Exklusiv

Wie die Deutsche Bank die Assets ihrer Privatkunden-Sparte (und der DWS) pimpt

Claudio de Sanctis war in Hochform die letzten Wochen, zumindest in kommunikativer Hinsicht. Der neue Privatkunden-Chef der Deutschen Bank ließ die Welt zum Beispiel wissen, was die eh schon wusste – nämlich dass das Lieblingsprojekt seines Vorgängers Karl von Rohr (die Investment-App „Vestivity“) abgewickelt wird. Überdies gab de Sanctis zu verstehen, dass besagter Vorgänger zu viele externe Berater eingeschaltet („We need to bring our expert knowledge . . . to fix our recurring problems ourselves“) und zumindest bei der Postbank einen ziemlich Saustall hinterlassen habe („Dass ein Teil dieser Prozesse so schlecht funktioniert hat, war wohl die negativste Überraschung für mich.“). Und schließlich stellte der neue Privatkundenchef der Deutschen Bank klar, dass unter seiner Führung, wie sollte es auch anders sein, jetzt alles besser wird („In the first quarter, we delivered on the cost side, which is great in particular given the huge inflationary pressures“).

Was man dazu wissen muss: Tatsächlich gibt es, bevor die Deutsche Bank kommende Woche ihre Zahlen fürs zweite Quartal vorlegt, zarte Indizien für einen leichten Aufschwung in der seit einem Jahr von de Sanctis verantworteten Private Bank. So sind vor allem die Assets under Management ziemlich steil nach oben geschossen, auf zuletzt 606 Mrd. Euro. Die Sache ist nur: Anders, als man denken würde, sind die Zuwächse nicht allein auf Performance und Inflows zurückzuführen. Sondern: Wie Recherchen von Finanz-Szene zeigen, hat die Deutsche Bank offenbar ein bisschen nachgeholfen – und zwar durch eine Neudefinition der Asset-Basis. Und das ist übrigens nicht der einzige Fall, in denen das größte hiesige Geldinstitut die Höhe seiner Kundengelder eher offensiv ausweist. Finanz-Szene ist nämlich noch auf einen anderen gestoßen.

Bitte sehr:

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1. Fall: Wenn 25 Mrd. Euro aus dem Nichts kommen

Als die Deutsche Bank im April ihre Zahlen fürs erste Quartal veröffentlichte, vermerkte sie in ihrer entsprechenden Mitteilung:

„Das verwaltete Vermögen der Privatkundenbank stieg im Quartal um 27 Mrd. Euro auf 606 Mrd. Euro, der höchste Wert seit der Gründung der Privatkundenbank im Jahr 2018. Dieser Anstieg wurde teilweise durch Nettomittelzuflüsse von 12 Mrd. Euro getragen […]. Dies war das höchste Volumen seit zwölf Quartalen.“ 

Nun können sich die Zahlen per se durchaus sehen lassen. Also der gewaltige Bestand von 606 Mrd. Euro ebenso wie der Anstieg um 27 Mrd. Euro (wovon wiederum 12 Mrd. Euro aus Zuflüssen stammten, auch das ein beachtlicher Wert). Die Sache ist nur, und davon stand nichts in der Mitteilung: Die Gesamt-Assets von 606 Mrd. Euro enthielten auch Gelder, die da eigentlich gar nicht hineingehören. Oder etwas zurückhaltender formuliert – die da vorher nicht drin waren.

Konkret: Wie Recherchen von Finanz-Szene zeigen, hat die Private Bank der Deutsche Bank zu Jahresbeginn die Berechnung ihrer Assets under Management umgestellt. Ein entsprechender Hinweis findet sich in einer Fußnote des Q1-Berichts. Wörtlich steht dort: „Daher wurden Sichteinlagen der Privatkunden-Bank Deutschland in verwaltetes Vermögen umgegliedert, um ein konsistentes Vorgehen innerhalb von ‚Wealth Management & Private Banking‘ zu gewährleisten.“

Hintergrund: Letzten hatte der neue Privatkunden-Chef Claudio de Sanctis als gewissermaßen erste Amtshandlung seine Sparte neu aufgestellt (siehe –> Von zwei auf fünf Einheiten gestrafft: Was vom Deutsche-Bank-Umbau zu halten ist). Im Mittelpunkt des Umbaus stand die Eingliederung des einheimischen Private Bankings in die entsprechende globale Einheit. Die Fußnote zeigt: Im Zuge der Neuorganisation wurden die Sichteinlagen der gehobenen hiesigen Privatkunden-Klientel zu Assets under Management umdeklariert. Eine natürlich nicht verbotene, aber doch eigenwillige Praxis.

Obwohl die Deutsche Bank die Neukalkulation erst in diesem Jahr vornahm, wurde die Umstellung rückwirkend implementiert – und zwar beginnend mit dem ersten Quartal 2023. Damals kam die Private Bank gemäß ursprünglicher Rechnung auf 531 Mrd. Euro. Unter Einbeziehung der Sichteinlagen hiesiger Privatkunden indes waren es 556 Mrd. Euro. Also eine Differenz von 25 Mrd. Euro. Offensichtlich waren das die umdeklarierten Einlagen (zur Klarstellung: Wir reden hier nur von den Einlagen der Private-Banking-Klientel, nicht vom Massengeschäft u.a. bei der Postbank).

Wie groß der Anteil der Einlagen am heutigen Bestand von 606 Mrd. Euro ist, das lässt sich auf Basis öffentlicher Angaben nicht exakt bestimmen. Fairerweise: Der größere Teil des Zuwachses von 531 Mrd. Euro (Q1/23, alte Rechnung) auf nunmehr 606 Mrd. Euro (Q1/24, neue Rechnung) dürfte auf Performance/Markteffekte sowie auf Zuflüsse zurückzuführen sein. Allerdings, was ebenfalls feststehen dürfte: Ohne die Neuberechnung hätten die Gesamt-Assets per März 2024 mit Sicherheit nicht bei >600 Mrd. Euro gelegen – sondern ein gutes Stück drunter.

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2. Fall: Wenn Assets doppelt gezählt werden

Interessanterweise berechnet die Deutsche Bank ihre Assets auch noch in anderer Hinsicht ziemlich offensiv – nämlich an der Schnittstelle von Private Bank und Asset Management (Achtung: Wir rekurrieren hier nicht auf das, was die „Financial Times“ neulich schrieb, nämlich, dass die DWS bei der AuM-Kalkulation die Beratungsmandate unabhängiger Vermögensverwalter einbezieht; das nämlich ist noch eine andere Geschichte).

Wichtig: In diesem zweiten Fall von offensiver Asset-Kalkulation ist nicht die Berechnung als solche neu. Sondern nur, dass die Deutsche Bank die Kalkulation publik gemacht hat, übrigens auch hier in einer von Finanz-Szene entdeckten Fußnote.

Diese findet sich im 2023er-Geschäftsbericht und lautet:

„In Fällen, in denen die Privatkunden-Bank Anlage-Produkte vertreibt, die als verwaltete Vermögenswerte qualifizieren und von der DWS verwaltet werden, werden diese als verwaltete Vermögenswerte für die Privatkunden-Bank und Asset Management (DWS) berichtet, da es sich um zwei verschiedene unabhängige Dienstleistungen für die verwalteten Vermögenswerte handelt.“

Das heißt: Kauft ein Privatkunde der Deutschen Bank ein DWS-Produkt, dann wird der entsprechende Betrag gleich zweimal als Nettozufluss verbucht – einmal in der Private Bank, einmal im Asset Management. Auf Anfrage heißt es dazu: „Es handelt sich nicht um eine Doppelzählung. Private Bank und Asset Management stellen spezifische und unabhängige Services für die Kundenvolumina, die als Assets under Management qualifizieren, zur Verfügung. Während die eine Division die Produkte verkauft, werden die Assets von der anderen Division verwaltet. Das ist übliche Marktpraxis.“

Übliche Marktpraxis? Kann man so sehen, muss man aber nicht. Die UBS zum Beispiel macht es ähnlich, geht dabei aber extrem transparent vor und beziffert sogar das Volumen der Doppelzählung (laut jüngstem Jahresbericht waren es 461 Mrd. Dollar oder knapp 9% aller „Invested Assets“). Die französische Crédit Agricole dagegen eliminiert etwaige Doppelzählungen in ihrer Quartalsberichterstattung ausdrücklich.

Was die Dimensionen bei der Deutschen Bank angeht:

  • Der 2023er-Geschäftsbericht spricht von 57 Mrd. Euro Nettozuflüssen in Private Bank und Asset Management zusammen
  • Hiervon seien 29 Mrd. Euro auf die Private Bank entfallen …
  • … und 28 Mrd. Euro das Asset Management

Welchen Umfang allerdings jene Assets ausmachen, die in die AuMs beide Sparten einfließen – dazu sagt der Geschäftsbericht nichts.

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