von Bernd Neubacher, 20. Juli 2023
Glaubt man ihren Selbstdarstellungen, dann machen die großen US-Banken hierzulande – grob zusammengefasst – fast alles richtig und fast gar nichts falsch. Immerzu wird das Firmenkundengeschäft ausgebaut. In schöner Regelmäßigkeit wird ein neuer Bereich gelauncht. Auch sehr beliebt (und im Zuge des eigenen Wachstums selbstverständlich unabdingbar) ist der Bezug neuer Büros. Und der hiesige Markt für Börsengänge kann darben, wie er will – bei den Dependancen der großen Wall-Street-Häuser (wie sollte es anders auch sein!!!) „füllt sich die IPO-Pipeline gerade wieder“.
Jedenfalls: Zu den Akteuren, die sich hierzulande in einer gefühlten Dauerexpansion befinden, gehört auch die Citigroup. So haben die Amerikaner (wir berufen uns auf gängige Wirtschaftsmedien) allein seit Anfang des vergangenen Jahres …
Nun soll überhaupt nicht in Abrede gestellt werden, dass die Citigroup im deutschen Markt ordentlich Tempo macht. Allerdings: Zur Wahrheit gehört auch, dass in der Frankfurter Dependance der US-Bank zuletzt eine ganze Reihe von Baustellen zu schließen waren oder noch zu schließen sind. Wobei das Ganze nur der versteht, der weiß, dass in Frankfurt neben dem Deutschland-Geschäft (das Stefan Hafke als Chief Country Officer leitet) auch die Citigroup Global Markets Europe (kurz CGME) sitzt, die Einheit der Amerikaner für das Broker-Dealer-Geschäft in der EU. Sie ist Hauptfokus und Hauptkanal des Berichtswesen hierzulande.
Ein Überblick:
Lieb sind Citi (wie anderen Unternehmen auch) ja vor allem Meldungen, wer so alles kommt. Wer so alles geht (und warum), darüber ist von der Bank meist nur wenig bis nichts zu vernehmen. Daher hier ein Überblick über wichtige personelle Veränderungen der jüngsten Zeit:
–––––––––––––––––––
2021 wurde KMPG als Wirtschaftsprüfer der Frankfurter Citigroup Global Markets Europe von BDO abgelöst. Allem Anschein nach führten sich die BDO-Leute gleich bei der Prüfung für das Geschäftsjahr 2021 mit einer Welle von „Feststellungen“ ein (also einer Mängelliste). Jedenfalls ist im 2022er-Geschäftsbericht unter indirekter Bezugnahme zum Prüfungsbericht des Vorjahres zu lesen: „Der Aufsichtsrat billigt den Prüfungsbericht von BDO und begrüßt die deutliche Verringerung der wesentlichen Feststellungen und einer wesentlichen Behebung der letztjährigen Feststellungen.“ Was BDO konkret zu beanstanden hatte? „Im weitesten Sinne ging es immer um betriebliche Resilienz“, heißt es dazu bei Citigroup auf Anfrage.
Laut Geschäftsbericht hat sich die EU-Einheit 2022 denn auch “auf die Stärkung ihrer betrieblichen Resilienz konzentriert, indem sie ein detailliertes, verbessertes Eskalationsverfahren wie das im Februar 2023 eingeführte Verfahren zur Meldung wesentlicher Cyber-Vorfälle (Significant Cyber Incident Reporting Procedure)“ entwickelte. Demnach befasste sich sogar der Prüfungsausschuss „mit den vom Vorstand unternommenen Maßnahmen zur Behebung der vom Wirtschaftsprüfer und von der Innenrevision identifizierten Missständen“.
Interessanterweise hatte die Frankfurter Citigroup allerdings nicht nur mit BDO zu schaffen – sondern auch mit dem eigenen Ex-Prüfer. So sollte KPMG 2022 ebenfalls im Zuge der Jahresprüfung (allerdings beauftragt nicht von Citi, sondern von der Bafin) einen Handelsvorfall aus dem Mai des vergangenen Jahres untersuchen. Zu Beginn jenes Monats hatte ein Citigroup-Mitarbeiter der Londoner Handelseinheit „Delta One“ durch einen Eingabefehler bei einer Transaktion einen Flash-Crash und einen Ausverkauf im schwedischen Aktienindex OMX Stockholm 30 ausgelöst.
KPMG schloss diese Prüfung zwar per Dezember ab. Allerdings blieben, wie im Geschäftsbericht steht, “Meinungsverschiedenheiten hinsichtlich der von KPMG getroffenen Feststellungen”. Mit der Folge, dass „künftig weitere Interaktionen direkt mit der BaFin erfolgen (werden)”, so die Citigroup. Auf Nachfrage erklärt die Bank Finanz-Szene: „Fundamentale Meinungsverschiedenheiten gab es keine. Wie üblich bei derartigen Prüfungen, ging es eher um Details zu den Feststellungen. Diese Details sind mittlerweile geklärt.“ Deren Abarbeitungsstand sei Thema in der aktuell laufenden Prüfung durch die KPMG.
All dies wirft Fragen auf, wie es um die internen Prozesse bei der EU-Einheit bestellt ist.
————————–
In Frankfurt gehen die Uhren seit einiger Zeit auch deshalb anders, weil die CGME im Oktober 2022 mit der Re-Lizenzierung als Kreditinstitut gemäß Eigenkapitalverordnung CRR unter die direkte Aufsicht der EZB gekommen ist. Auch in Sachen Governance hat die Citigroup ihre EU-Einheit daher tüchtig nachrüsten müssen: Im dritten Quartal 2021 wurde zunächst ein Vergütungs-Ausschuss installiert, Anfang 2021 folgten Risiko-Ausschuss, Prüfungs-Ausschuss und Nominierungs-Ausschuss.
Bekanntlich legt die EZB großen Wert darauf, dass die EU-Broker-Dealer im Zuge des Brexit nicht nur Geschäftsvolumen auf den Kontinent verlagern, sondern auch die dafür erforderlichen Kapazitäten im Risikomanagement. Die Notenbank hat daher unter den EU-Einheiten von Banken mit Sitz außerhalb der Union eigens eine größere Übung namens “Desk Mapping Review” angezettelt – für Morgan Stanley etwa hat diese zur Folge, dass deren EU-Einheit vermehrt Marktpreisrisiken aufs Buch nehmen muss (wie von Finanz-Szene jüngst exklusiv vermeldet).
Die Citigroup Global Markets Europe wiederum musste im Zuge dieser Desk Mapping Review letztes Jahr gleich zwei aufsichtliche Prüfungen über sich ergehen lassen: Einmal schauten sich die Aufseher die internen Modelle der Einheit näher an, dann gab es eine Sonderprüfung nach §44 KWG mit Fokus auf das Handelsgeschäft und das Risikomanagement. “Während dieser Zeit hat die CGME ihre Verfahrensabläufe und Rahmenbedingungen erheblich verbessert“, heißt es im Geschäftsbericht, alles mit dem Ziel, „den neuen Erwartungen der Aufsichtsbehörden“ gerecht zu werden.
Die Herausforderung bleibt: Die Strukturen müssen mit dem Wachstum der EU-Einheit Schritt halten. Denn die CGME soll weiter an Gewicht zulegen:
Kurios: Während bei der Konkurrenz infolge Brexit-bedingten Wachstums die Bilanzsummen explodieren, hat die Citigroup das Volumen ihrer Aktiva in der EU-Einheit im vergangenen Jahr kurzerhand halbiert. Die Saldierung außerbörslich gehandelter Derivate nach HGB macht es möglich, dass die Bilanzsumme von 83,9 Mrd. Euro auf 42,5 Mrd. Euro in sich zusammengefallen ist. „Damit folgen wir unseren Peers, die dies im Laufe der letzten Jahre ebenfalls eingeführt haben“, erklärt die Bank auf Nachfrage. Die Geschäftstätigkeit habe sich bereinigt leicht erhöht. Zur Frage, wie sich die Bilanzsumme im laufenden Jahr entwickeln soll, wird mitgeteilt: „Aktuell findet eine Überprüfung der Strategie statt, welche Erwartungen der EZB als Ergebnis des sogenannten Desk Mapping Reviews einschließt. Die Überprüfung ist noch nicht abgeschlossen, jedoch wird eher eine Erhöhung der Bilanzsumme erwartet.“
––––––––––––––––––––
Als Außenstehender könnte man meinen, neben Prüfern und Aufsehern habe auch der Fiskus die CGME ins Visier genommen. Unter dem Punkt “Steuerliche Risiken” führt das Haus inzwischen gleich drei Verfahren an.
Wie ihr Geschäftsbericht 2022 zeigt, hat Citigroup Global Markets Europe ein Problem mit der Ertragskraft. Im vergangenen Jahr verharrte die zur Steuerungszielgröße erklärte – und vom Vorstand laufend überprüfte – Effizienz-Kennzahl der Operating Efficiency (Ertrag zu Aufwand vor Ertragsteuern) bei 97%. Vorgenommen hatte sich die Bank eigentlich eine Reduktion auf 80%. Die wirtschaftliche Entwicklung könne “insgesamt als noch zufriedenstellend beurteilt werden, auch wenn die im Verlauf des Jahres 2022 revidierten Planergebniszahlen nicht vollständig erreicht wurden”, heißt es im Geschäftsbericht der EU-Einheit.
Sicher: Die Flaute im Emissions- und Beratungsgeschäft nach dem Überfall Russlands auf die Ukraine hat das Haus kaum beeinflussen können. Anders liegt die Sache natürlich beim Verwaltungsaufwand. Und dieser stieg im Zuge der oben beschriebenen Umbauten um 12% auf 506 Mio. Euro an.
Die Ertragslage war durchwachsen. So weitete sich das negative Zinsergebnis von 38 Mio. Euro auf 60 Mio. Euro aus. Infolge der Zinswende kam die Bank eine vermehrt mittel- und langfristige Refinanzierung zu Liquiditätszwecken teuer zu stehen. Zudem war ein höherer Zinsaufwand für gestiegene Bestände aus Wertpapierleihe- und Wertpapierpensions-Geschäften die Folge. Wegen des Krieges herrschte im Geschäftsbereich Banking, Capital Markets & Advisory (BCMA)– neben “Markets” eine von zwei Kernsparten – eine Flaute. Auch die Stellung im Markt litt: Im Vergleich zum Vorjahr habe sich “die Marktposition der CGME im episodischen Geschäft gemessen am Dealogic Ranking” rückläufig entwickelt, heißt es unter Verweis auf den Datendienstleister. Die Provisionserträge im Segment BCMA brachen von 212 Mio. Euro auf 136 Mio. Euro ein (minus 36%). Für das erste Halbjahr 2023 bescheinigte sich die Bank in einem Mediengespräch am gestrigen Mittwoch je nach Disziplin (Investment Banking, Equity Capital Markets und Debt Capital Markets) bundes- und europaweit Marktpositionen von Platz eins bis vier.
Gerettet wurde die Performance der EU-Einheit 2022 durch das Handelsergebnis (+11% auf 108 Mio. Euro) sowie das sonstige Ergebnis (+70% auf 146 Mio. Euro). Letztlich ermöglichte dies der Bank bei Erträgen von 590 Mio. Euro (+16%) eine Steigerung des Vorsteuer-Gewinns um 38% auf 40 Mio. Euro. Dies ist gleichwohl deutlich weniger als andere US-Banken mit ihren EU-Einheiten 2022 verdient haben. Nach Steuern blieben der CGME 7 Mio. Euro übrig, nach 17 Mio. Euro im Jahr 2021.
Für 2023 plant Citigroup Global Markets Europe ein Vorsteuer-Ergebnis von 43 Mio. Euro und einen Netto-Gewinn von 5 Mio. Euro. In den Jahren 2023 bis 2025 strebt die Bank zudem eine Verbesserung ihrer Operating Efficiency an, runter auf bis zu 92%. Die EU-Einheiten von Morgan Stanley und JP Morgan kamen schon 2022 auf Aufwandsquoten von 75% respektive 62,4%.
Die Artikel von Finanz-Szene sind urheberrechtlich geschützt und nur für den jeweiligen Premium-Abonnenten persönlich bestimmt. Die Weitergabe – auch an Kollegen – ist nicht gestattet. Wie Sie Inhalte rechtssicher teilen können (z.B. via Pressespiegel), erfahren Sie hier.
Danke für Ihr Verständnis. Durch Ihr Abonnement sichern Sie ein Stück Journalismus!