-facto-Aus für die Restschuld-Versicherung. Hintergrund: Der Bundestag hatte im Herbst eine sogenannte „Cooling-off“-Phase beim Vertrieb der umstrittenen Policen ab 2025 verabschiedet. Damit ist gemeint, dass zwischen dem Abschluss eines Kreditvertrags und dem Abschluss der zugehörigen Restschuld-Versicherung mindestens sieben Tage liegen müssen – was den Vertrieb nach Ansicht von Experten einbrechen lassen würde. Der GDV (also der Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft) argumentiert bei seiner Verfassungsbeschwerde nun ähnlich, wie es die Kreditbanken im Herbst bei ihrer Eingabe an das Bundespräsidialamt taten. Tenor: Das einwöchige Abschlussverbot verstoße gegen die neue EU-Richtlinie für Verbraucherkredite, weil diese zwar Koppelgeschäfte aus Kredit und Restschuld-Versicherung verbiete – wohl aber „Bündelungs-Geschäfte“ erlaube, sofern Kredit und Versicherung auch einzeln abgeschlossen werden könnten. Bei der bisherigen Praxis in Deutschland handele es sich genau um solche „Bündelungs-Geschäfte“, so der GDV.

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Kurz getickert

  • Die EZB-Bankenaufsicht tritt bei ihrer „Leveraged Loans“-Prüfung auf die Bremse. Nachdem Beschwerden mehrerer Banken zu Verzögerungen geführt hätten, würden die Ergebnisse erst für September erwartet, schreibt „Bloomberg“ (Paywall). Insgesamt werden rund ein Dutzend Institute geprüft, darunter die Deutsche Bank.

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Linktipps

  • Bafin, wichtig, erstens: Ein halbes Jahr noch, dann werden die bisherigen aufsichtlichen Anforderungen an die Banken-IT (also BAIT) abgelöst von der neuen EU-Verordnung DORA. Was konkret auf die hiesige Kreditwirtschaft zukommt, zeigen neue Umsetzungshinweise aus Bonn: Bafin-Website
  • Bafin, wichtig, zweitens: Geldwäsche-Prävention zählt zu den kritischsten Themen überhaupt da draußen – nicht nur aus Banken-, sondern auch aus Fintech-Sicht. Die Bafin will nun ihre Auslegungs- und Anwendungshinweise aktualisieren. Hier die entsprechende Konsultation: Bafin-Website

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Deutsche Banken stehen vor Umbruch bei Ident-Verfahren: Während die EU an geldwäscherechtlichen Sorgfaltspflichten und der eIDAS 2.0-Verordnung arbeitet, hat das BMF seinen Referentenentwurf zur Video-Ident-Verordnung veröffentlicht. Die Folge? Finanzdienstleister müssen sich auf neue Regularien einstellen – und auf ein breiteres Angebot an Identifizierungs-Verfahren. Was genau auf die Branche zukommt: Finanz-Szene (frei zugänglich)

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Kurz getickert

  • Interessanter Datenpunkt: Nur 5% aller meldepflichtigen IT-Vorfälle bei hiesigen Zahlungsdienstleistern gehen auf Cyber-Kriminalität zurück – während es es sich in 19 von 20 Fällen schlicht um Betriebsfehler handelt, so das „Bafin-Journal“.

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Exklusiv: Deutscher Kreditwirtschaft drohen in Zinsklausel-Verfahren künftig Verbandsklagen

Der EuGH hat ein für hiesige Banken und Sparkassen möglicherweise weitreichendes Urteil gefällt. Das höchste EU-Gericht entschied Ende letzter Woche, dass Fälle umstrittener Zinsklauseln künftig gesammelt in einer einzigen Verbandsklage überprüft werden können – auch wenn es sich dabei um Zinsverträge unterschiedlicher Banken handelt. Für die Zulässigkeit der Klage spiele es dabei keine Rolle, wann die jeweiligen Darlehen vergeben wurden, wie die Zinsklauseln im Detail aussehen und in welchen Jurisdiktionen die Verträge abgeschlossen wurden. Hintergrund des EuGH-Urteils (C-450/22) ist ein seit 2013 auf Betreiben des spanischen Verbraucherverbands laufender Rechtsstreit in Spanien. Dabei ging es um die Frage, ob Banken einen Mindestzinssatz erheben dürfen, selbst wenn der eigentlich verabredete variable Zins einen niedrigeren Zinssatz (etwa aufgrund von Negativzinsen) nahelegen würde.

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Exklusiv: Etliche Sparkassen und Volksbanken stellen auf internes Rating-Modell um

Wer die regulatorischen Debatten eher oberflächlich verfolgt, könnte auf die Idee kommen, dass es sich bei internen Rating-Modellen (also bei Modellen, mit denen Banken ihren Kapitalbedarf individuell berechnen) tendenziell um ein Auslaufmodell handelt. Schließlich wurde der sogenannte „Internal ratings-based approach“, kurz: IRB-Ansatz, in den anderthalb Jahrzehnten, die seit der Finanzkrise vergangen sind, oft genug als Teufelszeug gebrandmarkt. Nicht nur von Bankenkritikern aller Provenienz. Sondern zumindest implizit auch von der Aufsicht. So prüfte die bei der Europäischen Zentralbank (EZB) angesiedelte Bankenaufsicht der Eurozone von 2016 an über mehrere Jahre hinweg die internen Modelle von 65 großen europäischen Banken. Dabei stellte sie im Zuge von 200 Vor-Ort-Inspektionen etwa 5.800 (!) aufsichtliche Verstöße fest, ein Drittel davon schwerwiegend. Dazu passte, dass die Europäische Bankenbehörde (EBA) ebenfalls 2016 ihr sogenanntes „IRB Repair Program“ in Angriff nahm (das heute immer noch läuft). Ebenso, dass „Basel III“ den Spielraum bei der Nutzung interner Modelle deutlich einschränken wird. Folglich verwundert auf den ersten Blick kaum, dass der private Bankenverband erst neulich eine „generelle Entwicklung“ hin zu „einfacheren Ansätzen der Eigenkapital-Berechnung“ diagnostizierte. Siehe zum Beispiel die Deutsche Pfandbriefbank, die dem sogenannten „A-IRB-Ansatz“ (das „A“ steht für „Advanced“) sogar vollends abschwören will und dafür sogar einen mutmaßlich sehr viel höheren Kapitalbedarf in Kauf nimmt (siehe –> PBB schlittert schon ins nächste Problem). Frage: Handelt es sich bei den internen Modellen also tatsächlich um ein Auslaufmodell? Antwort: Mitnichten! Schließlich hat bei Lichte betrachtet auch das gegenteilige Modell, der sogenannte „Standardansatz“, weiter seine Nachteile. Und so kommt es, dass nach Informationen von Finanz-Szene vier große Sparkassen (Köln-Bonn hat dies diese Woche via „BÖZ“ bereits publik gemacht) und sogar elf große genossenschaftlichen Primärinstitute – konträr zu dem, was die Intuition nahelegen würde – den Umstieg vom Standardansatz auf ein internes Modell vorbereiten. Lesen Sie hier, um welche Institute es sich handelt, welche Vorteile sie sich von diesem Schritt versprechen, welche Dienstleister den Wechsel begleiten und was dabei für Risiken drohen: FS Premium

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Kurz getickert

  • Vom Bundesfinanzhof kommen gute Nachrichten für alle Banken, Fintechs und Broker, die viel Geschäft mit sogenannten „Heavy Tradern“ machen. Hintergrund: Der Bund hatte 2020 ein Gesetz verabschiedet, das die steuerliche Verlustverrechnung bei risikoreichen Termingeschäften (also etwa beim CFD-Handel) massiv einschränkte. Konkret sollten Viel-Trader zwar ihren Gewinn voll versteuern, jenseits einer Grenze von 20.000 Euro pro Jahr aber keine Verluste mehr geltend machen dürfen. Ein betroffener Anleger legte Einspruch ein, bekam Recht vor dem Finanzgericht Mainz – und nun hat sich auch der Bundesfinanzhof zwar noch nicht final, aber doch deutlich dieser Sichtweise angeschlossen. Für tiefergehende Einblicke empfehlen wir die Lektüre des aktuellen BFH-Beschlusses sowie unser Archiv-Stück –> Das müssen Banken und Fintechs zum BMF-Steuerhammer wissen.

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Sämtliche „Aufsichts- und Regulierungs“-News aus dem Juni 2024

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