von Ralf Hesse*, 10. Dezember 2023
Das Jahr 2024 liegt vor uns, viele Deutsche zahlen am Kiosk weiter mit Bargeld oder zücken ihre EC-Karte, um den abendlichen Einkauf im Supermarkt zu begleichen. Digitale, kontaktlose Bezahlformen greifen um sich, doch noch haben sie sich nicht in der Breite durchgesetzt. Wie aber wird es damit in zehn Jahren aussehen? Ganz anders – ganz sicher!
Eine Reise in die „Payment-Welt 2034“, mit Vergütungen per Gesichts-Scan oder Fingerabdruck, mit digitalem Euro und Zahlungsmethoden, die ökologisch verträglich sind. Gute Fahrt:
Wer sich die Zukunft vorstellt, kann sich vielleicht Dank seiner eigenen Vorstellungskraft eine Vision in vielen psychedelischen Farben malen, oder aber sich allseits bekannter (wenn auch vielleicht nicht immer anerkannter) Helfer wie zum Beispiel Wahrsagern, Astrologen und ähnlicher Personen bedienen. Seriös betrachtet, ist die Zukunft aber eine Weiterführung aktueller Entwicklungen unter Berücksichtigung sorgfältig ausgewählter Umgebungsfaktoren und Annahmen.
Tatsache ist, dass ein Zukunftsbild durch vielerlei Bedingungen beeinflusst werden kann, die unter Umständen zum Zeitpunkt der Erstellung einer Vision noch gar nicht bekannt sind. Wer hätte zum Beispiel 2019 eine durch einen bisher unbekannten Virus verursachte weltweite Pandemie für die Jahre 2020/21 vorhersagen können? Und dennoch ist es unerlässlich für Zukunftsforscher, genau diese Visionen zu erstellen, die dann zum Teil auch Trends setzen oder Katalysatoren für neue Entwicklungen sein können – selbst auf die Gefahr hin, dass diese bereits mit der Veröffentlichung überholt sein könnten.
Heute wollen wir aber nun konkret auf die Zukunft des Bezahlens schauen. Deshalb möchten wir Sie einladen, mit uns – ganz im Geiste von „Zurück in die Zukunft“ – in unserem DeLorean in die Payment-Welt des Jahres 2034 zu reisen. Seien Sie gespannt auf eine Zukunft, in der Doc Brown es vielleicht dank genialer Zahlungs-Innovationen gar nicht mehr nötig hat, den guten Marty McFly von einem Jahrzehnt ins nächste zu katapultieren.
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6:30 Uhr, der Wecker klingelt und Adrian schaut ungläubig auf die Leuchtdioden seines schrillenden Alarms. „Viel zu früh, wie jeden Morgen“, denkt er sich. Er eilt zur Morgenhygiene, und als ihn auf dem Weg schon der kleine Hunger überrascht, fällt ihm ein, dass er ja noch freies Kontingent auf seiner „Bäck-Me“ App hat und über diese beim Bäcker um die Ecke schon einmal seine Brötchen und „etwas mehr“ vorbestellen könnte.
Klick, Klick, Klick auf dem Smartphone, und schon geht’s hinter den Duschvorhang. Alsbald gereinigt, macht sich Adrian direkt auf den Weg zum Bäcker. Dort wartet schon sein vorbereites Brunch-Paket. Der Bäcker drückt es ihm lächelnd in die Hand und zeigt noch winkend auf die Kamera am Ladenausgang. Dort zeigt Adrian kurz sein bestes Gesicht – womit er seinen Einkauf bezahlt.
Frisch gestärkt, macht Adrian sich auf den Weg in die U-Bahn. Kaum ist er am Zielort wieder aus den Katakomben ans Tageslicht gelangt, da meldet sich seine Freundin auf der Smartwatch und berichtet überglücklich von den Manowar-Tickets, die sie gerade für einen „geringen“ Obulus erstanden hat. Sie eröffnet ihm, dass sie die Bezahlung direkt von seinem Digi-€-Konto hat abbuchten lassen. „Liebe geht halt nicht nur durch den Magen, sondern offensichtlich auch durchs Portemonnaie“, denkt sich Adrian leicht angezählt. Wie hat Annabelle das nun wieder angestellt? Er hatte sein Digi-€-Konto doch nur für sich selbst freigegeben? Egal, die Karten sind es wert.
An der Straßenkreuzung wartet schon ein E-Bike von „bike.me“ mit seinem Namen Adrian im Display. Er hatte das noch schnell aus der U-Bahn geordert, um nicht die letzten Meter zu Fuß laufen zu müssen. Er entsperrt noch schnell das Fahrrad mit den in den Handgriffen installierten Fingerabdruck-Sensoren, schwingt sich rasant auf den Sattel – und schon fährt der Drahtesel Richtung Büro. Dort angekommen, verschwindet das Fahrrad in dem dort platzierten „bike.me“-Depot. Bike.me belastet automatisch den fälligen Betrag, der sich nach der Nutzungsdauer richtet, direkt von Adrians Kunden-Konto, sobald dieser das Fahrrad im Menü als zurückgegeben deklariert hat.
Auf der Arbeit angekommen, stürzt Adrian sich gleich auf die liegengebliebenen Themen von gestern und vergisst so die Zeit um sich herum. Kurze Zeit später – so kommt es ihm wenigstens vor – klingelt seine Smartwatch schon wieder. Diesmal ist es sein Kumpel Johannes, der ihn zum Lunch im Vintage-Restaurant im Nachbargebäude ermutigen möchte. Es ist recht neu, dennoch geht er auf diesen Vorschlag ein, da Adrian beim letzten Besuch dort seine Vorliebe für die vegane Fusion-Küche entdeckt hat.
Johannes und Adrian teilen sich ein Suppen-Gericht aus Meeresalgen, Pilzen und verschiedenen Rettich-Sorten – mal was anderes. Als sie diese Köstlichkeiten verspeist haben, drückt Johannes den kleinen grünen Knopf mit der Aufschrift „EcoPay“ auf seinem Tisch. Er ist bereits registrierter Kunde des Restaurants. Mit dem Knopfdruck signalisiert er dem Reinigungs-Kommando, dass sie beide fertig sind, zugleich hat er mit seinem Fingerabdruck eine Zahlung ausgelöst. Ein fixes, prozentuales Trinkgeld hatte er zuvor schon bei der Registrierung seines Kontos hinterlegt.
Frisch zurück am Arbeitsplatz kommt dann an Stelle des „kleinen Hungers“ die Kollegin „Suppenkoma“ bei Adrian vorbeigeflogen, so dass er bald anfängt, von den „rhythmischen“ Klängen von Manowar zu träumen. Aber kaum startet das erste Lied, wird Adrian wieder klar, warum Manowar so wichtig in seinem Musikregal ist – es ist die Lautstärke! Also muss er noch schnell ein paar passende Ohrstöpsel besorgen, damit er und seine Freundin dieses Jahrhundertevent körperlich unbeschadet überleben.
Offensichtlich passiert dies nicht zum ersten Mal, denn beim Aufruf der Seite „amazeme.go“ kommt sofort ein Vorschlag zu besagten Ohrmuscheln, einmal in Dunkelgrau und einmal in schrillem Pink. Zwecks Retourkutsche wählt Adrian nun die Wallet seiner Freundin als Zahlungsmittel. Erledigt! – so denkt er. Die Beschallung kann kommen. Doch später dann, beim gemeinsamen Abendbrot, erfährt er von Annabelle, dass die Ohrmuscheln wohl doch nicht geliefert werden, weil sie bei der Authentifizierung der Zahlung gepatzt hatte – und ihr das Bonussystem von amazme.go zudem so ganz und gar nicht gefällt.
„Na dann, back to the roots!“, denkt sich Adrian. Morgen Abend bei Manowar müssen sie damit wohl die Volldröhnung in Kauf nehmen.
Zunächst einmal sieht der Tagesablauf in der dargestellten Zukunft gar nicht so futuristisch aus. Schließlich sind viele von den Ablaufschritten im Alltag des Adrian einem heute lebenden Arbeitnehmer nicht wirklich fremd. Und dennoch gibt es da einige Unterschiede im Detail, die den geneigten Payment-Leser sicher aufhorchen lassen.
In allen in unserer Zukunft skizzierten Zahlvorgängen lässt sich eine durchgängige Strategie hinter der Entwicklung Zahlungsdienste erkennen: Das Bezahlen von Morgen wird ein integrierter Vorgang und nur noch Begleitwerk eines Einkaufsvorgangs sein. Das Bezahlen tritt in den Hintergrund und bedarf idealerweise keiner weiteren Interaktion – weder eines Karten-Wirrwarrs noch eines Bargeld-Chaos an der Kasse. Wallet-Lösungen sind die Basis vieler künftiger Zahlungsvorgänge, da sie vielfach die explizite Nutzung einer für einzelne Zahlarten spezifischen Peripherie vermeiden.
Zugleich hat der „grüne“ Gedanke der Ökologie viele Produkte des alltäglichen Handelns und Konsumierens erobert – und somit auch die Processing-Welt der Zahlungsabwicklung. Zahlungsmethoden und dazugehörige Tools oder Features, deren ökologischer Fußabdruck Nachhaltigkeit dokumentieren, haben klassische, viel Energie fressende Produkte abgelöst.
In der Analyse unseres Zukunftsbeispiels lässt sich sehr schnell erkennen, dass eine Zukunft durch viele Faktoren beeinflusst werden kann. In unserem Beispiel sind die maßgeblichen Treiber die Affinität der Gesellschaft zu allem Ökologischen und vor allen Dingen der Umstand, dass das Bezahlen ein dem Kaufvorgang untergeordneter Vorgang sein soll. Eine Zukunftsvision kann aber auch ganz andere Einflussfaktoren priorisieren, die logischerweise dann auch zu einem anderen Zukunftsbild führen würden. Des Weiteren bleibt bei der Erstellung eines Zukunftsbildes festzuhalten, dass Zukunft eine hoch dynamisches Vorstellung ist, welche durch kleine oder größere Einflüsse sehr schnell verändert werden kann. Eine Zukunftsvision ist also stets ad-hoc und eigentlich auch immer nur Teil einer gesamtheitlich zu betrachtenden Zukunft.
Diesem Phänomen Rechnung tragend, ist Zukunft nicht nur ein manifestiertes Bild, sondern vielmehr die Zusammenführung mehrerer Bilder, welche durch die Berücksichtigung verschiedenster Einflüsse entstanden sind. Die beschriebene Zukunft im Leben des Adrian ist also nur eines vieler möglicher Bilder. Wer eine belastbare Zukunftsvision – und keine reine Fiktion oder gar ein Bild aus der Glaskugel eines Wahrsagers – erstellen möchte, der sollte die Zukunft unter mehreren Aspekten prognostizieren.
*Dieser Beitrag wurde inspiriert von der Studie „Payment 2034 – Die Zukunft des Bezahlens“, die Osthaven in enger Kooperation mit dem „Zukunftsinstitut Workshop“ aus Frankfurt erstellt hat und das Zahlungsverhalten sowie das dahinter stehende Processing im Jahr 2034 in unterschiedlichen Szenarien prognostiziert. Sie können die Studie hier herunterladen.
Ralf Hesse ist Manager bei der auf Payment-Themen spezialisierten Unternehmensberatung Osthaven. Osthaven gehört zu den Premium-Partnern von Finanz-Szene.de. Mehr zu unserem Partner-Modell erfahren Sie hier.
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