von Thomas Borgwerth und Heinz-Roger Dohms, 17. November 2020
Die Covid-19-Krise hat das deutsch-britische Vorzeige-Fintech SumUp (das mit offiziell mehr als 2000 Mitarbeitern weit größer ist als N26) deutlich härter getroffen als bislang bekannt. Wie aus einem Dokument hervorgeht, das Finanz-Szene.de im britischen Handelsregister entdeckt hat, räumt der Kartenterminal-Spezialist infolge des Lockdowns im Frühjahr einen “wesentlichen Rückgang bei den Transaktionsgebühren und beim Verkauf der Kartenlesegeräte” ein. Offenbar als Konsequenz hieraus verstieß das hochgewettete Payment-Startup per 30. Juni gegen die Kreditklauseln seiner Investoren. Diese hatten SumUp im vergangenen Jahr insgesamt 330 Mio. Euro zur Verfügung gestellt.
Der Bruch der Kreditklauseln (im Fachjargon “Covenants” genannt) zog offenbar intensive Gespräche zwischen dem Fintech und den Darlehensgebern nach sich. So wird in dem besagten Dokument das Szenario einer Stundung skizziert; im Gegenzug sollte das Fintech einen um zwei Prozentpunkte höheren Zinssatz zahlen. Nach unserem Verständnis kam es hierzu aber nicht. Stattdessen zahlte SumUp den Gläubigern Anfang September eine “Gebühr” in Höhe von 825.000 Euro. Darüber hinaus verlangten die Investoren, dass Barmittel bzw. Cash-Äquivalente in Höhe von 85 Mio. Euro auf einem “Cash Retention”-Konto hinterlegt werden (Details weiter unten).
Das Management der SumUp Payments Limited – das ist die Gesellschaft, die nach unserem Verständnis das operative Kerngeschäft des extrem verschachtelten Fintechs abbildet – kommt laut dem Dokument zu dem Schluss, dass in den kommenden Monaten weiterhin eine “wesentliche Unsicherheit” (wörtlich: material uncertainty) in Bezug auf die “Covenants” bestehen bleibe. In Bezug auf den Wirtschaftsprüfer der gesamten SumUp-Gruppe hält das Dokument fest:
“The Group’s auditor considered the factors above (Anm.: Damit ist v.a. der Bruch der Kreditklauseln gemeint) as the basis to issue an opinion with material uncertainty concerning the going concern (Anm.: also “hinsichtlich die Fortführung der Unternehmenstätigkeit”) on the Group’s financial statements for the period end 31 December 2019″
Die Kernklientel von SumUp sind kleine, meist stationäre Händler, denen das Fintech ein mobiles Kartenlesegerät zur Abwicklung von Kredit- oder EC-Kartenzahlungen zur Verfügung stellt. Anders als klassische Terminalbetreiber erhebt SumUp für die Nutzung der Geräte keine Grundgebühr, sondern verdient (abgesehen vom einmaligen Kaufpreis für die Mini-Terminals) einzig an den Transaktiongebühren. Da viele dieser kleinen Händler – etwa Café- oder Restaurantbetreiber – wegen der Corona-Krise deutliche Umsatzeinbußen erlitten haben dürften, kommen die Probleme von SumUp nicht per se überraschend.
Bemerkenswert allerdings sind die Ausmaße – zumal SumUp nach außen den Eindruck eines Unternehmens vermittelt, das die Corona-Krise vergleichsweise gut wegsteckt. So wird die Zahl der angeschlossenen Händler inzwischen mit “mehr als zwei Millionen” angegeben, auf der Homepage heißt es selbstbewusst, man wachse “kontinuierlich weiter”. Die Zahl der Mitarbeiter wird mittlerweile mit über 2.000 angegeben. Das wären noch einmal 300 mehr als zu Beginn dieses Jahres. Laut Linkedin stieg die Zahl der Mitarbeiter allein in den zurückliegenden sechs Monaten um 9%. Eine beachtliche Performance für ein Unternehmen, das zugleich Ertragsrückgänge in seinem Geschäft beklagt.
SumUp-Schock: “Profitables” Mega-Fintech tief in roten Zahlen
Bei dem von Finanz-Szene.de entdeckten Dokument handelt es sich um den 2018er-Abschluss der SumUp Payments Limited, also der operativen Kerngesellschaft. Dass sich in einem zwei Jahre alten Geschäftsbericht überhaupt Hinweise auf die aktuelle Lage finden, ist eher ungewöhnlich. Im konkreten Fall dürfte das damit zu tun haben, dass SumUp den Abschluss erst per 1. Oktober dieses Jahres fertiggestellt und erst am 20. Oktober in “Companies House” (also im britischen Handelsregister) veröffentlicht hat. Dadurch war das Unternehmen dem Anschein nach gezwungen, seinen 2018er-Ausblick nicht auf 2019 zu beschränken, sondern detaillierte Angaben auch zum 2020er-Geschäftsverlauf zu machen.
Tatsächlich gestattet der Abschluss einen tiefen Einblick nicht nur in die gegenwärtige Lage, sondern in das Geschäftsmodell von SumUp überhaupt – was umso schwerer wiegt, als dass das in Berlin gegründete, aber mittlerweile schwerpunktmäßig von London aus tätige Fintech nicht nur zu den wichtigsten, sondern auch zu den klandestinsten europäischen Finanz-Startups gehört.
Finanz-Szene.de hat sich darum entschlossen, die Analyse von SumUp zweizuteilen. Heute konzentrieren wir uns auf die Ist-Lage, bevor wir in unserem für die nächsten Tage geplanten zweiten Teil zum eigentlich “Deep Dive” ansetzen wollen.
Was also gilt es zur Ist-Lage zu sagen?
Weder SumUp-Gründer Marc-Alexander Christ noch die “VP Marketing & Communications” Sybille Jost reagierten gestern auf telefonische und E-Mail-Anfragen von Finanz-Szene.de. Auch der Versuch, einen Kontakt zur deutschen Pressestelle herzustellen, scheiterte. Sobald uns eine Stellungnahme vorliegen sollte, werden wir diese selbstverständlich ergänzen.
Woher, bitteschön, kommen die 200 Mio. Umsatz von SumUp?