von Ralf Hesse*, 8. März 2023
Die Debatten gewinnen an Fahrt. Ist „Request to Pay“ das neue heiße Eisen im Zahlungsverkehr – oder doch nur ein Glühwürmchen? Und womit haben wir es überhaupt zu tun: Mit einem innovativen Zahlverfahren – oder bloß mit einem Nachrichtenformat?
An drängenden Fragen jedenfalls mangelt es nicht. Wie wird sich „“Request to Pay“ als neues Instrument des deutschen bzw. europäischen Zahlungsverkehrs in den Markt einfügen? Welche Hindernisse sind noch zu nehmen, wie sieht der Umsetzungsstatus aus, wie verhält sich der Wettbewerb?
All diese Fragen haben wir analysiert. Und zwar als Analogie zu einem Theaterstück, dessen wesentliche Protagonisten …
… sind. Und natürlich dürfen wir auch den Ermittler, Monsieur „Le Inspecteur“, in dem Schauspiel nicht vergessen.
Theater sind oft nur Abbilder unserer alltäglichen Lebensumstände. Und da auch in der Welt der Zahlungsabwicklung diese gespiegelte Realität ihr „Vorbild“ sucht, hat sich mit „Request to Pay“ das passende Szenario für dieses Schauspiel gefunden.
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Das „SEPA Request to Pay (SRTP)“-Nachrichtenformat bietet einem Zahlungsempfänger die Möglichkeit, den Zahlungspflichtigen über das SEPA-Protokoll direkt auf eine ausstehende Zahlungsverpflichtung hinzuweisen. Es zwingt den Zahlungspflichtigen aber keinesfalls zu irgendeiner sich anschließenden Zahlungsaktivität, noch leitet es automatisch irgendwelche Zahlungsvorgänge ein. Es ist also ein reines „Benachrichtigungs-Protokoll“.
Der Wunsch des EPC ist es, mit dieser Protokoll-Erweiterung Anteile des jetzigen Zahlungsverkehrs, der sich im Bereich der nationalen/internationalen APMs bzw. Karten-Schemes befindet, direkt durch Zahlungsbewegungen auf den SEPA-Konten zu ersetzen. Um dieses Ziel zu erreichen, muss „Request to Pay“ einem über die Jahre hinweg gewachsenen Konkurrenz-Produktportfolio entgegentreten, was die Einstiegshürde umso höher macht. Um diese Hürde meistern zu können, hilft das durch das EPC im November 2016 eingeführte sog. „Instant Payments“-Protokoll (oder „SCT Inst“), mit dessen Hilfe Echtzeitüberweisungen zwischen SEPA-Konten durchgeführt werden können. Derzeit überlegt die Europäische Union, dieses Protokoll mandatorisch auf alle ihre Mitgliedsstaaten und deren Bankinstitute auszuweiten.
Würde es zu dieser mandatorischen Ausweitung kommen, so wäre zumindest der Nährboden für eine SEPA-Zahlung in Folge eines „Request to Pay“ flächendeckend gegeben. Ob dieser dann tatsächlich auch genutzt wird, hängt allein an der Akzeptanz durch die Zahlungspflichtigen.
Demzufolge kann aber der Zahlungspflichtige in Eigenregie sein weiteres Handeln zur Begleichung der Zahlungsanfrage festlegen. Im schlimmsten Fall wäre das die Inaktivität des Zahlungspflichtigen – also der Zahlungsausfall. Diesen Corner-Case einbeziehend bietet „Request to Pay“ also eben auch keine Zahlungsgarantie für den Zahlungsempfänger.
All diesen Widrigkeiten zum Trotz muss aber festgehalten werden, dass auch renommierte deutsche Banken bereits mit der Implementierung von „Request to Pay“ begonnen haben. Die DZ Bank z.B. ist im Oktober 2022 eine Partnerschaft mit dem Plattformanbieter PPI eingegangen, um das PPI-eigene White-label Produkt Paycy als Verarbeitungsplattform von „Request to Pay“ zu nutzen. Weitere Banken wie die Deutsche Bank und die Commerzbank haben ihre Bemühungen in Bezug auf „Request to Pay“ bereits zeitlich eingeplant.
Nun fragt sich der mordlüsternde Zuschauer bzw. Leser natürlich: Warum das Ganze und wo bleibt denn da die Spannung? Und genau an dieser Stelle steigen wir wieder in unsere Ermittlungen ein.
Wie in jedem guten Krimi, gibt es natürlich auch in unserem „Request to Pay“-Krimi ausreichend unterschiedliche Motivationen, dem Mündel „Request to Pay“ nach dem Leben zu trachten.
Die europäischen Banken sind bzw. werden maßgeblicher Bestandteil des Erfolgs von „Request to Pay“. Allein die Definition von „Request to Pay“ reicht nicht aus, um dieses Instrument zum Erfolg zu bringen. Es bedingt einer flächendeckenden Umsetzung bei den SEPA-Banken, um es erfolgreich nutzen zu können. Sinnvollerweise bedeutet dies aber, dass alle Banken ihre individuellen Banking-Apps wie schon oben beschrieben erweitern müssen.
Diese notwendige Anpassung der Banken-individuellen Online-Apps steht aber einer bereits Device-abhängigen – und somit nicht institutsabhängigen – Zahlungsverarbeitung (wie z.B. Apple Pay oder Samsung Pay, die anhand des Endgeräts identifiziert werden) gegenüber. Es ist also fraglich, ob der Zahlungspflichtige es vorzieht, die Apps unterschiedlicher Banken zu bedienen, oder aber den Convenience-Level der bereits etablierten Methoden zu nutzen.
Ein ganz schöner Batzen von „Wenn, danns“, mit denen die Banken in Vorleistung gehen müssen, ohne überhaupt eine Erfolgsgarantie zu haben!
Die Banken haben bereits in der Vergangenheit bei der Einführung von „Account-to-Account (A2A)“-Lösungen ihre Erfahrungen gesammelt und dürften bei der Abwägung realistischer Nutzungsprognosen vorsichtig geworden sein.
Es ist also fragwürdig, ob die europäischen Banken ohne entsprechendes Mandat das Nachrichtenformat „Request to Pay“ flächendeckend unterstützen werden. Ohne diese Unterstützung fehlt aber unserem Mündel die lebensnotwendige Nahrungsgrundlage.
Die PSPs dürften – wie schon zuvor erläutert – eine eher geringere Motivation zum Einsatz von „Request to Pay“ zeigen. Bestenfalls nehmen diese die Rolle eines angespannten Beobachters ein, der im Falle des Bedarfs seiner Kunden (also der Zahlungsempfänger) die Implementierung von „Request to Pay“ unter Abwägung eigener Interessen anstoßen könnte. Ein gesteigertes Interesse zur Nutzung dieses Nachrichtentyps ist momentan nicht absehbar. Eine „Mordabsicht“ – wenn vielleicht auch passiv – ist hier also nicht zu erkennen.
Europas inhomogene Nutzung von Zahlverfahren ist sicherlich auch ein Grund, welcher einen gleichmäßigen Rollout von „Request to Pay“ in der EU hemmen dürfte. So sind z.B. die skandinavischen Länder weit stärker an der Abschaffung von Bargeld interessiert, als das bei uns in Deutschland der Fall ist. Demzufolge haben sich aber auch bereits ausreichend APMs auf dem skandinavischen Markt etabliert, die mit „Request to Pay“ nur noch einen zusätzlichen Aspiranten auf den Gesamtmarkt des Zahlungsverkehrs erhalten würden.
In unserem Impro-Theater müssen sich die Akteure dem Wohlgefallen des Publikums fügen. Und genauso ergeht es „Request to Pay“. Schließlich werden die Rollen im Mordfall nach der Gunst des Publikums verteilt und so kann ein vermeintlicher Wohltäter auch schnell zum Mörder werden.
Es ist sicher nicht zu erwarten, dass unser Mündel „Request to Pay“ subtil von einem der Akteure durch einen „Meuchelmord“ ums Leben gebracht wird. Allerdings muss man bedenken, dass auch unterlassene Hilfeleistung ein nicht minder schwerer Straftatbestand sein kann.
Und da frage sich jetzt ein jeder Leser, wie denn unsere Geschichte ausgehen mag.
Der Ausgang dieses Theaterstücks hängt maßgeblich davon ab, wie schnell die Banken flächendeckend die notwendige Infrastruktur bereitstellen – und das wiederum hängt von der Entscheidungsfreiheit der Banken ab (Stichwort: individuelle Umsetzung von „Request to Pay“). Gerade in Zeiten von EPI, welches zeitgleich bei den Banken zur Umsetzung kommen soll, ist fraglich, ob wirklich die Mehrheit der Banken in „Request to Pay“ investieren möchte.
Nur ein gemeinschaftlicher Antritt ist der Garant für den Erfolg. Ist dieser nicht gewährleistet, ist auch schon die spätere Nutzerakzeptanz mehr als fraglich. Aus unserer Sicht ist also die „unterlassene Hilfeleistung“ der wahrscheinlichste aller möglichen Ausgänge dieses Theaterstücks.
Die finale Analyse überlassen wir aber Ihnen als ermittelnde Instanz. Sie müssen entscheiden, ob wir hier über unterlassene Hilfeleistung, eine Posse oder aber die oben erwähnte Romanze sprechen.
Eines ist aber bei dem „Request to Pay“-Fall doch anders als im legendären Impro-Theater: Ungeachtet des Ausgangs des Theaterstücks und der damit verbundenen finalen Rollenzuschreibung werden die Darsteller des Impro-Theaters am Ende der Ausführung immer bejubelt. Ob das dann im Fall „Request to Pay“ bei den Protagonisten am Ende genauso ausgeht, bleibt abzuwarten.
*Ralf Hesse ist Manager bei der auf die Payment-Industrie spezialisierten Unternehmensberatung Osthaven. Osthaven gehört zu den „Premium-Partnern“ von Finanz-Szene.de.
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