von B. Neubacher, H.-R. Dohms und C. Behr, 10. September 2025
Es ist ruhig geworden um die europäische Bankenabgabe. Weil der Topf ja jetzt voll ist. Und die Branche nichts mehr einzuzahlen braucht. Player wie die LBBW, die BayernLB oder die Helaba sparen dadurch einen signifikanten zweistelligen Millionenbetrag jährlich. Eigentlich eine schöne Sache! Und doch – trotz des Wegfalls der Bankenabgabe wiesen zwei der drei großen Landesbanken zuletzt Kosten aus, die so hoch waren wie nie zuvor. So stieg der Verwaltungsaufwand bei der Helaba von Januar bis Juni um 3% auf 915 Mio. Euro (siehe hier), während die LBBW inklusive Sondereffekten einen Auftrieb um 9% auf 1,311 Mrd. Euro zu verkraften hatte (siehe hier). Hinzu kam: Die BayernLB verbuchte im ersten Halbjahr zwar auf den ersten Blick ein Kostenplus von lediglich 2%. Bereinigt um die DKB schoss der Verwaltungsaufwand (inklusive Pflichtabgaben und Restrukturierung) in München allerdings sogar um 17% (!) in die Höhe.
Ketzerische Frage: Sind die Landesbanken, was die Kosten angeht, womöglich die neuen Förderbanken (siehe –> Coûte que coûte – wie bei unseren Landesförderbanken die Kosten explodieren), Fleische vom Fleische, Brüder im Geiste? Sachliche Antwort: Nein, sind sie nicht!
Denn: Das Bild ist bei weitem nicht so einhellig, wie man im ersten Moment meint. Die LBBW packt zwar neuerdings ordentlich Kosten drauf – kommt aber von einem über viele Jahre hinweg stabil gehaltenen Basisniveau. Die BayernLB wiederum hat, ex DKB betrachtet, heute trotz des jüngsten Auftriebs immer noch niedrigere Kosten als zum Beispiel 2020 (freilich auch dank des Wegfalls der Bankenabgabe). Und die NordLB, gestählt durch ihre tiefgreifende Restrukturierung, ist inzwischen ohnehin viel schlanker aufgestellt als noch vor fünf oder zehn Jahren. Wie sieht im Landesbanken-Sektor die kurz-, mittel- und langfristige Kostendynamik also wirklich aus? Was sind die wesentlichen Treiber? Welche Rolle spielen die jüngsten Tarifabschlüsse? Und wie wirken sich die „ATs“, also die außertariflich Beschäftigten (die bei mancher Landesbank ja >50% aller Mitarbeiter ausmachen), auf die Kostenentwicklung aus?
Wir hatten das Gefühl, es ist mal wieder Zeit für einen richtigen „Deep Dive“ – hier unsere Analyse in 12.495 Zeichen, 15 Grafiken und zwei Tabellen
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Während bei der Helaba der Verwaltungsaufwand in den letzten Jahren kontinuierlich gestiegen ist (und zwar im insgesamt exakt 50%), hielt die LBBW die Kosten in den späten 2010er-Jahren relativ konstant – seitdem allerdings gehen sie deutlich in die Höhe. Die BayernLB (ex DKB betrachtet) senkte den Aufwand speziell zwischen 2020 und 2024 kräftig; bei der NordLB ist das Kostenniveau heute um rund ein Viertel niedriger als noch vor zehn Jahren.
Bei der BayernLB ist der reine Verwaltungsaufwand in den letzten fünf Jahren gerade mal um insgesamt 6% auf jetzt 810 Mio. Euro gestiegen. Bringt man die Pflichtbeiträge (also Bankenabgabe und Einlagensicherung) sowie Retrukturierungskosten in Anrechnung, dann sind sie sogar leicht gesunken – nämlich um 5% auf 856 Mio. Euro. Ein erstaunlicher Befund.
Zerlegt man die Kosten der Münchner Landesbank dabei in ihre Einzelteile, dann ergibt sich ein regelrechtes Wimmelbild. So zeigt sich unter anderem:
Ein Teil der Antwort ergibt sich aus den stark schwankenden (bzw. zuletzt im Falle der europäischen Bankenabgabe sogar verschwundenen) Pflichtbeträge. Allerdings zeigen sich auch bereinigt um die Pflichtbeiträge ein teils wildes Auf und vor allem auch Ab.
Am offenkundigsten ist dies bei der NordLB, die im Zuge ihrer Rettung im Jahr 2019 radikal verkleinert wurde – und die heute nur noch 3.750 Mitarbeiter beschäftigt (vor zehn Jahren waren es Ende Dezember noch 6.434 Mitarbeiter). Auch deshalb sind die Kosten in Hannover, selbst wenn man um Pflichtbeiträge und Bankenabgabe bereinigt, heute mit 421 Mio. Euro ein Viertel niedriger als noch im ersten Halbjahr 2015 (und auch noch um 10% niedriger als im ersten Halbjahr 2020).
Bei der BayernLB (ex DKB) wiederum lief das „Fokus 2024“ genannte große Transformationsprogramm von Anfang 2020 bis Ende 2023. Es führte zwar dazu, dass vorübergehend ein höherer Restruktukturierungsaufwand anfiel – hatte aber auch zur Folge, dass die reinen Verwaltungskosten heute mit 432 Mio. Euro nicht höher sind als vor fünf Jahren (da waren es nämlich ebenfalls 432 Mio. Euro).
Bei der DKB wiederum waren es insbesondere IT-Investitionen, die den reinen Verwaltungsaufwand in den späten 2010er- und früheren 2020er-Jahre regelrecht explodieren ließen. Mit ihrem Sparprogramm „Fit 4 Growth“ steuern die Berliner seit Mitte 2023 gegen, liegen, was den reinen Verwaltungsaufwand angeht, aktuell aber immer noch um 10-15% über dem Kostenniveau von 2020.
Auch bei der Helaba wurde Anfang 2020 ein großes Programm zur Kostensenkung angekündigt – bis zu 400 Stellen sollten wegfallen. Tatsächlich weist die hessische-thüringische Landesbank heute aber mit konzernweit 6.734 Mitarbeitern mehr Beschäftigte aus als vor fünf Jahren (da waren es zum Jahresende 6.241). Und auch der Verwaltungsaufwand ist inzwischen um fast ein Fünftel höher (915 Mio. Euro versus 778 Mio. Euro), obwohl die Helaba als einzige Landesbank die Bankabgabe in diese Position einrechnet, der tatsächliche Kostenauftrieb also sogar noch größer sein dürfte, weil die Belastungen aus der Bankenabgabe ja gesunken sind.
Warum die Kosten bei der Helaba, anders als den anderen Landesbanken, dermaßen konstant zulegen, ist nicht ganz klar. Die Verzögerungen bei der großen IT-Renovierung (siehe –> Macken im Core-Banking: Helaba gibt Zeitplan für IT-Umbau auf) dürften sicherlich eine Rolle spielen.
Naturgemäß eine große – allerdings auf 10-Jahressicht in Relationen zu den Gesamtkosten (also unter Berücksichtigung von Sachaufwand, Pflichtbeiträgen und Restrukturierung) keinen überproportional großen.
Schaut man allein auf die aktuelle Entwicklung, tragen die Personalkosten einen signifikanten und leicht überproportionalen Anteil zum Kostenanstieg bei – wobei der Anteil am gesamten Verwaltungsaufwand (hier ohne Pflichtabgaben) im Falle der NordLB und der LBBW sogar merklich mehr als 50% liegt:
Zur Begründung rühmen sich die drei großen Landesbanken ihrer Investitionen in gutes Personal …
… Tatsächlich allerdings erklärt der Personalaufbau die gestiegenen Kosten nur teilweise:
Stattdessen dürfte der größte Teil des Personalkostenanstiegs auf die Tarifvereinbarungen aus dem letzten Herbst zurückführen sein. Demnach zogen die Gehälter per November 2024 um 6% an (siehe zu den Tarifverhandlungen unseren Überblick „Die aktuellen Tarifrunden bei den Banken: wer was fordert – wer was kriegt“ sowie zu den Folgen für Sparkassen und Landesbanken hier). Im November dieses Jahres legen sie um weitere 2,8% zu und im November 2026 um nochmals 2,7%. Das ergibt einen Gehaltsanstieg um 11,5% in 32 Monaten bis Juni 2027.
Sind die Landesbanken weiteren Kostensteigerungen damit aufgrund der starken Stellung der Gewerkschaft im öffentlichen Bankensektor schutzlos ausgeliefert?
Auf den ersten Blick haben die Landesbanken mit der außertariflichen Vergütung ein Instrument in der Hand, dem Tarifeffekten entgegenzuwirken. So werden zum Beispiel bei der Helaba 49% der Beschäftigten außertariflich vergütet, bei der LBBW sind es 51% und bei der NordLB 54% (und übrigens bei der Deka, auch wenn die keine Landesbank ist, sogar zwei Drittel – aber das nur nebenbei).
Einfach mal ganz simpel und Pi mal Daumen kalkuliert: Wenn vom gesamtem Verwaltungsaufwand grob die Hälfte auf die Personalkosten entfällt und von den Beschäftigten wiederum nur grob die Hälfte nach Tarif bezahlt wird (und im Zweifel sind das ja nicht die teuersten Mitarbeiter) – dann dürfte eine Lohnerhöhung von, sagen wir, 10% erst einmal nur zu einem Kostenanstieg von allenfalls 2,5% führen. Soweit die Milchmädchen-Rechnung.
In Wirklichkeit allerdings partizipieren bei den Landesbanken nach VÖB-Angaben auch die außertariflichen Beschäftigten an Tariflohnerhöhungen. So zumindest ist es die Regel – wobei die sogenannte „Volldynamisierung“ (das hieße, die prozentualen Erhöhungen würden vollständig auch auf die AT-Gehälter angewendet, ohne Abschläge oder Deckelungen) kein Selbstläufer ist.
Zu der Frage, wie die entsprechenden Regelungen im Detail aussehen, will sich keine Landesbank offiziell äußern. Nähern kann man sich dem Thema aber trotzdem:
Gleichwohl bemühen sich die Landesbanken, so ist unisono zu hören, seit einigen Jahren darum, den Konnex zwischen tariflicher und außertariflicher Vergütung zumindest zu lockern. Relativ rigide geht dabei die NordLB vor. Dort sehen Neuverträge mit AT’lern, die in die Bank eintreten oder eine Hierarchiestufe aufsteigen, schon seit einigen Jahren von vorne herein ein Festgehalt ohne Dynamisierung vor (ein kausaler Zusammenhang mit Rettung der Bank im Jahr 2019 bestehe nicht, wird betont). Inzwischen sei der größte Teil der AT-Verträge nicht mehr volldynamisiert, die LBBW hat die Entwicklung der tariflichen gar komplett von jener der außertariflichen entkoppelt, ist zu hören. Andernorts scheinen dagegen immer noch die AT-Verträge mit Volldynamisierung zu dominieren. So antwortet die Helaba auf die Frage, wie stark denn ein Tarifabschluss auf die Vergütung der außertariflich Beschäftigten durchschlage:
„Dies ist abhängig vom Vertrag, da wir unseren Standard AT-Vertrag vor einigen Jahren an den Markt angepasst haben. Aktuell werden die Tarifabschlüsse noch an die Mehrheit der außertariflich Beschäftigten vollumfänglich weitergegeben. Für einen kontinuierlich ansteigenden Teil der außertariflich Beschäftigten wird ein Teil der Tarifabschlüsse weitergegeben und zudem ein leistungsabhängig zu verteilender Pool für Gehaltserhöhungen zur Verfügung gestellt, der sich an den Tarifabschlüssen orientiert.“
Bis auf Weiteres dürften sich hohe Tarifabschlüsse also noch mehr oder weniger doppelt in den Kosten niederschlagen: Bei den tariflich Beschäftigten. Aber eben auch bei einem großen (wenn auch langsam sinkenden) Teil der außertariflich Beschäftigten.
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