Partner-Blog

Was Banken und Sparkassen beim Gesetz zur Barrierefreiheit beachten müssen

Stellen Sie sich vor, Sie müssten eine dringende Überweisung per Online-Banking tätigen. Doch aufgrund Ihrer Sehbeeinträchtigung wird das zu einer Herausforderung. Die Schrift auf der Website ist zu klein, die Kontraste sind zu schwach, und die Navigation ist ohne Maus kaum möglich. Die auftauchenden Fehlermeldungen erscheinen in roter Schrift, die Sie jedoch kaum erkennen können. Eine an sich alltägliche Aufgabe wird ohne fremde Hilfe fast unmöglich zu bewältigen.

Und nun?

Am 28. Juni 2025 tritt das Gesetz zur Barrierefreiheit von Bankdienstleistungen in Kraft. Dieses Gesetz verpflichtet Finanzdienstleister, alle digitalen Berührungspunkte wie Websites, Online-Banking-Portale, Apps, Geldautomaten und telefonische Sprachsysteme genauso barrierefrei zu gestalten wie etwa ihre hauseigene Bankfiliale. Das Ziel ist, Menschen mit unterschiedlichen Einschränkungen gleichberechtigten Zugang zu Finanzdienstleistungen zu ermöglichen.

Je nach Schwere der Beeinträchtigung werden in Deutschland zwischen knapp 10% und einem Drittel der Menschen über 16 Jahre zu der Gruppe gezählt, deren physische, Seh-, Hör- und neurokognitive Einschränkungen sie an einer „normalen“ Teilhabe am täglichen Leben hindern, wenn keine Rücksicht auf ihre besonderen Bedürfnisse genommen wird. Betroffen sind auch immer mehr Ältere, denn 94% aller Behinderungen werden im Laufe des Lebens erworben. Mit den Bedürfnissen und Herausforderungen dieser (wachsenden) Bevölkerungsgruppe muss sich die Branche nun – endlich – auseinandersetzen.

Neue Regelungen bringen neue Anforderungen für Finanzdienstleister

Die EU hat die neuen Anforderungen zur Barrierefreiheit im „European Accessibility Act“ (EAA) definiert. In Deutschland treten sie durch das „Barrierefreiheitsstärkungsgesetz“ (BFSG) zum 28. Juni 2025 in Kraft. Im Gesetz werden Produkt- und Servicemerkmale festgelegt, die für Menschen mit Behinderung zugänglich sein müssen. Sie unterliegen Kriterien wie Wahrnehmbarkeit, Bedienbarkeit, Verständlichkeit und Robustheit. Praktische Vorgaben für deren Umsetzung bieten die „Web Content Accessibility Guidelines“ (WCAG) des World Wide Web Consortium.

Allein der Blick auf diese Standards – festgeschrieben in vier Prinzipien, 13 Richtlinien, 86 Erfolgskriterien und unzähligen Techniken – macht deutlich: Da kommt einiges auf die Branche zu. Die Herausforderungen lassen sich unseren Erfahrungen nach in 4 Hauptbereiche unterteilen:

  1. Anforderungen verstehen: Finanzdienstleister müssen zunächst die gesetzlichen Anforderungen und Standards verstehen. Welche Touchpoints sind betroffen? Welche Optionen zur Umsetzung gibt es und welche Ressourcen müssen bereitgestellt werden?
  2. Touchpoints analysieren: Eine gründliche Analyse der bestehenden Touchpoints ist erforderlich. Wie und nach welchen Kriterien werden die Touchpoints getestet? Welche Handlungsfelder sind besonders wichtig und zu priorisieren? Wie bereite ich die Ergebnisse handlungsorientiert für die internen Einheiten und externen Dienstleister auf?
  3. Änderungen umsetzen: Für die Umsetzung der erforderlichen Änderungen ist spezifisches Know-how notwendig. Was brauchen die Mitarbeitenden, um die Anforderungen zu bearbeiten? Wie sieht barrierefreies Design und entsprechender Code aus? Welche Dinge müssen bei einem barrierefreien Design beachtet werden?
  4. Kontrollieren und nachhalten: Nach der Umsetzung müssen die Maßnahmen kontinuierlich überprüft und angepasst werden. Wird alles rechtzeitig fertig und läuft alles nach Plan? Ist eine Zertifizierung nach der Umsetzung notwendig? Welche zukünftigen Anforderungen müssen beachtet werden?

Von einer Erstbewertung des Status quo über Trainings und Beratung bis zur umfassenden Integration von Barrierefreiheit in Ihre digitalen Services und Produkte stehen verschiedene Angebote bereit. Angefangen von automatisierten Tests und Assistenz-Software, die einzelne Funktionen digitaler Anwendungen barrierefrei machen, bis hin zu Agenturen, die umfassendere Anpassungen vornehmen und sicherstellen, dass die digitalen Angebote für alle Benutzergruppen optimiert sind und der Weg dorthin reibungslos abläuft.

Mit Barrierefreiheit neue Zielgruppen erschließen

Indem Banken und andere Finanzdienstleister das Thema Barrierefreiheit gezielt angehen, leisten sie nicht nur einen wichtigen Beitrag zur Inklusion, sondern stärken auch Ihre Position als zukunftsfähiger Anbieter. Denn die barrierefreie Gestaltung der digitalen Angebote eröffnet die Möglichkeit, eine breitere Zielgruppe zu erreichen und langfristig Kundenbeziehungen aufzubauen – auch mit Blick auf den demografischen Wandel.

––––––––––––––––––––

*René Lange (rene.lange@zeb-applied.com) ist Senior Manager bei der zeb-eigenen Design- und Entwicklungseinheit namens applied. Christoph Kerle (christoph.kerle@zeb-applied.com) ist dort Marketing-Spezialist und koordiniert das Angebot zum Thema Barrierefreiheit. Mehr zu unserem Premium-Partner-Modell erfahren Sie hier

Rechtehinweis

Die Artikel von Finanz-Szene sind urheberrechtlich geschützt und nur für den jeweiligen Premium-Abonnenten persönlich bestimmt. Die Weitergabe – auch an Kollegen – ist nicht gestattet. Wie Sie Inhalte rechtssicher teilen können (z.B. via Pressespiegel), erfahren Sie hier.

Danke für Ihr Verständnis. Durch Ihr Abonnement sichern Sie ein Stück Journalismus!

To top