FAQ

Warum DZ Bank, Coba, Helaba und Unicredit auf den Giralgeld-Token setzen

Die DZ Bank hat gestern eine ziemliche News vom Stapel gelassen – gemeinsam mit Commerzbank, Helaba und Unicredit arbeitet das genossenschaftliche Zentralinstitut am Konzept eines Giralgeld-Token. Was genau hat es damit auf sich?

Finanz-Szene versucht sich an Antworten auf die wichtigsten Fragen:

Worum geht es?

Um nichts weniger als die Schaffung tokenisierten Buchgelds. Das herkömmliche Giralgeld-System muss im Zeitalter der Distributed-Ledger-Technik (DLT) angepasst werden, argumentieren die vier Banken in einer Präsentation, mit der sie Ende September beim Bundesverband der Deutschen Industrie vorstellig wurden.

Der Pitch für den Giralgeld-Token bzw. für den Commercial Bank Money Token (CBMT) geht wie folgt: Die Industrie hat mithilfe der Blockchain bereits neue Ökosysteme etabliert. Für Geschäftsmodelle wie Pay-per-Use oder Zahlungen von Maschine zu Maschine allerdings benötigen Unternehmen voll synchronisierte und autonome Zahlungsströme. Die heutige Form des Geldes ist indes nicht via DLT in Form von Smart Contracts handhabbar, erlaubt keine maschinenbasierten Echtzeitzahlungen – und grenzüberschreitende Transaktionen sind kostspielig und langsam. Die Lösung: Der von den Banken propagierte CBMT soll dieselben Eigenschaften wie das klassische Buchgeld haben und als Sichteinlage der Einlagensicherung unterliegen – zugleich aber beispielsweise programmierbare Transaktionen zwischen Unternehmen und auch Mikro-Zahlungen ermöglichen.

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Wie soll das Ganze technisch ablaufen?

Den Initiatoren schwebt ein Modell mit einem technischen Dienstleister als zentraler Instanz und Emittent der CBMT vor. Dieser Dienstleister definiert den Standard des Token, tritt als Ansprechpartner für Behörden sowie Vertragspartner dezentraler Register auf und kümmert sich um etwaige Probleme im System. Die Einrichtung eines eigenen dezentralen Registers ist dabei nicht geplant, vielmehr wird eine „Branchen-Lösung“ angestrebt.

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Wie viel kostet der Spaß?

Die Investitionen hingen davon ab, wie das Modell letztlich ausgestaltet sei, hieß es gestern. Anders als im Falle der European Payment Initiative (EPI), bei der es um eine Modernisierung der Zahlungsverkehrs-Infrastruktur geht (bzw. ging), soll sich der Aufwand für das CBMT-System nach Vorstellung der Beteiligten in überschaubarem Rahmen halten.

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Wer macht sonst noch mit?

Eine heikle Frage. Denn zum einen ist den Initiatoren klar, dass sie Mitstreiter benötigen. Zum anderen aber haben branchenweite Lösungsansätze im Bankensektor eher selten Erfolg gehabt. Dies gilt nicht nur für EPI, sondern beispielsweise auch für branchenweite Pools von Kundendaten zur Geldwäscheprävention. Theoretisch lässt sich ja alles an Aktivitäten zusammenlegen, was abseits des Kundenkontakts stattfindet. Nur in der Praxis finden sich halt immer Probleme, an denen man solche Vorhaben scheitern.

Die DZ Bank betonte gestern, dass nur ein europaweites Konzept die Kunden überzeugen wird – zugleich räumten die Initiatioren ein, dass es, auch wenn die Resonanz im deutschen Markt positiv ausfalle, in der Haltung europäischer Großbanken durchaus Unterschiede gebe. So beteilige sich manches Haus zwar durchaus an den konzeptionellen Arbeiten, wolle sich mit seinem Engagement indes nicht outen. DZ-Bank-Vorstand Thomas Ullrich verbreitete gestern Zuversicht. Sein Argument: Beim Projekt des Giralgeld-Tokens starte die gesamte Branche bei null. Damit entfalle für Banken, die mitmachen, schon einmal die Notwendigkeit, zugleich lieb gewonnene Strukturen und Produkte aufgeben zu müssen (wie das bei EPI der Fall gewesen ist, könnte man jetzt ergänzten, wobei Ullrich das natürlich nicht gesagt hat gestern).

Die Deutsche Bank äußerte sich am Mittwoch auf Anfrage nicht, ob sie sich am Vorhaben beteiligen will.

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Gibt es ähnliche Vorhaben bereits?

Eine Handvoll Finanzdienstleister, unter ihnen Citigroup, Goldman Sachs und Barclays, haben im vergangenen Jahr mit der Kanzlei Linklaters die Idee eines Regulated Liability Network (RLN) entwickelt, das die Möglichkeiten dezentraler Registerführung nutzen soll. Mit dem RLN sollen Effizienzgewinne winken, da Gegenpartei-Risiken reduziert und Fristen zum Settlement von Transaktionen eliminiert werden. Offenbar sind diese Überlegungen über die Planungs-Phase indes noch nicht hinausgekommen. Auch mit Blick auf den von Commerzbank, DZ Bank, Helaba und Unicredit ventilierten CBMT wird bei Beobachtern geunkt, die eigentlichen Problemen würden erst dann zutage treten, wenn es an die Umsetzung gehe.

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Wie sieht es mit Blick auf die Regulierung aus?

Unklar. Das Problem: Als neuartiges Instrument lässt sich der Giralgeld-Token laut DZ Bank nicht unter bestehende Regelwerke wie die EU-Verordnung zum Umgang mit Krypto-Assets (MiCA) subsumieren. Und so lange noch unklar ist, wie der CBMT konkret ausgestaltet sein soll, lässt sich auch nicht beantworten, wie dessen Regulierung aussehen müsste.

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Wann soll es losgehen?

Angesichts solcher Unwägbarkeiten wollten die Initiatoren gestern keinen konkreten Starttermin nennen. So bald wie möglich, hieß es lediglich.

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Wie reagiert die Industrie?

Aus der Industrie habe man belastbares Feedback erhalten, dass ein solches Modell willkommen sei, sagte Claus George, bei der DZ Bank der Experte für digitale Währungen, gestern. Nun stehe eine Verprobung an. Ermutigt fühlen darf sich der Manager von einem Papier, das der BDI Ende September zum digitalen Euro vorgelegt hatte. Darin heißt es:

“Die deutsche Industrie begrüßt einen digitalen Euro. Er unterstützt Innovationen und Effizienz im Zahlungsverkehr und bei kaufmännischen Prozessen. Der digitale Euro ist die Währung digitaler Ökosysteme in Europa und damit ein wichtiger Treiber des Fortschritts.”

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Was passiert als Nächstes?

Die Banken erklären, sie wollten die Gespräche mit der Industrie vertiefen. Ideal wäre demnach eine Zusammenarbeit in Form eines Joint-Proof-of-Concept, um prinzipiell die Realisierbarkeit des Projektes zu belegen, wie es heißt. Zugleich räumen die Initiatoren ein, dass mit Blick auf Regulierung und Einlagensicherung noch Arbeit vonnöten sei. Auch was Zahlungen über Währungsräume hinweg angeht, wollen die Initiatoren noch liefern. Auch wollen sich die Institute daran machen, weitere Banken für das Vorhaben zu gewinnen. Zugleich bereite man die notwendigen Abstimmungen mit Behörden vor.

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