von René Lange und Christoph Kerle*, 17. September 2024
Stellen Sie sich vor, Sie müssten eine dringende Überweisung per Online-Banking tätigen. Doch aufgrund Ihrer Sehbeeinträchtigung wird das zu einer Herausforderung. Die Schrift auf der Website ist zu klein, die Kontraste sind zu schwach, und die Navigation ist ohne Maus kaum möglich. Die auftauchenden Fehlermeldungen erscheinen in roter Schrift, die Sie jedoch kaum erkennen können. Eine an sich alltägliche Aufgabe wird ohne fremde Hilfe fast unmöglich zu bewältigen.
Und nun?
Am 28. Juni 2025 tritt das Gesetz zur Barrierefreiheit von Bankdienstleistungen in Kraft. Dieses Gesetz verpflichtet Finanzdienstleister, alle digitalen Berührungspunkte wie Websites, Online-Banking-Portale, Apps, Geldautomaten und telefonische Sprachsysteme genauso barrierefrei zu gestalten wie etwa ihre hauseigene Bankfiliale. Das Ziel ist, Menschen mit unterschiedlichen Einschränkungen gleichberechtigten Zugang zu Finanzdienstleistungen zu ermöglichen.
Je nach Schwere der Beeinträchtigung werden in Deutschland zwischen knapp 10% und einem Drittel der Menschen über 16 Jahre zu der Gruppe gezählt, deren physische, Seh-, Hör- und neurokognitive Einschränkungen sie an einer „normalen“ Teilhabe am täglichen Leben hindern, wenn keine Rücksicht auf ihre besonderen Bedürfnisse genommen wird. Betroffen sind auch immer mehr Ältere, denn 94% aller Behinderungen werden im Laufe des Lebens erworben. Mit den Bedürfnissen und Herausforderungen dieser (wachsenden) Bevölkerungsgruppe muss sich die Branche nun – endlich – auseinandersetzen.
Die EU hat die neuen Anforderungen zur Barrierefreiheit im „European Accessibility Act“ (EAA) definiert. In Deutschland treten sie durch das „Barrierefreiheitsstärkungsgesetz“ (BFSG) zum 28. Juni 2025 in Kraft. Im Gesetz werden Produkt- und Servicemerkmale festgelegt, die für Menschen mit Behinderung zugänglich sein müssen. Sie unterliegen Kriterien wie Wahrnehmbarkeit, Bedienbarkeit, Verständlichkeit und Robustheit. Praktische Vorgaben für deren Umsetzung bieten die „Web Content Accessibility Guidelines“ (WCAG) des World Wide Web Consortium.
Allein der Blick auf diese Standards – festgeschrieben in vier Prinzipien, 13 Richtlinien, 86 Erfolgskriterien und unzähligen Techniken – macht deutlich: Da kommt einiges auf die Branche zu. Die Herausforderungen lassen sich unseren Erfahrungen nach in 4 Hauptbereiche unterteilen:
Von einer Erstbewertung des Status quo über Trainings und Beratung bis zur umfassenden Integration von Barrierefreiheit in Ihre digitalen Services und Produkte stehen verschiedene Angebote bereit. Angefangen von automatisierten Tests und Assistenz-Software, die einzelne Funktionen digitaler Anwendungen barrierefrei machen, bis hin zu Agenturen, die umfassendere Anpassungen vornehmen und sicherstellen, dass die digitalen Angebote für alle Benutzergruppen optimiert sind und der Weg dorthin reibungslos abläuft.
Indem Banken und andere Finanzdienstleister das Thema Barrierefreiheit gezielt angehen, leisten sie nicht nur einen wichtigen Beitrag zur Inklusion, sondern stärken auch Ihre Position als zukunftsfähiger Anbieter. Denn die barrierefreie Gestaltung der digitalen Angebote eröffnet die Möglichkeit, eine breitere Zielgruppe zu erreichen und langfristig Kundenbeziehungen aufzubauen – auch mit Blick auf den demografischen Wandel.
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*René Lange (rene.lange@zeb-applied.com) ist Senior Manager bei der zeb-eigenen Design- und Entwicklungseinheit namens applied. Christoph Kerle (christoph.kerle@zeb-applied.com) ist dort Marketing-Spezialist und koordiniert das Angebot zum Thema Barrierefreiheit. Mehr zu unserem Premium-Partner-Modell erfahren Sie hier.
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