von Bernd Neubacher, 8. Februar 2023
Von der Deutschen Bank wusste man es ja schon. Doch auch vier weitere deutsche Institute müssen im Zuge der neuen SREP-Vorgaben (das Kürzel steht für Supervisory Review and Evaluation Process) künftig mehr Eigenkapital vorhalten, wie gestern bekannt wurde.
Was sind die Gründe für die neuen Anforderungen? Und wie blickt die EZB-Bankenaufsicht überhaupt auf die hiesigen Banken? Unsere Analyse:
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Für fünf deutsche Häuser hat die EZB ihre Mindestkapital-Anforderung namens „Pillar 2 Requirement“ (P2R), die großteils in Form harten Eigenkapitals zu erfüllen ist, heraufgesetzt. Zu dieser Gruppe zählt, wie nach ersten Meldungen Ende 2022 schon zu erwarten war, die Deutsche Bank. Ihr Wert stieg – wohl wegen ihrer Leveraged-Finance-Aktivitäten – von 2,5% auf 2,7%. Von diesen 20 Basispunkten muss sie mindestens 11bp als hartes Kernkapital vorhalten. Damit dürfte die Mindestanforderung an ihr hartes Kernkapital (die sie im Geschäftsbericht 2021 auf 10,43% bezifferte) auf 10,54% steigen.
Neben der Deutschen Bank trifft es noch die folgenden Institute:
Zwar äußert sich die EZB als Aufsicht für die großen Banken der Euro-Zone grundsätzlich nicht zu einzelnen Instituten. Unverkennbar ist aber, dass die höheren Auflagen unter anderem Banken treffen, die wie die Aareal Bank oder die Helaba ansehnliche Immobilienrisiken in ihren Bilanzen führen (wobei sich mit der Münchener Hypothekenbank sowie der Deutschen Pfandbriefbank auch Immobilienfinanzierer finden, deren Anforderungen unverändert geblieben sind). Bemerkenswert ist der Anstieg bei der deutschen State Street, zum einen weil das Geschäft des Wertpapierverwahrers tendenziell eigentlich als risikoärmer gilt, zum anderen weil die Erhöhung stolze 40 Basispunkte beträgt und damit in dieser Gruppe am höchsten ausfällt.
Entlastung erfahren dagegen die Hamburg Commercial Bank sowie die in Frankfurt ansässige UBS Europe (beide minus 25 Basispunkte). Für den Rest der nach Lesart der EZB bedeutenden Institute mit Sitz in der Bundesrepublik bleibt die Kapitalanforderung konstant. Die komplette Tabelle mit den SREP-Anforderungen aller relevanten Banken finden Sie am Ende dieses Textes (mit der kleinen Einschränkung, dass die EZB für Citigroup Global Markets Europa sowie für die ING Diba noch keine Daten publiziert hat).
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Wer die zusätzlichen Mindestanforderungen ans harte P2R-Kernkapital der Banken aggregiert betrachtet, der erkennt, dass der gewichtete Durchschnitt mit 1,1 Prozentpunkten unverändert geblieben ist. Gleiches gilt für die „Pillar 2 Guidance“ (P2G). Die wird im Einzelfall nicht publiziert und kommt im Gegensatz zur P2R nur als Empfehlung daher – Banken tun dennoch gut daran, sie einzuhalten. Hinzu kommt: Diese P2G liegt weiter bei durchschnittlich 1,3 Prozentpunkten. Im Aggregat hat sich also bei den Kapitalanforderungen nichts geändert, auch wenn einige Instituts angesichts ihrer Vorsorge für faule Kredite oder ihre Leveraged-Finance-Aktivitäten Zuschläge kassiert haben.
Die Gesamtanforderung ans harte Kernkapital mitsamt P2R und P2G hat sich allein infolge makroprudenzieller Maßnahmen wie einem Extrapuffer für Wohnimmobilien-Kredite im Mittel um 30 Basispunkte erhöht, auf durchschnittlich 10,7%. Dabei erhielten 90% der Banken dieselbe SREP-Gesamtnote wie im Vorjahr. Der Anteil jener Häuser mit der schlechtesten SREP-Gesamtnote von 4 sank um einen Prozentpunkt auf 7%.
Zerschlagen haben sich am Mittwoch Befürchtungen aus dem vergangenen Jahr, die europäische Bankenaufsicht könnte angesichts des Krieges in der Ukraine sowie des Anstiegs der Energiepreise auf breiter Front Dividenden-Zahlungen kappen, zum zweiten Mal nach der Pandemie. Vielmehr wurde deutlich: Die EZB steht auch großzügigen Ausschüttungen durch Banken nicht im Weg, solange sie denkt, dass das Eigenkapital der Banken deren Risiken abdeckt. Das ist offenbar weitestgehend der Fall, auch wenn überall die Kreditrisiken wachsen und die Aufseher in ihrem Dialog mit den Banken – in den Worten ihres Chefs Andrea Enria – „in einer begrenzten Zahl von Fällen“ Institute davon überzeugt haben, kürzer zu treten.
Wie es aussieht, werden die europäischen Großbanken unter der Aufsicht der EZB in diesem Jahr 51% ihrer Bruttogewinne an die Aktionären ausschütten. Inzwischen steht der Sektor ja auch wieder etwas besser da: Die Zinswende hat geholfen, die Eigenkapital-Rendite im dritten Quartal 2022 auf durchschnittlich 7,6% zu hieven – den höchsten Stand, seit die EZB ihre Aufgabe als Bankenaufsicht im November 2014 übernommen hat. Und vorläufige Zahlen deuten darauf hin, dass die Verzinsung im Schlussquartal des vergangenen Jahres sogar zweistellig gewesen ist. Es passt ins Bild, dass Ende 2021 noch sechs Banken auf ihren „freiwilligen“ Kapitalpuffer, die Pillar 2 Guidance (P2G), zurückgriffen, Ende 2022 hingegen nurmehr ein Institut diesen Schritt gehen musste.
Die EZB verstärkt ihre Anstrengungen, im Bankensektor eine gescheite Aggregation von Risikodaten durchzusetzen. Dass es in den Instituten damit nicht zum Besten bestellt ist, hat Enria schon mehrfach deutlich beklagt. Am Mittwoch aber schlug der Italiener deutlich forschere Töne als bisher an und erklärte unverblümt, in diesem Punkt müsse die Aufsicht “eskalieren”. Enria nannte „Risk Data aggregation and reporting“ die Subkategorie mit den schlechtesten SREP-Ergebnissen, wenn es um interne Governance gehe. Bereits vor fast sieben Jahren habe die Aufsicht eine eingehende Überprüfung initiiert, und schon vor zehn Jahren habe der Baseler Ausschuss für Bankenaufsicht die relevanten Standards vorgelegt. Dennoch fehlten in vielen Banken die nötigen Ressourcen, und die Zahl der Fälle, in denen die Aufsicht Maßnahmen einleite, nehme zu.
Auf die Frage von Finanz-Szene, ob Defizite der Banken auf Unwillen oder – angesichts einer vielfach veralteten IT – eher auf Unvermögen zurückzuführen seien, erklärte Enria, seinem Eindruck nach sei dies eher eine Kostenfrage. Es erfordere nun einmal einen hohen finanziellen Aufwand, den vorhandenen, über lange Zeiträume entstandenen IT-Systemen auf den Grund zu gehen und systematisch für eine schnellere, zuverlässige und akkurate Aggregation risikorelevanter Daten zu sorgen. Da sich dieser Aufwand aber erst auf längere Sicht auszahle, fehle dem jeweils aktuellen, dann absehbar nicht mehr im Amt befindlichen Management der nötige Anreiz.
Die Bedrohung für Europas Banken durch Cyber-Angriffe Russlands relativierte Andrea Enria. Die Zahl der Attacken habe bereits während der Pandemie zugenommen und verharre seit Beginn des Krieges auf hohem Niveau, sagte er. Die Auswirkungen dieser Angriffe seien allerdings „nicht massiv“ gewesen, auch wenn sie natürlich jeweils Aufmerksamkeit des Managements gebunden hätten.
Erstmals hat sich die EZB im Zuge ihres SREP auch Risiken infolge einer exzessiven Verschuldung der Banken gewidmet. In der Folge hat sie im Falle von vier Banken Maßnamen verhängt. Allerdings hat sie noch keinem Institut deswegen eine höhere Kapital-Mindestquote (P2R) abverlangt.
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Quelle: EZB
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