von Heinz-Roger Dohms, 16. Juni 2020
Stimmt schon: In der deutschen Fintech-Branche herrscht ein krasses Männer-Übergewicht. Was aber nicht bedeutet, dass das auf alle Zeiten so bleiben muss. In unserer Serie „Hier kommen die Fintech-Frauen“ stellt Finanz-Szene.de jeden Tag eine spannende Managerin oder eine aufstrebende Mitarbeiterin eines deutschen Finanz-Startups vorstellen. Heute, Teil XIV:
Gemeinsam mit dem Gründer Christopher Plantener bin ich CEO des Fintech-Unternehmens Kontist und engagiere mich auch in der Kontist Stiftung.
Ich verantworte die strategisch-inhaltliche Ausrichtung des Unternehmens und die Sicherstellung nachhaltigen Wachstums. In der Umsetzung bin ich dafür zuständig, das Angebot auf der Banking-Seite auszubauen und es um Services zu erweitern, die für unsere Zielgruppe der Selbständigen relevant sind. Chris fokussiert sich auf die umfangreichen weiteren Teile unseres Angebots. So kommen wir unserem Ziel schnell näher, ein Universum an Dienstleistungen zu schaffen, über das Selbständige alle ihre geschäftlichen Abläufe einfach und zeitsparend abwickeln können.
Mit der Kontist Stiftung setzen wir uns als Interessenvertretung für adäquate politische Rahmenbedingungen ein. Wir haben zudem ein Mentorenprogramm ins Leben gerufen und organisieren eine Community, für die wir u.a. jährlich den sog. Selbständigentag ausrichten.
Nach meiner Banklehre bei der Deutschen Bank und meinem BWL-Studium beriet ich bei Accenture Banken im In- und Ausland. Danach wechselte ich zum DSGV, wo ich zuletzt den Bereich Girokonto- und Zahlungsverkehrsstrategie leitete, der die langfristig-strategische Ausrichtung der Sparkassen gestaltet. Es hat mir viel Spaß gemacht, in einer solchen Breite Einfluss im Markt zu nehmen.
Kontist lernte ich 2017 kennen, als ich als Jurymitglied Kontist zum “Fintech des Jahres” mit auswählte. Ich traf Chris und war schnell von seiner Idee überzeugt. Im Laufe des Jahres verließ ich die “alte” Bankenwelt, reiste viel und arbeitete als freie Beraterin. Ende 2018 stieg dann ich bei Kontist als Co-CEO ein.
… hätte ich mein wildes, freies Leben als Beraterin weitergeführt und wäre in der Welt unterwegs.
Banken müssen mehr gesellschaftliche Verantwortung übernehmen und auf das finanzielle Wohlergehen der Kunden achten. Auch wenn die akute Corona-Krise endet, bleibt ja für viele Unternehmen und Haushalte eine Finanzkrise bestehen. Das erfordert, über den Tellerrand hinaus zu denken, um Kunden zu helfen. Finanzdienstleister sind mehr denn je gefordert, Innovationen zu entwickeln. Das ist die DNA von Fintechs und sie ist nun branchenweit relevant.
Die Digitalisierung ist keine Zukunftsmusik mehr, sondern ihr Potenzial ist erkannt. Viele Themen, die gestern noch sehr weit weg schienen, sind heute da – seien es nun das kontaktlose oder mobile Zahlen oder die digitale Kontoeröffnung.
Da viele Finanzdienstleister jetzt ihre Kosten reduzieren und ihre Effizienz verbessern müssen, wird auch an dieser Stelle die Automatisierung von Finanzprozessen zunehmen. Künstliche Intelligenz bzw. Machine Learning werden dabei immer wichtiger, um den steigenden Bedarf an Beratung zu decken. Kunden werden Hilfe benötigen, um in einer Welt nach Corona einen neuen finanziellen Weg einzuschlagen.
In der Tat gibt es in Fintech-Unternehmen viel zu wenige Frauen (und nebenbei: insgesamt recht wenig Diversität). Fintech bringt ja auch zwei der am wenigsten vielfältigen Branchen zusammen, Finanzen und Technologie. Auf Konferenzen sieht es manchmal wirklich wie eine Industrie aus, die für Männer gegründet wurde und von Männern geführt wird, die entsprechend die Regeln bestimmen. Ich denke, das beantwortet die Frage. Das muss anders werden.
Jeder Einzelne von uns kann beitragen, die Arbeitswelt diverser zu gestalten und für den Charakter-, Geschlechter- und Skill-Mix zu sorgen, der das Arbeitsleben interessant und bunt und die Ergebnisse besser macht. Manchmal hilft es schon, nicht immer denjenigen auszuwählen, der sich am lautesten positioniert. Ansonsten empfehle ich eine unbedingte Gleichbehandlung – das heißt aber auch, eine Frau nicht zu nehmen, wenn sie schlechter qualifiziert ist als der männliche Bewerber. Denn mit Bevorzugung tut man niemandem einen Gefallen.
Ich ziehe meinen Hut vor allen Mitarbeiterinnen, die seit dem Lockdown zuhause sind und die neue Situation managen – denn oftmals bleibt ja der Löwenanteil der Arbeit an ihnen hängen. Abseits davon sehe ich in meinem Umfeld viele Frauen, die selbstbewußt und unbeirrt ihren Weg gehen.