Als Payment-Nerd wartet man in der Regel sehr lange, bis eine Innovation im Alltag angekommen ist. Neben der technischen Entwicklung gibt es viele Beteiligte und alle wollen mitsprechen. Neben den nötigen Budgets und vielen unterschiedlichen Interessen in Politik, Firmen und Gesellschaftern sind neben der nicht zu unterschätzenden Regulatorik (neben Datenschutz und Verbraucherrechten) weitere Herausforderungen zu beachten. Die Wertschöpfungskette vom Endkunden zum Händler besteht aus Issuern, technischen Prozessoren, Schemes, ggf. Payment-Terminals, Acquirern und vielen weiteren Beteiligten. Und alle müssen etwas tun, damit Innovationen Ihren Weg in den Alltag finden.
Auf der PEX 2025 ging die Beobachtung rund, dass Payment „gelöst“ sei (in dem Sinne, dass sich Prozesse und Nutzererlebnis kaum noch verbessern lassen)? Da ist sicher etwas dran, aber wie häufig, ist es auch eine Frage der Perspektive, und von denen gab selten so viele wie heutzutage.
Die Akzeptanz eines neuen Features ist zudem abhängig von den Nutzern (Endkunden und Händler). Manchmal braucht es neben Innovation auch Anschubhilfe – der Zusammenhang zwischen der Erfindung von kontaktlosem Bezahlen in den frühen Nullerjahren und dem aktuellen Anteil an kontaktlos Zahlungen bringt man nicht ganz zu Unrecht mit der Corona-Pandemie in Zusammenhang. Wir nutzen eine über 20 Jahre alte Technik und bewundern diese als innovativ.
Der Duden meint zum Begriff Innovation: „Realisierung einer neuartigen, fortschrittlichen Lösung für ein bestimmtes Problem, besonders die Einführung eines neuen Produkts oder die Anwendung eines neuen Verfahrens.“
Da stellt sich die Frage, ob es Innovation im Payment gibt und was uns als nächstes erwartet. Die Liste an möglichen Themen ist lang:
- KI-unterstützte Prozesse und Systeme
- Digitale Euro
- Instant Payments (und alle Themen drumherum)
- Biometrische Authentifizierungs-Verfahren
- EUDI-Wallet
- und, und, und usw.
Und es gibt natürlich neue Zahlarten, teils mit erstaunlichem Erfolg (BLIK, TWINT und Co.). Jedes dieser Themen füllt spannende Diskussionen beim Kaminabend und die ein oder andere Roadmap. Aber eine industrieverändernde Technologie – da wird es schon schwieriger.
Stattdessen gibt es einen Berg an Regulatorik, technische Hilfsmittel wie z.B. QR-Code basierte Zahlverfahren, die ja nicht wegen ihrer bahnbrechenden, technischen Innovationskraft zum Einsatz kommen, sondern weil die Distribution von Zahlverfahren, insbesondere am POS, kostenintensiv und langwierig ist, sowie viele andere Neuerungen, an denen Payment Provider arbeiten.
Viele Marktteilnehmer im Payment sind über Jahre gewachsen, es gibt (bzw. gab) Zukäufe und Zusammenschlüsse, ins Rentenalter gekommene Plattformen und gewachsene Organisationsstrukturen. Das trägt dazu bei, dass von der Idee bis zum Go-Live oft ähnlich viel Zeit vergeht wie beim Bau einer neuen Autobahnbrücke. Und wie beim Bau einer Autobahnbrücke gibt es gute und weniger gute Gründe für die Dauer. Oder als Frage formuliert: Kann man das nicht anders machen?
Ja, kann man, und vor dem Hintergrund, dass Payment ein sehr stark von Skalen getriebenes Geschäft ist, muss man auch. Plattformen müssen erneuert und konsolidiert werden. Organisationen sollten nicht um Plattformen, sondern um Produkte organisiert sein. Payment ist kein unergründetes Forschungsfeld mehr und so gilt es sich für die Zukunft vorzubereiten, um Innovationskraft zu erhalten bzw. zu erlangen.
Dazu noch ein weiterer Gedanke: Payment ist Mittel zum Zweck und ordnet sich dem eigentlich Kauf unter, also der Interaktion zwischen Endkunden und Händlern.
Kundenbindung ist für den Handel und andere Branchen ein wichtiges Instrument und erfordert mehr als die reine Zahlungsabwicklung. Daher bedienen manche Händler die Kundenschnittstelle mit eigenen, digitalen (Loyalty-)Lösungen, Payment ist ein Baustein und muss innerhalb der Lösung einfach funktionieren. Das ist oft leichter gesagt als getan, denn die Loyalität eines Kunden stößt an Grenzen, wenn die angebotenen Zahlverfahren nicht akzeptiert werden. Beim Lebensmittelhandel an der Ladenkasse genau wie bei In-Car Payments oder dem Ticketkauf beim ÖPNV.
Auch wenn es vielleicht nicht als „Innovativ“ im Sinne der Definition aus dem Duden angesehen werden kann, die Payment-Industrie hat viele Themen im Visier. Neben digitalen Antragsstrecken und dem Bereitstellen von möglichst allen Zahlverfahren, dem Verknüpfen und Auswerten bzw. Darstellen von Daten aus allen Vertriebskanälen, der einfachen, aber trotzdem sicheren Kunden-Authentifizierung und einer Bereitschaft zur Zusammenarbeit aus der Erkenntnis, dass nur offene Systeme eine Chance auf eine breite Akzeptanz haben.
Bestrebungen in Richtung Super-App – wie Paypal es auf seinem Investor Day 2025 kürzlich aufzeigte und wie man es von WeChat und Alipay schon seit längerer Zeit kennt – sind spezifische Ansätze, die in gegebenen Strukturen funktionieren können. Schließlich ist PayPal groß genug, hat beide Seiten des Marktes, also Endkunden und Händler, und zudem eine internationale Reichweite. Aber wenn man nicht gerade PayPal oder WeChat ist, dann ist die Zukunft vielfältig und fragmentiert.
Und vergessen wir nicht die Pflicht neben der Kür: Auch Verordnungen (z.B. heute Instant Payment Pflicht, morgen Annahmepflicht des digitalen Euro) bieten Chancen und Risiken.
Ob Payment innovativ ist, hängt letztlich von der Fähigkeit ab, Ideen und Entwicklungen wettbewerbsfähig (Time und Budget) umsetzen zu können. Nur so kann es Vielfalt geben, denn das ist es, was Innovation und Kreativität treibt.
––––––––––––––––––––
*Dirk Brunke ist Managing Partner bei der auf Payment-Themen spezialisierten Unternehmensberatung Osthaven. Osthaven gehört zu den Premium-Partnern von Finanz-Szene.de. Mehr zu unserem Partner-Modell erfahren Sie hier.