Deep Dive

Von Coba bis LBBW: Welche deutsche Bank fährt welche Einlagen-Strategie?

Ende März erging bei einer namhaften deutschen Bank ein Hilferuf aus dem Treasury. Das Quartal näherte sich dem Ende, der Einlagenbestand zeigte merklich südwärts, und auch wenn die Lage nicht besorgniserregend war – ein bisschen unschön war sie halt doch. Und also wurden die Firmenkunden-Banker des Hauses aufgefordert, doch bitte bei „360T“ (das ist das „Weltsparen“ der CFOs) ein paar aggressivere Margen zu stellen. Das Ziel der Aktion: Es sollte – im Wortsinne über Nacht – noch ein bisschen Liquidität reinkommen, bevor das Quartal bilanziert wird. „Ein durchaus übliches Vorgehen“, wie ein Kenner berichtet. „Es reicht ja, wenn da fünf bis zehn Firmenkunden anspringen mit jeweils dreistelligen Millionenbeträgen. Dann hat man kurz vorm Stichtag mal eben eine Milliardensumme an frischer Liquidität auf der Bilanz.“

Tatsächlich wirft die kleine Anekdote ein Schlaglicht auf die Einlagenschlacht, die seit Monaten eben nicht nur im Retailgeschäft tobt – sondern mindestens genauso heftig bei den Firmenkunden (auch wenn medial fast immer nur das Massengeschäft beleuchtet wird). Und so kommt es denn auch nur auf den ersten Blick überraschend, dass es mitnichten die ING Diba ist (siehe unter anderem unser Stück –> Deutsche ING sammelt 16 Mrd. Euro frische Einlagen ein), die im ersten Halbjahr unter allen deutschen Banken den höchsten Depositenzuwachs verzeichnet hat. Sondern: zwei Landesbanken.

Hier zu unserem Deep Dive, in der wir unter anderem den Fragen nachgehen, welche Korrelation zwischen Depositen und Profitabilität besteht und welche Banken für ihren Einlagenzuwachs mit einem besonders hohen Zinsaufwand bezahlen: FS Premium

1.) Nicht die ING Diba gewinnt die meisten Einlagen – sondern zwei Landesbanken

Ein simpler Blick auf die Einlagenentwicklung im ersten Halbjahr …

absolut (Mrd. Euro) relativ
LBBW 17,7 15%
ING Deutschland 15,5 11%
BayernLB 12,3 7%
Commerzbank* 10,7 3%
NordLB 1 1%
PBB 1 6%
HCOB 0,7 8%
Aareal 0,1 1%
OLB 0 0%
Apobank -2,3 -7%
Hypo-Vereinsbank -2,8 -2%
Helaba -3,9 -6%
DKB -4,8 -6%
Deutsche Bank -28,2 -5%

… zeigt Folgendes:

  • Die ING Diba hat mit ihrer aggressiven Lockzins-Politik die mit Abstand höchsten Einlagen unter den Retailbanken generiert (siehe zuletzt unser Stück –> Wie die ING Diba mit einem „Undercut“ die DKB abhängte). Das allerdings war weithin bekannt. Viel überraschender dagegen …
  • Der größte Gewinner im Einlagen-Wettbewerb ist nicht die ING Diba, sondern die LBBW. Um fast 18 Mrd. Euro stiegen von Januar bis Juni ihre Einlagen, wobei dem Halbjahresbericht zu entnehmen ist, dass der Zufluss tatsächlich auf Tages- und Termingelder zurückgeht. Ähnlich hohe Einlagen generierte die BayernLB – zumindest wenn man in Rechnung stellt, dass in dem Plus von 12,3 Mrd. Euro ja auch der Abfluss bei der Tochter DKB enthalten ist. Sprich: Ohne DKB (und bezogen nur auf die eigentliche Landesbank) holte auch die BayernLB mit rund 17 Mrd. Euro mehr Einlagen als die ING Diba herein.
  • Im Umfeld der beiden Landesbanken werden die Zugewinne mit dem Zufluss „hochbeweglicher Gelder“ großer Firmenkunden begründet. Aus dem Markt heißt es, die Landesbanken seien generell im Firmenkundengeschäft eher zinsaggressiv unterwegs.
  • Zuflüsse gab es auch bei der Commerzbank (*Anmerkung: in einer ursprünglichen Version dieses Artikels hatten wir wegen eines Vorzeichenfehlers von Abflüssen geschrieben, wir bitten, den Fehler zu entschuldigen)
  • Dagegen flossen bei der Deutschen Bank (siehe vor einigen Monaten schon unser Stück –> „Großbanken und Sparkassen sind die Verlierer im Kampf um die Einlagen„) 28 Mrd. Euro ab.

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2.) Die Korrelation zwischen Einlagen und Profitabilität ist gewaltig

Ein Blick auf die Einlagen-Deckung des Aktivgeschäfts (als ganz, ganz simplen Proxy haben wir Einlagen in % der Bilanzsumme genommen) …

Einlagen in % Bilanzsumme
Commerzbank 72%
DKB 72%
ING Deutschland 70%
BayernLB 67%
NordLB 67%
Apobank 66%
OLB 65%
Deutsche Bank 48%
Hypo-Vereinsbank 48%
PBB 36%
Helaba 32%
LBBW 32%
HCOB 30%
Aareal 27%

… zeigt derweil:

  • Die Banken mit der höchsten Einlagen-Deckung waren grosso modo auch die, die im ersten Halbjahr besonders rentabel unterwegs waren (siehe die DKB mit ihrer EK-Rendite von 25% oder die deutsche ING mit sogar 31%), …
  • … oder die ihre Rentabilität zumindest massiv verbessert haben. Beispiel: Die Commerzbank, die im ersten Halbjahr 2023 trotz einer Belastung von über einer halben Mrd. Euro wegen der Franken-Kredite in Polen auf einen RoTE von 8,1% kam, verglichen mit 5,4% im Vorjahreszeitraum.
  • Wer sich dagegen als Landes- oder Hypothekenbank naturgemäß weniger granular refinanziert, blieb dementsprechend auch bei der EK-Rendite im einstelligen Prozentbereich. Konkret: Die PBB, Helaba, LBBW und die Aareal landen alle (teils deutlich) unter 10%.
  • Klar, kein Trend ohne Ausnahme: Die HCOB kam trotz Einlagenschwäche auf 17% Rendite. Allerdings ist die Ex-HSH ja schon länger extrem profitabel unterwegs, zudem begünstigen diesmal Einmaleffekte das Ergebnis.

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3.) Wer frische Einlagen will, muss ordentlich dafür bezahlen

Betrachtet man die Veränderung der Einlagenbasis mit der Entwicklung des Zinsaufwands, …

Einlagen-Delta in % Zinsaufwands- Delta in Mrd. Euro
LBBW 15,3 12,4
ING Deutschland 11,2
HCOB 7,6 0,3
BayernLB 6,7 2,0
PBB 5,6 0,6
NordLB 1,4 1,0
Aareal 0,7 0,5
OLB 0,1 0,2
Apobank 0,0 0,0
Hypo-Vereinsbank -1,9 2,1
Commerzbank 3,0 2,8
Deutsche Bank -4,5 9,9
DKB -5,6 0,1
Helaba -5,8 1,9

… dann zeigt sich:

  • Die LBBW verzeichnet nicht nur den größten relativen Einlagenzuwachs – sie musste auch (jedenfalls gemessen am relativen Anstieg des Zinsaufwands) am meisten dafür bezahlen*
  • Bei den übrigen Banken ist die Korrelation nicht ganz so stark – aber von der Tendenz her doch vorhanden. Mit einer prominenten Ausnahmen: Die Deutsche Bank verlor signifikant an Einlagen (in absoluten Zahlen: 28 Mrd. Euro), musste aber trotzdem rund 10 Mrd. Euro mehr an Zinsaufwand berappen

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*Unsere Analyse hinkt an dieser Stelle ein wenig, weil wir beim Einlagenzuwachs mit Prozentzahlen rechnen, beim Zinsaufwand dagegen mit den Milliardenbeträgen. Allerdings: Beim Zinsaufwand ebenfalls die relative Betrachtung zu wählen, wäre aufgrund sehr starker Basiseffekte (im teils vierstelligen Prozentbereich) auch nicht befriedigender

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4.) Warum sich der Verzicht auf Einlagen (für den Moment) lohnt

Bringt man nun auch noch den Zinsaufwand in Relation zur Bilanzsumme, …

Zinsaufwand in % Bilanzsumme
LBBW 5,2%
NordLB 2,2%
PBB 2,1%
Helaba 1,4%
Aareal 1,3%
HCOB 1,3%
BayernLB 1,2%
Deutsche Bank 1,0%
OLB 1,0%
Hypo-Vereinsbank 0,9%
Commerzbank 0,8%
Apobank 0,4%
DKB 0,3%

… dann zeigt sich:

  • Die LBBW ist mit einem Wert von 5,2% ein ziemlicher Ausreißer, genauso wie am anderen Ende der Skala die Apobank und die DKB. Dazwischen ist die Spannbreite gar nicht so extrem
  • Bei den weniger granular refinanzierten Banken wie LBBW, NordLB, PBB, Helaba oder Aareal scheinen sich die Zinsänderungen vergleichsweise schnell auf die Zinskosten durchgeschlagen zu haben
  • Am anderen Ende der Skala befinden sich erwartungsgemäß Retailbanken oder zumindest überwiegend gemäß Retail-Logik refinanzierte Banken wie die DKB, die Apobank, die Coba oder die HVB.

Dabei ist besonders die DKB einen Blick wert: Sie nahm einen gewissen Einlagenabfluss (ganz im Gegensatz zur ING Diba) offenbar in Kauf – und wurde (weil sie keine teuren Neugelder zu verzinsen hat) durch einen weiterhin niedrigen Zinsaufwand bei gleichzeitig sprudelnden Zinserträgen belohnt. Das erklärt die 25% EK-Rendite. Wirft aber auch die Frage auf, wie nachhaltig dieses Ergebnis sein kann.

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