von C. Kirchner, G. Hädicke und H.-R. Dohms, 30. Oktober 2023
In unserem Genosektor-Ticker verfolgen wir Volks- und Raiffeisenbanken genauso wie PSD- und Sparda-Banken, die DZ-Bank-Gruppe genauso wie die Atruvia.
Hier unser Ticker für den Oktober:
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Als die Frankfurter Volksbank im vergangenen Jahr die Kollegen aus Rüsselsheim unter ihre Fittiche nahm und sich daraufhin in „Frankfurter Volksbank Rhein/Main“ umbenannte – spätestens da wusste man: Die Frankfurter wollen von nun an beides sein. Nämlich eine große Metropol-Volksbank (wie Berlin oder Stuttgart). Aber zugleich auch eine großflächige Regional-Volksbank (wie Rosenheim oder Offenburg). Dieser durchaus kühne Ansatz wird durch die gestern offiziell verkündete Einverleibung der Raiffeisen-Volksbank Aschaffenburg (Bilanzsumme: 3,3 Mrd. Euro) nun nochmals untermauert. Denn erstens steigen die Frankfurter mit künftig fast 20 Mrd. Euro Bilanzsumme zur größten deutschen Volksbank auf – und zweitens manifestiert sie ihren Einfluss in Bayern (wo sie sich 2021 die kleine VR-Bank Alzenau einverleibte). Auch wenn die Entscheidungsträger bei der gestrigen Pressekonferenz gleich mehrmals betonten, dass Aschaffenburg ja durchaus auch zur Rhein-Main-Region gehöre. Bemerkenswert ist in diesem Zusammenhang auch: Frankfurt treibt’s mit den Fusionen zwar besonders wild, wie übrigens die hessischen Volksbanken ganz generell (siehe dazu bereits vor Jahren unsere Analyse hier) – in den beiden süddeutschen Bundesländern sieht’s aber nicht viel anders aus. Die Folge: Per Ende 2012 gab’s nicht eine einzige deutsche Volksbank mit einer zweistelligen Milliarden-Bilanzsumme gab (als erstes überquerte Berlin die Marke im Jahr darauf). Und heute? Zählt man eingedenk der jüngst vollzogenen Fusion von Mainz und Darmstadt deren neun. Grund genug, das alles einfach mal grafisch aufzubereiten. Bitte sehr: FS Premium
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… dass die Frankfurter Volksbank Rhein/Main (Bilanzsumme: 15,9 Mrd. Euro) und die Raiffeisen-Volksbank Aschaffenburg (3,3 Mrd. Euro) für den heutigen Dienstag kurzfristig zu einer Pressekonferenz eingeladen haben – und dass einer der Sprecher eigens in der Redaktion anrief, um noch mal sehr vernehmlich zu raunen (im Sinne von: Da müssen’se kommen, is‘ ne große Sache)? Nun ist natürlich nicht auszuschließen, dass es sich bei der großen Sache um die Zusammenlegung irgendwelcher Backoffice-Dienste handelt. Sollte (sollte!) es aber so sein, dass Frankfurt und Aschaffenburg ihre Fusion verkünden, dann entstünde damit die größte deutsche Volksbank. Größer sogar als die in Berlin (18,1 Mrd. Euro).
Die eher mittelgroße Volksbank Brawo (Bilanzsumme: 6,1 Mrd. Euro) ist still und leise zu einem wichtigen Schufa-Aktionäre avanciert. Wie ein Sprecher gegenüber Finanz-Szene bestätigte, hält das in Braunschweig und Wolfsburg beheimatete Institut jetzt 2,64% an der Wiesbadener Auskunftei – und dürfte damit hinter den maßgeblichen Schufa-Eignern wie der Deutschen Bank, der Commerzbank oder der Teambank zu den größten Aktionären gehören. Gemessen an den angeblichen Bewertungen, die im Zuge des Übernahmekampfs um die Schufa vor zwei Jahren kursierten (die Rede war von 2 Mrd. Euro), wären der Stake gut 50 Mio. Euro wert. Zur Einordnung: Der Jahresüberschuss der Volksbank Brawo belief sich zuletzt auf 32 Mio. Euro.
Knapp die Hälfte des Anteils (nämlich: 1,27%) haben die Braunschweiger ausweislich ihrer Abschlüsse im Geschäftsjahr 2022 erworben. Damit liegt die Vermutung nahe, dass der Zukauf zu jener Transaktion gehörte, mit der die genossenschaftliche Finanzgruppe ihren aggregierten Anteil an der Schufa von zuvor 20,5% auf aktuell 27,2% ausbaute – also um insgesamt 6,7 Prozentpunkte. Wenn hiervon die besagten 1,27 Prozentpunkte auf die Braunschweiger entfallen sind, heißt das mit anderen Worten: Die Volksbank Brawo (im BVR-Ranking der größten Genobanken gerade mal auf Position 31 platziert) hat fast ein Fünftel der gesamten Transaktion gestemmt. Zum Vergleich: Selbst die Teambank, also der Konsumentenfinanzierer der DZ Bank, erhöhte gerade mal um 1,0 Prozentpunkte.
Wie viel die Volksbank Brawo für die neu erworbenen Anteile bezahlt hat, bleibt übrigens unklar. In Braunschweig ist man bemüht zu betonen, dass es nicht die grob 25 Mio. Euro sind, die sich auf Basis der oben genannten älteren Bewertungs-Indikationen ergeben würden. Zitat: „Der Kaufpreis lag deutlich unter Ihrem errechneten Wert.“ So oder so: Die Volksbank Brawo, die ja auch für ihre offensiven Immobilien-Investments bekannt ist, nährt durch die Transaktion ihren Einfluss innerhalb des Genosektors. Denn: Bei der Atruvia, also beim zentralen IT-Dienstleister der Volks- und Raiffeisenbank, ist Voba-Brawo-Chef Jürgen Brinkmann ja sogar Vorsitzender des Aufsichtsrats.
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… dass die kürzlich gewürdigte Wachstumsgeschichte von Visualvest (siehe unseren jüngsten Geno-Ticker) dem konsequenten Verzicht auf Frauen in der Führungsebene geschuldet zu sein scheint? So zumindest liest sich der aktuelle Offenlegungsbericht der Union-Investment-Tochter (die Fettung haben wir zur besseren Kenntlichmachung selbst besorgt): „Für die Geschäftsführung mit einem Frauenanteil von 0% wurde im Berichtszeitraum festgelegt, sich kein bindend höheres Ziel zu setzen. Die bestehende Zielgröße soll auch mit Blick auf das strategische Wachstum der Visualvest für den nächsten Berichtszeitraum beibehalten werden.“ Nur minimal anders stellt sich die Lage im Aufsichtsrat dar. Hier ist das „unterrepräsentierte Geschlecht“ (a.k.a: „Frauen“) zwar tatsächlich repräsentiert – damit will mann’s aber auch gut sein lassen. Wir zitieren: „Für den Anteil des unterrepräsentierten Geschlechts im Aufsichtsrat wird in Anlehnung an den Status Quo eine Zielgröße von 14,3 % angestrebt.“
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… dass sich die Engagements der „Maverick-Volksbank“ nicht auf europäische Fußballvereine, mallorquinische Immobilien sowie Wasserprojekte in griechischen Mönchsrepubliken beschränken? So macht uns einer unserer Leser-Reporter darauf aufmerksam, dass das Schmalkaldener Institut zum Beispiel auch bei einem hessischen E-Bus-Hersteller namens Electric Brands eingestiegen ist. Laut einem Handelsregister-Auszug erwarben die Thüringer im Januar für knapp 5 Mio. Euro (!) Anteile an dem Unternehmen.
Die Apobank ist ihre Problem-Tochter Naontek zwar losgeworden – allerdings auch nur so halb. Das Unternehmen (oder das, was davon übrig ist) werde künftig unter dem Dach der Medisign GmbH angesiedelt, teilt eine Apobank-Sprecherin auf Anfrage von Finanz-Szene mit. Dabei handelt es sich um einen Anbieter elektronischer Signaturkarten für das Gesundheitswesen. Die Hälfte der Anteile liegt bei einem IT-Spezialisten namens Deutsches Gesundheitsnetz (DGN). Und die andere Hälfte, man ahnt es: bei der Apobank selber.
Wie es nun heißt, soll Medisign die von Naontek mit vier Beschäftigten betriebene Fortbildungsplattform Univiva „fortführen und weiterentwickeln“. Zurzeit verfüge Univiva über 74.000 registrierte Nutzer und kooperiere mit 470 Seminar-Anbietern. Gemessen an den Ambitionen bei der Gründung von Naontek vor vier Jahren ist das ein recht leiser Abgang. Der damalige Apobank-Chef Ulrich Sommer hatte die Tochter seinerzeit als künftiges „Amazon der Fort- und Weiterbildung“ apostrophiert. Sommers Nachfolger Matthias Schellenberg gab im Zuge der strategischen Neuausrichtung der größten genossenschaftlichen Primärbank schließlich die Losung aus, Naontek zu veräußern oder zu schließen. Die nun gefundene Lösung liegt irgendwo dazwischen.
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Eigentlich sollte Joachim Gorny seinen Job zum 1. Januar antreten. Hieß es jedenfalls Ende August. Stattdessen ist der neue Finanz- und Risikovorstand nun schon per 1. Oktober bei der schlingernden Sparda München aufgeschlagen – weil er seine „laufenden Projekte“ (Gorny war zuletzt als selbständiger Strategie- und IT-Berater unterwegs) früher als geplant habe übergeben können, wie es offiziell heißt. In der Belegschaft verstärkt der vorzeitige Amtsantritt die Sorge, dass die personelle Neuausrichtung schon recht bald mit einem atmosphärischen Umbruch einhergehen könnte. Schließlich war die Sparda München viele Jahre lang von ihrem eher esoterischen (und kürzlich ausgeschiedenen) Vorstandschef Helmut Lind geprägt. Der wollte das Institut zur „Gemeinwohl-Bank“ umbauen, ein bisschen wie die GLS Bank, allerdings ohne den in Bochum herrschenden vertrieblichen Ehrgeiz. Gorny dagegen? Verbrachte die zurückliegenden Jahre, genau wie der künftige Vertriebsvorstand Peer Teske, bei der Augsburger Aktienbank, die letztlich filetiert und aufgelöst wurde. In seinem Social-Media-Profil gibt Gorny bei der Auflistung seiner Expertisen an dritter Stelle „M&A“, an vierter Stelle „Restrukturierung“ sowie an fünfter Stelle „Abwicklung“ an. Muss nichts heißen. Lässt sich in der gegenwärtigen Gemengelage aber auch nicht verschweigen.
Sämtliche Genobanken-News aus dem August und September 2023
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