von Christian Kirchner und Bernd Neubacher , 30. April 2023
In unserem „Produkt und Kunde“-Ticker beschreiben wir, was sich bei Banken und Fintechs an der Schnittstelle zum Kunden so alles tut.
Hier unser Ticker für von Februar bis April 2023:
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Demografisch betrachtet ist es ein Rätsel, warum sich unsere Banken (und die Fintechs zumal) auf die junge und digitalaffine Klientel stürzen. Klar: Wer alles mit dem Smartphone löst und noch nie eine Filiale von innen gesehen hat, der kostet als Kunde wenig – und im besten Fall altert er dann zusammen mit seiner Bank. Zugleich gibt es hierzulande allerdings gerade mal 12 Mio. potenzielle Kunden zwischen 18 und 30 Jahren. Und die Altersgruppe wächst nicht, sie schrumpft, auf voraussichtlich nur noch 11 Millionen in zehn Jahren. Am anderen Ende der Altersskala hingegen, bei 65+? Zählen die Demografen jetzt schon 15 Mio. potenzielle Kundinnen und Kunden. Und in zehn Jahren dann 17 Millionen. Ein Wachstumsmarkt also, übrigens auch, was das Nettovermögen angeht: Dem Unter-30-Jährigen stehen im Schnitt gerade mal 15.000 Euro zur Verfügung. Bei Menschen in den 60ern sind es dagegen 210.000 Euro, sprich 14-mal so viel. Warum also stürzt sich kaum eine Bank (und zumal kaum ein Fintech) auf ebendiese Zielgruppe? Warum reden wir beim „Nutzererlebnis“ immerzu um die Optimierung der Banking-App, aber nie über die, sagen wir, altersgerechte Bankfiliale? Warum machten zuletzt gleich zwei Neobanken für Teenager die Biege (Owwn, Ruuky), während Neobanken für Silver-Ager gar nicht erst gegründet werden? Vielleicht ist die Wahrheit am Ende simpel: Ältere Kunden kosten mehr als sie eintragen (mal abgesehen von der „Lehman-Oma“), also schlägt man ihnen die Filialtür besser gleich vor der Nase zu. Vielleicht ist aber auch alles ein bisschen komplexer! Höchste Zeit, uns das Thema in „Finanz-Szene – Der Podcast“ einfach mal vorzuknöpfen. Gemeinsam mit der Fintech-Pionierin Cornelia Schwertner (Ex-Figo, Ex-Finleap), die mit „Brygge“ ein Multibanking-Angebot speziell für die ältere Klientel betreibt – und die also weiß, wovon sie spricht. Auf geht’s: Finanz-Szene (frei zugänglich)
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„Forced fire sale“: Lässt Vivid Money seine Kunden auf Verlusten sitzen?
Als die Solarisbank im September den Zuschlag für das ADAC-Kreditkartenportfolios bekam (siehe -> Das große FAQ zum Deal zwischen Solarisbank und ADAC) – da war klar: Der bis dato vor allem auf das simple „Konto + Debitkarte“ Modell spezialisierte Berliner „Banking as a Service“-Spezialist würde nun also mit voller Macht ins Geschäft mit „echten“ Charge-Kreditkarten einsteigen. Was natürlich auch bedeutet, die entsprechenden Kreditrisiken managen zu müssen.
Nun macht Solaris damit zum ersten Mal (jedenfalls nach unserem Kenntnisstand) ernst: So ist laut Recherchen von Finanz-Szene dieser Tage das Angebot „Mobilize Pay“ live gegangen, hinter dem die Solarisbank gemeinsam mit Visa und der französischen RCI Bank (das ist die Bank des Autobauers Renault) steht. Ziel ist es, am Markt eine Kreditkarte zu etablieren, die zugleich als Ladekarte für 300.000 E-Ladesäulen in ganz Europa fungieren soll. Die Karte bietet dabei auch kostenlose Geldabhebe-Möglichkeiten sowie Teilzahlungen; Apple und Google Pay sollen folgen.
Aus Unternehmenssicht sind an der Kooperation mindestens drei Aspekte interessant:
Ein Solarisbank-Sprecher wollte den letzten Punkt nicht kommentieren. Er bestätigte in Bezug auf die RCI Bank, dass man sich „mit diesem Unternehmen in fortlaufenden Gesprächen befinden“.
Warum vertreiben ING Diba & Co. ihre Zinsprodukte nicht über Raisin & Co.?
Nächstes Wallet-Experiment floppt: ADAC Pay wird eingestellt
Die J&T Direktbank steigt erstmals direkt in den infolge der Zinswende entbrannten Wettkampf (siehe etwa hier und hier) um deutsche Retail-Einlagen ein: Seit Mitte März buhlt die hiesige Zweigniederlassung der tschechischen Privat- und Investmentbank J&T Banka neuerdings rein digital via Website und App um Fest- und Tagesgelder. Zwar ist das Haus nach eigenen Angaben bereits seit 2014 im deutschen Markt aktiv und verfügt über 500.000 Kunden, der Vertrieb erfolgte bislang allerdings ausschließlich über hiesige Plattformen. Im Direktgeschäft sind die Tschechen nun gleich mit Kampfkonditionen unterwegs: Für einjähriges Festgeld bietet die Bank 3,0% Zins, das Tagesgeld wird für Neu- wie Bestandskunden mit 2,5% verzinst.
Rund 20 Mio. Debitkarten von Visa bzw. Mastercard kursieren mittlerweile in Deutschland – Tendenz steigend. Trotzdem, das zeigen Recherchen von Finanz-Szene, suchen Kreditwirtschaft und Schufa immer noch nach einem angemessenen Umgang mit dem Phänomen. Rückblick: Bereits im November hatten wir exklusiv berichtet, dass sich der Schufa-Score von Kunden tendenziell verschlechtert, wenn deren Banken anstelle der klassischen Kreditkarte plötzlich die Debitkarte zu ihrem „Top-of-Wallet“-Produkt machen (also zu ihrer kostenlosen Standard-Karte). Das liegt daran, dass eine störungsfrei genutzte Kreditkarte aus Sicht der Schufa ein sogenanntes Positivmerkmal darstellt. Fällt die Karte weg, geht auch die positive Kredithistorie verloren – mit entsprechenden Konsequenzen für die Bonität des Kunden, gerade in den ersten Monaten nach dem Kartenwechsel. Neue Recherchen von Finanz-Szene belegen nun indes, dass die Probleme mit den Debitkarten von Visa bzw. Mastercard noch deutlich tiefer liegen. So gibt es neben dem im November skizzierten Szenario offenbar noch etliche weitere Fälle, in denen eine Debitkarte den Schufa-Score des Kunden unnötig zu verschlechtern droht. Wie genau? Das ist kompliziert. Und also genau die richtige Materie für einen „Deep Dive“. Bitte sehr: FS Premium
Kein „BVB-Fankonto“ mehr: Beendet die Comdirect ihr Whitelabel-Geschäft?
Bei Trade Republic häufen sich die Beschwerden über tagelange Verzögerungen von Gutschriften, wenn Kunden ihr Geld vom Depot auf ihr privates Referenzkonto überweisen. Nutzer auf Social Media und auch im inoffiziellen internen Kundenforum klagen über Abwicklungszeiten von inzwischen bis zu drei bis vier Werktagen. Die anekdotische Evidenz legt nahe, dass die Probleme mit er verzögerten Abwicklung bestehen, seit Trade Republic im vergangenen April neben der Solarisbank auch weitere Partnerbanken mit der Eröffnung der Referenzkonten beauftragte, nämlich die Deutsche Bank (siehe dazu unseren Leser-Blog -> „Was die Deutsche Bank kann, was die Solarisbank nicht kann„) und die Citibank sowie inzwischen auch J.P. Morgan.
Ein Selbstversuch von Finanz-Szene bestätigte die Abwicklungszeit. So war eine am Freitagvormittag, den 24. Februar angewiesener Betrag von 1.000 Euro erst am darauffolgenden Dienstagnachmittag gutgeschrieben. Bereits im vergangenen Herbst hatte Finanz-Szene den Neobroker mit ersten entsprechenden Hinweisen und einem dokumentierten Briefwechsel mit einem Kunden konfrontiert. Damals erklärte sich Trade Republic kurioserweise im Brief an den Kunden für nicht zuständig: Man sei, hieß es damals, lediglich Abwickler von Trades; für die Konten sei die jeweilige Partnerbank zuständig. Seinerzeit galten auf Nachfrage zeitweilige und (angeblich) abgestellte technische Schwierigkeiten als Grund für die Verzögerung. Und dieses Mal? Blieben mögliche Gründe offen.
Wird „Request to Pay“ das nächste große Ding im Zahlungsverkehr? Ein Deep Dive
Multibanking & Decoupled Debit: Zwei Trends, ein Rückschlag
Coba stellt Tchibo-Kreditkarte ein. Hanseatic Bank übernimmt (teilweise)
Die Deutsche Kreditwirtschaft will die Girocard bis 2026 um eine ganze Palette von neuen Funktionen erweitern. So hat es Oliver Hommel, Chef der Betreibergesellschaft „Euro Kartensysteme“, gegenüber der „Lebensmittel-Zeitung“ (Paywall) angekündigt. Der Ausbau zur „Girocard 4.0“ erfolge in drei Stufen. Einige der wichtigsten Neuerungen sollen dabei schon Ende 2023 einsatzbereit sein – nämlich 1.) eine Vorab-Autorisierung vor Abschluss des Kaufvorgangs, 2.) eine Verknüpfung mit Loyalty-Systemen und digitalen Kassenbons, 3.) die Optimierung für In-App-Zahlungen und 4.) die Integration in Smartphone-Wallets.
Alle Januar-News aus der Rubrik „Konto & Kunde“ im Überblick
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