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Wie sich Banken im Firmenkunden-Geschäft auf den „Green Deal“ vorbereiten

Nachhaltigkeit ist nicht nur ein Megatrend, sondern viel mehr. Sie wird das beherrschende Thema der kommenden Dekaden sein und Wirtschaft und Gesellschaft im 21. Jahrhundert prägen – vielleicht dominieren. In der politisch-gesellschaftlichen Diskussion in Deutschland, aber auch in der internationalen hat das Thema ESG (Environment, Social, Governance) bereits heute stark an Bedeutung gewonnen. Der Green Deal der EU − der aktuell ehrgeizigste Klimaschutzplan der Welt − hat einen großen Beitrag dazu geleistet.

Deutschland geht mit seinen eigenen Zielen sogar noch einen Schritt weiter als der Green Deal, denn schon bis zum Jahr 2030 sollen die CO2-Emissionen hierzulande um 65% gesenkt werden. Bereits im Jahr 2045 soll Deutschland insgesamt klimaneutral sein. Das ist ein ambitionierter Anspruch und eine gewaltige Herausforderung insbesondere für die in Deutschland ansässigen Unternehmen – vom regional verwurzelten Gewerbetreibenden bis hin zum global agierenden Konzern. Alle Unternehmen müssen den Umbau zur Klimaneutralität für sich gestalten.

Banken haben in ihrer Rolle als Finanzintermediäre die Aufgabe, diese nachhaltige Transformation und den hohen Finanzierungsbedarf zu unterstützen und letztlich zu finanzieren. Angesichts dieser „Jahrhundert-Aufgabe“ als Finanzier der ESG-Transformation und wichtiger Partner im Kampf gegen den Klimawandel wird sich explizit das Firmenkundengeschäft der Banken in den kommenden Jahren grundlegend verändern müssen.

Quelle: ZEB

Die Relevanz von Risiken und Potenzialen der Transformation wird bereits das kommende Jahrzehnt stark prägen und massive Investitionsvolumina erfordern. Firmenkundenbetreuer stehen als direkte Schnittstelle zwischen Firmenkunden und Banken im Zentrum dieser Transformation. Sie müssen künftig Unternehmen bei ihrer Transformation in Richtung Nachhaltigkeit mit Kapital und fundierten Fach,- Branchenkenntnissen unterstützen. Warum ESG für das Firmenkundengeschäft hochrelevant ist, zeigt sich in vier Dimensionen:

Die vier Dimensionen von ESG im Firmenkundengeschäft

  1. Erwartungen der Kunden: Faktisch alle Mittelständler (99%) halten Nachhaltigkeit für ein besonders relevantes Thema, wobei nach aktueller Studienlage* zwei Drittel entweder bereits eine konkrete Nachhaltigkeitsstrategie entwickelt haben oder diese derzeit erarbeiten. Aus dem Anspruch an sich selbst heraus erwächst zudem die Erwartung an Kreditinstitute, ein Partner auf Augenhöhe zu sein. So erwarten fast 70% der befragten Unternehmen, dass ihre Bank sowohl nachhaltige Finanzierungsprodukte anbietet als auch selbst nachhaltig agiert. In Zeiten, in denen Banken um Kunden buhlen und nicht umgekehrt, kommt es aus Kundensicht auf eine enge Kundenbeziehung, detailliertes Nachhaltigkeitswissen und tiefe Kenntnis regulatorischer Anforderungen und Trends einer Bank an.
  2. Anforderungen des Regulators: Sowohl nationale als auch internationale Regulierungsbehörden drängen Kreditinstitute dazu, sich mit dem Thema Nachhaltigkeit zu beschäftigen. Im Basler Rahmenwerk liegen schon jetzt in allen drei Säulen regulatorische Initiativen vor, die sich nach Einführung kurz- bis mittelfristig auf das Firmenkundengeschäft auswirken. So werden im Bereich der Mindestkapital-Anforderungen (Säule 1) u. a. Kapitalerleichterungen für besonders nachhaltige bzw. Kapitalaufschläge für schädliche Finanzierungsvorhaben diskutiert, die eine Lenkungswirkung in der Kreditvergabe entfalten. Dass dabei von Regulierern bisher nur Finanzierungen für die „grünen“ Kunden und weniger für solche, die es werden wollen (Transformationsfinanzierung) bedacht sind, ist kritisch zu beurteilen. Im Bereich der aufsichtlichen Überprüfung (Säule 2) werden u. a. ESG-Kriterien in den SREP aufgenommen sowie ESG eigenständig im Risk Framework berücksichtigt (siehe so z.B. BaFin-Merkblatt zum Umgang mit Nachhaltigkeitsrisiken). Gleichzeitig werden im Bereich der Offenlegungspflichten (Säule 3) erhöhte Anforderungen zu erfüllen sein, so z.B. zum Umfang von physischen und transitorischen Risiken im Portfolio sowie zu granularen Informationen über grüne Vermögenswerte („Green Asset Ratio“). Allein daraus sind umfassende disziplinierende Wirkungen wahrscheinlich.
  3. Reaktionen des Wettbewerbs: In vielen Kreditinstituten hat die systematische Auseinandersetzung mit dem Thema Nachhaltigkeit im Firmenkundengeschäft begonnen und den Start eigener Initiativen ausgelöst. Aus der von zeb durchgeführten European Banking Study geht für die 50 größten Institute in Europa hervor, dass 94% eine Selbstverpflichtung zum Pariser Klimaabkommen abgegeben haben. Fast die Hälfte hat zudem bereits ein definiertes Net-Zero-Ziel, d. h. eine auf netto null reduzierte CO2-Bilanz des gesamten Kredit- und Investmentportfolios. Eine Vielzahl von Banken hat zudem bereits verschiedene grüne Bankprodukte im Angebot. Der Fokus dieser Angebote liegt bisher überwiegend auf der Finanzierung von großen Unternehmen mit „green“ und neuerdings auch „sustainability linked bonds“, aber auch die direkte Finanzierung grüner Projekte wie bspw. von Solar- oder Windparks steht weit oben auf der Agenda.
  4. Ertragspotenziale: Im Rahmen der grünen Transformation der Wirtschaft, darf bei der Festlegung der eigenen nachhaltigen Ambition nicht außer Acht gelassen werden, dass durch die Transformationen ein sehr attraktives zusätzliches Potenzial insbesondere im Firmenkundengeschäft entsteht. Die grüne Umstellung der Wirtschaft ist für den Staat und für die Unternehmen mit enormen Investitionen verbunden. Für das Erreichen der Ziele aus dem Green New Deal muss Europa schätzungsweise jährliche Investitionen von etwa 1.100 Mrd. Euro leisten. Wir erwarten, dass sich anteilig allein für Deutschland von 2020 bis 2050 ein Investitionsbedarf von fast 10 Billionen Euro bzw. ein jährlicher Investitionsbedarf von rund 320 Mrd. Euro ergibt. Die erforderlichen Investitionen sind damit fast fünfmal höher, als die Kosten der deutschen Wiedervereinigung seit 1990 (~ 2.100 Mrd. Euro) und bieten daher große Finanzierungschancen für Banken.

Im Firmenkundengeschäft erwarten wir – nach Jahren des moderaten Wachstums – bis 2025 deutlich wachsende Ertragspotenziale von bis zu 9% jährlich. Wesentliche Treiber für das Wachstum sind das höhere Zinsniveau und die damit zurückkehrende Einlagenmarge sowie höhere Erträge im Kreditgeschäft. In diesem Zuge ist die nachhaltige Transformation noch einmal echter Wachstumstreiber. Wir gehen von einer stark steigenden Bedeutung grüner Produkte aus und einem Ertrags-Impact von bis zu 2,8 Mrd. Euro p.a. (siehe Abbildung 1). Damit steht der nachhaltige Umbau der deutschen Wirtschaft für etwa 20% des Gesamtwachstums im Firmenkunden-Wallet.

Quelle: ZEB

Zusammenfassung

Es wird deutlich, dass eine ESG-konforme Positionierung im Firmenkundengeschäft notwendig ist – nicht nur, um ESG-Risiken zu managen, sondern auch um neue Potenziale zu heben. Um dem Kunden frühzeitig eine ganzheitliche Nachhaltigkeitsberatung bieten zu können, müssen Banken proaktiv handeln. Eine frühzeitige Positionierung ist entscheidend, um die Potenziale im Firmenkundenmarkt zu heben. Hierbei sind die Qualifikation der Mitarbeiter, den Kundenbedürfnissen angepasste Beratungsprozesse, ein nachhaltiges Produktangebot und ESG-konforme Risikoprozesse und -managementsysteme entscheidende Handlungsfelder. Zur zielgerichteten und umfassenden Qualifikation der Mitarbeiter sind spezifische Schulungen für Firmenkundenberater zum Thema ESG die zentrale Basis.

Wenn Chancen ergriffen und Risiken proaktiv gemanaged werden sollen, bietet sich nach unserer Einschätzung noch ein etwa drei- bis fünfjähriges Zeitfenster. Danach werden regulatorische Standards und die Marktentwicklung dafür gesorgt haben, dass ESG-Konformität im FK-Geschäft zum Standard-Repertoire einer Bank gehört.

Folgerichtig ist es für Verantwortliche im Firmenkundengeschäft unabdingbar, die eigene Handlungsagenda zeitnah auf den Prüfstand zu stellen und eine eigene Ambition zu definieren, um rasch die Grundlage für „nachhaltigen“ Erfolg zu legen. It’s sink or swim.

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* Christian Rupp ist Partner, Bernd Liesenkötter ist Senior Manager, Philipp Weißen ist Manager bei der Strategie- und Managementberatung zeb. Diese gehört zu den „Premium-Partnern“ von Finanz-Szene. Mehr zu unserem Partner-Modell erfahren Sie hier.

**Der Artikel basiert auf der zeb-Publikation „Firmenkundenstudie 9.0“, die Sie unter diesem Link hier finden.

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