Exklusiv: Wie die Gebühren-Keule die Bilanzen der Sparkassen und Volksbanken rettet

Kann man mit ein paar Euro mehr eine Bankibilanz zum glänzen bringen? Der Fall der Mittelbrandenburgischen Sparkasse (MBS) zeigt: Ja, das geht. Und wie!

Im Herbst 2016 hatte das in Postdam beheimatete Institut seine Kontogebühren erhöht. Onlinekunden zahlen seitdem 2,50 Euro im Monat (statt gar nichts), der Preis für die Premium-Konto stieg von 6,50 auf 8,50 Euro, Geschäftskunden zahlen 12,50 statt 4,50 Euro, zudem verteuerte sich die Gebühr für die Kreditkarte auf 35 Euro jährlich. Der Effekt: Als die MBS dieser Tage ihr Geschäftsergebnis für 2017 veröffentlichte, war der Provisionsüberschuss – der zeigt, wie viel Geld eine Bank mit ihren Gebühren verdient – um sensationelle 31 Prozent gestiegen. Das habe zwar nicht nur an den höheren Kontoentgelten, heißt es  bei der MBS. Aber sie seien doch „ein wesentlicher Treiber“ gewesen.

Tatsächlich ist die Mittelbrandenburgische Sparkasse zwar ein Extrem-, aber kein Einzelfall. Denn das Gebühren-Wunder ist momentan bei vielen  Sparkassen und Volksbanken zu beobachten. Die Sparkasse München etwa steigerte das Provisionsergebnis um 17 Prozent, bei der Volksbank Hannover waren es 19 Prozent, bei der Sparkasse Essen 8 Prozent und bei der Sparkasse Aachen 13 Prozent. Die Datenspezialisten von Barkow Consulting haben ermittelt: Bei gut 500 Kleinbanken, die zusammen für rund 43 Prozent des öffentlich-rechtlichen und des genossenschaftlichen Bankensektors stehen (die übrigen Resultate sind noch nicht bekannt), erhöhte sich der Provisionsüberschuss im Schnitt um 7,1 Prozent – was den stärksten Anstieg seit 13 Jahren bedeutet.

„Die deutschen Banken sind bei Stärkung ihres generell schwachen Provisionsergebnisses im letzten Jahr einen deutlichen Schritt vorangekommen“, lautet das Fazit von Peter Barkow. Und: „Der Trend wird vermutlich weitergehen. Denn viele Gebührenerhöhungen wurden erst im Laufe des vergangenen Jahres vollzogen, sodass sich der volle Effekt erst in den 2018er-Zahlen zeigen wird.“

Geht die Gebühren-Wette der deutschen Retailbanken also tatsächlich auf? Es scheint so. Rückblick: Um die sinkenden Zinserlöse zu kompensieren, begannen vor ein, zwei Jahren immer mehr Geldinstitute damit, ihre Kontogebühren zu erhöhen. Es schien sich um eine Verzweiflungstat zu handeln. Denn: Traditionell verdienen gerade die Sparkassen und Volksbanken den ganz überwiegenden Teil ihres Ertrags im Zinsgeschäft. Die Provisionen machten und machen bei den allermeisten Kleinbanken weniger als 20 Prozent aus. Mathematisch ist die Sache bei einem Verhältnis von 80:20 somit eindeutig: Für jedes Prozent, mit dem das Zinsergebnis sinkt, muss der Provisionsüberschuss, wenn der Effekt eins zu eins kompensiert werden soll, um vier Prozent steigen. Wie sollte das gehen? Zumal ja auch noch die Frage offen war: Machen die Kunden das überhaupt mit? Oder sucht gerade die lukrative Klientel das Weite?

Nun sieht es  jedoch so aus, dass der Gebühreneffekt den (befürchteten) Zinseffekt 2017 mehr als überkompensiert hat – zumal noch gar nicht klar ist, ob der Zinsüberschuss überhaupt auf breiter Flur zurückgegangen ist. Denn vielen Kleinbanken ist es offenbar durch höhere Volumina und größere Risiken gelungen, das Zinsergebnis zumindest konstant zu halten. Und: Von einer Kundenflucht ist bislang wenig zu sehen. Das einzige prominente Opfer schien die Postbank zu sein, die als erste große Bank ihre Gebühren anhob und darum öffentlich besonders unter Beschuss stand. Sie verlor nach Recherchen von „Finanz-Szene.de“ zwischen Mitte 2016 und Mitte 2017 unterm Strich rund 250.000 Kunden …

http://finanz-szene.de/exklusiv-postbank-verliert-rund-10-ihrer-giro-bestandskunden/

… doch selbst die Postbank (deren Provisionsüberschuss 2017 übrigens um 12 Prozent wuchs) vermeldet inzwischen, dass sich die Lage stabilisiert habe. Im vierten Quartal sei die Zahl der Girokonten sogar wieder leicht gewachsen. Andernorts klingen die Botschaften ähnlich. So heißt es bei der Mittelbrandenburgischen Sparkasse, sie hab Ende 2017 mehr Kunden gehabt als Ende 2016. Das gleiche galt für die Öko-Bank GLS, die ihrer Klientel zusätzlich zu den bestehenden Kontoentgelten sogar noch einen jährlichen Solidarbeitrag von 60 Euro abverlangte. 18.000 der 211.000 Kunden flohen zwar. Dafür aber kamen 20.000 neue hinzu.

Aus Sicht von Karsten Junge von der Beraterfirma Consileon haben die Banken sogar noch etwas  Spielraum für weitere Gebührenerhöhungen, ohne dass sie eine Massenflucht der Kunden befürchten müssen.  „Deutschland bildet – neben den Niederlande – in Bezug auf die erzielte Gebührenmarge das Schlusslicht in Europa“, sagt der Experte.  Die Marge sei beispielsweise in Frankreich oder der Schweiz doppelt so hoch wie hierzulande „Da die Deutschen weiterhin nicht besonders wertpapieraffin sind und auch Kreditkarten verhältnismäßig wenig nutzen, ist die Erhöhung der Kontoführungspreise ein probates Mittel, um rasch einen Ergebniseffekt zu erzielen“ so Junge weiter.

Was das Ganze unterm Strich ausmacht? Die GLS Bank kann nun mit knapp  10 Mio. Euro Solidar-Profits jährlich kalkulieren (213.000 Kunden mal 60 Euro abzüglich der Vergünstigungen zum Beispiel für jüngere Kunden). Das ist geradezu existenziell angesichts eines Bilanzgewinns von gerade einmal 7,6 Mio. Euro. Bei der Mittelbrandenburgischen Sparkasse ist die Rechnung wegen der unterschiedlichen Kontenmodelle zwar nicht ganz so transparent. Allerdings lässt sich schätzen: Angesichts von insgesamt rund 470.000 Kunden dürften die Zusatzertäge im niedrigen zweistelligen Millionenbereich liegen und somit merklich zum Vorsteuerergbnis von 84 Mio. Euro beigetragen haben.

Alles in allem übrigens schätzt Barkow Consulting, dass die höheren Gebühren den Sparkassen und Volksbank 2017 mehr als 800 Mio. Euro zusätzlich in die Kassen gespült haben. Beziehe man die übrigen Retailbanken in die Rechnung ein, dann steige die Summe sogar auf mehr als eine Mrd. Euro.

Rechtehinweis

Die Artikel von Finanz-Szene sind urheberrechtlich geschützt und nur für den jeweiligen Premium-Abonnenten persönlich bestimmt. Die Weitergabe – auch an Kollegen – ist nicht gestattet. Wie Sie Inhalte rechtssicher teilen können (z.B. via Pressespiegel), erfahren Sie hier.

Danke für Ihr Verständnis. Durch Ihr Abonnement sichern Sie ein Stück Journalismus!

To top