von Christian Kirchner, 30. November 2022
Der massive Neugeschäfts-Einbruch in der privaten Baufinanzierung (siehe etwa hier und hier) führt nun auch beim hierzulande größten Baufi-Vermittler, nämlich bei Interhyp, zu Konsequenzen. Laut exklusiven Informationen von Finanz-Szene trennt sich das Münchner Unternehmen (das zur ING Deutschland gehört) von rund 100 Beschäftigten. Gemessen am jüngsten Geschäftsbericht der Interhyp AG, wo von 1.100 Beschäftigten die Rede war, entspräche das fast 10% der Belegschaft. Allerdings: Die Interhyp-Gruppe, zu der zum Beispiel auch die MLP-Hyp und die freien Handelsvertreter gehören, kam zuletzt auf 1.700 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter.
Eine Sprecherin äußerte sich am Dienstagabend zu den Finanz-Szene-Informationen wie folgt:
„Um den Unternehmenserfolg sicherstellen zu können, stellen wir uns auf das geänderte Marktumfeld ein, indem wir Möglichkeiten zur Kostenersparnis nutzen. Neben diversen Stellschrauben, wie Kosten für externe Dienstleistungen und sonstigen Ausgaben, werden wir auch Personalkosten reduzieren. Wir treten dabei mit ausgewählten Mitarbeitern in grob der von Ihnen genannten Größenordnung in einen Dialog über eine Trennung. Betriebsbedingte Kündigungen oder Kurzarbeit sind aktuell explizit nicht vorgesehen.“
Die Interhyp profitierte über ein Jahrzehnt lang vom Boom in der Baufinanzierung und dem Trend zum Plattformgeschäft und baute entsprechend auch personelle Kapazitäten auf. Seit 2015 hat sich die Beschäftigtenzahl um rund 20% erhöht. Das vermittelte Baufinanzierungsvolumen wuchs parallel um mehr als Dreifache und summierte sich 2021 auf 34,2 Mrd. Euro (darin steckte das summierte Geschäft der Marken Interhyp für Endkunden und Prohyp für Einzelvermittler). Das entsprach einem Plus von 19% zum Vorjahr – und sorgte dafür, dass die Münchner Plattform im deutschlandweiten Baufi-Neugeschäft auf einen Marktanteil von 11% kam. Laut letztem vorliegenden Jahresabschluss 2020 erwirtschaftete die Interhyp AG einen Überschuss von 53 Mio. Euro, der wesentlich zum Provisionsgeschäft der ING Deutschland beitrug.
Zuletzt hatte vor allem der Wettbewerber Hypoport klare Indizien für einen drastischen Rückgang im Baufi-Neugeschäft geliefert, als er bereits Anfang November bei der Präsentation seiner Neun-Monats-Zahlen Kostenmaßnahmen und Entlassungen von bis zu 10% der Belegschaft ankündigte (siehe hier). Und dann gab es da noch die Bundesbank-Daten: Laut denen hat sich das Baufinanzierung-Neugeschäft per September (neuere Daten liegen nicht vor) verglichen mit dem März-Hoch mehr als halbiert. Anzeichen für eine Verbesserung im Oktober und November sind nicht in Sicht. Und mehr noch: Auch die Immobilienpreise fingen zuletzt an zu bröckeln, was neben dem Zinsanstieg zusätzlich auf das Neugeschäft drückte, weil die wenigen potenziellen Käufer bei Kauf- und Finanzierungsentscheidungen nun lieber erstmal abwarten.
Die Entlassungen sind nun ein zusätzlicher Beleg dafür, dass die Plattformbetreiber nicht mit einer baldigen Trendwende rechnen – auch wenn in den Deutschland-Zahlen der niederländischen Mutter ING Groep zum dritten Quartal noch keinerlei Indizien für eine Schwäche im Baufinanzierungs- und Provisionsgeschäft erkennbar waren (siehe auch unsere Analyse im Archiv hier). Aus dem Umfeld der ING Deutschland kam da allerdings schon der Hinweis, dass große Teile des bereits schrumpfenden Neugeschäfts noch auf die Abarbeitung schon beschlossener Finanzierungen zurückzuführen waren und somit die Einbrüche erst mit Verzögerung spürbar würden.
Passend dazu hatten sich Interhyp-Vertreter zuletzt eher kritisch zu den kurzfristigen Perspektiven des deutschen Immobilienmarkts geäußert. „Käuferinnen und Käufer sind nicht mehr bereit, jeden Preis zu zahlen. Gleichzeitig wollen Verkäuferinnen und Verkäufer ihre Immobilie häufig nicht unter dem gewünschten Preis verkaufen. Eine neue Balance zwischen Angebot und Nachfrage muss sich erst noch einspielen“, erklärte Interhyp-Vorstandssprecher Jörg Utecht (der noch im Sommer Gast in unserem Podcast war) vor einer Woche in einer Mitteilung der Interhyp – und spiegelte damit die Einschätzung, die auch schon Ende September nach der Gewinnwarnung der Hypoport im Markt verschiedentlich zu hören war: Der Immobilienmarkt ist aus der Balance geraten, Käufer und Verkäufer stünden sich abwartend gegenüber, niemand will sich zu früh bewegen (siehe dazu auch unser Archiv-Stück -> „Schwarzer September. Wie der Markt für Baufinanzierungen wegbrach“)
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