Analyse

Der BNP/HSBC-Deal – wieso stürzen sich jetzt alle ins deutsche Private Banking?

Ist ja nicht so, als wäre die Geschichte der Bethmann Bank seit der Übernahme durch ABN Amro eine einzige Erfolgsstory. Und ist auch nicht so, dass die BNP Paribas, seit sie 2018 ihre große Offensive im hiesigen Wealth Management startete, seitdem einen Durchmarsch hingelegt hätte. Sondern: Private Banking in Deutschland – das ist ein dickes Brett, das erst einmal gebohrt werden will. Und so darf man es mindestens mal bemerkenswert finden, dass sowohl die ABN Amro als auch die BNP Paribas im Wissen um die Tücken des Geschäfts nun also den ganz dicken Bohrer auspacken (12 mm) und die Drehgeschwindigkeit (1.900 U/min) massiv erhöhen. Die Niederländer mittels der neulich verkündeten Übernahme von Hauck Aufhäuser Lampe. Und die Franzosen, indem sie sich – wie gestern offiziell annonciert – die Private-Banking-Sparte der HSBC Deutschland einverleiben.

Kurz zum Hintergrund: Als die BNP Paribas vor sechs Jahren kundtat, im hiesigen Wealth Management jetzt aber mal so richtig loslegen zu wollen, da klangen die Pläne geradezu fulminant. 150 Leute wollte man für das Geschäft mit Hochvermögenden und Unternehmerfamilien einstellen – und das binnen nur drei Jahren. Tatsächlich ging es dann (auch, aber nicht nur wegen der Corona-Krise) deutlich langsamer voran. Als Anfang 2023 eine erste ausführliche Zwischenbilanz gezogen wurde, war die entsprechende Sparte dann doch nur auf 90 Köpfe angewachsen. Und die ins Schaufenster gestellten 15 Mrd. Assets under Management klangen zwar nicht schlecht – allerdings hatte man hier recht generös die Kundengelder aus dem Affluents-Geschäft der Consorsbank eingerechnet. Wie weiter? Übernahmen seien „keine Option“, sagte der fürs hiesige Wealth Management zuständige Michael Arends damals, eine Aussage, deren Halbwertzeit, wie man nun weiß, eher kurz bemessen war.

Warum kauft die BNP Paribas jetzt plötzlich doch zu? Wie sieht der Deal konkret aus? Was versprechen sich die Franzosen von der Übernahme? Und wieso stürzen sich die Auslandsbanken ganz generell ins hiesige Private Banking?

Unser FAQ:

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1.) Wie sieht der Deal konkret aus?

Die BNP Paribas übernimmt das Private-Banking-Geschäft der HSBC Deutschland – also platt gesagt das, was früher mal Trinkaus & Burkhardt war. Im Zuge der Transaktion wechseln rund 120 Beschäftigte ins hiesige Wealth Management der französischen Großbank. Der Abschluss des Deals ist für die zweite Hälfte des kommenden Jahres geplant. Genehmigungen von Behörden stehen noch aus, ebenso wie der Abschluss von Verhandlungen mit dem Betriebsrat in Deutschland. Zum Preis äußern sich beide Parteien nicht.

Zur Einordnung: Die niederländische Großbank ABN Amro legt für die Frankfurter Privatbank Hauck Aufhäuser Lampe (dieser Deal wurde im Mai annonciert und soll im Q1/25 finalisiert werden) exakt 672 Mio. Euro auf den Tisch. Gemessen an den Private-Banking-Assets sind die beiden Deals vergleichbar. Allerdings umfasst Hauck Aufhäuser Lampe noch weitere Sparten, zudem waren die Frankfurter zuletzt operativ recht stark unterwegs. So gesehen dürfte der Kaufpreis im aktuellen Fall ein Stück niedriger sein, mutmaßlich im niedrigen dreistelligen Millionenbereich.

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2.) Wie steht das deutsche Private Banking der HSBC da?

Es geht so. Zwar konnte die HSBC in ihrer Sparte „Wealth & Personal Banking Germany“ (die neben dem Private Banking auch die Asset Management Deutschland GmbH umfasst) den Vorsteuergewinn im vergangenen Jahr auf 44 Mio. Dollar knapp verdreifachen (im ersten Halbjahr 2024 sind es dann 19 Mio. Dollar gewesen). Wie stark dabei allerdings das operative Geschäft, die Zinswende oder auch ein etwaiges Window Dressing den Ausschlag gaben, bleibt unklar. Fakt ist: In den Vorjahren, und zwar seit 2019, schien das Bruttoergebnis stets bei 17-18 Mio. Dollar wie festgenagelt.

Tatsächlich mutet die Ertragsbasis gemessen am jüngsten Gewinnsprung weiterhin eher bescheiden an. Zwar setzte die HSBC hierzulande zuletzt satte 1,9 Mrd. Dollar um – das „Wealth & Personal Banking Germany“ trug hierzu dem Vernehmen allerdings nur etwa 5% bei, also grob 90 Mio. Euro (die beiden anderen, deutlich größeren Sparten sind übrigens das „Commercial Banking“ sowie der Bereich „Global Banking & Markets“, der unter anderem das Segment Securities Services umfasst).

Setzt man die mutmaßlichen rund 90 Mio. Euro ins Verhältnis zu den Assets under Management in Höhe von 26 Mrd. Euro, ergibt sich eine mäßig attraktive Marge von weniger als 40 Basispunkten. Zum Vergleich: Bei der ABN Amro in Deutschland (also wesentlich die alte Bethmann Bank, noch ohne Hauck) entsprechen die Erträge eigenen Angaben zufolge 70 Basispunkten, im Falle des Private Bankings von Hauck Aufhäuser Lampe wurde die Spanne im Markt zuletzt auf rund 50 Basispunkte geschätzt. Freilich: Solche Werte sind immer mit Vorsicht zu genießen. So fließen bei ABN Amro auch die Einahmen aus dem Corporate Banking in die Berechnung ein.

Personell sorgte das hiesige Private Banking der HSBC zuletzt durch einen spektakulären Doppel-Abgang für Aufsehen: CEO Axel Hoffmanns verlässt das Haus, um zu Beginn des kommenden Jahres neuer Deutschland-Chef von Julius Bär zu werden – COO Stefan Spieler wechselt gleich mit.

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3.) Wie steht die BNP Paribas im deutschen Private Banking da?

Ob Citigroup, Credit Suisse oder die beiden liechtensteinischen Wealth-Management-Spezialisten LGT und LLB – die Liste der ausländischen Banken, die in jüngerer Vergangenheit den Weg nach Deutschland (zurück-)gefunden haben, ist stattlich. Den größten Buzz allerdings erzeugte, zumindest unserem Eindruck nach, die eingangs erwähnte Offensive der BNP Paribas.

Nach eigener Aussage sind die Franzosen mit ihren 446 Mrd. Euro Assets under Management per Ende Juni der führende Wealth Manager „unter den Privatbanken in der Eurozone“ (zu der die Schweiz ja bekanntlich nicht gehört). Im deutschen Markt allerdings nehmen sich die Kundengelder mit aktuell 20 Mrd. Euro allerdings bescheiden aus – zumal wenn man davon ausgeht, dass hiervon, sagen wir, grob die Hälfte auf die Consorsbank entfällt. Andere Player sind da dem Vernehmen nach mit anderen Hausnummern unterwegs, als Marktführer gelten die Deutsche Bank und die Commerzbank, die ABN Amro gab im Mai an, hierzulande nach der Übernahme von Hauck Aufhäuser Lampe auf etwa 70 Mrd. Euro zu kommen.

Wirft man alles zusammen, also die deutschen Wealth-Management-Assets der BNP Paribas, die eher der Affluent-Klientel zuzuschreibenden Assets der Consorsbank sowie die Kundengelder, die von der deutschen HSBC unter das hiesige Dach der französischen Großbank wandern sollen, dann kommt man laut gestrigen Angaben auf rund 40 Mrd. Euro. Und rund 300 Mitarbeiter. Das ist noch nicht ganz, ganz groß. Aber schon so, dass sich die BNP Paribas im hiesigen Markt (je nachdem, wie man’s definiert) künftig irgendwo zwischen Rang 5 und Rang 8 ansiedeln dürfte, also irgendwo in der Gewichtsklasse von UBS oder Oddo BHF und sicherlich größer als M.M. Warburg, Metzler, die DZ Privatbank oder die Frankfurter Bankgesellschaft. Abgesehen von den AuM- und den Mitarbeiterzahlen gab BNP-Deutschland-Chef Lutz Diederichs bei einer eilig einberufenen Pressekonferenz gestern Früh keinerlei harte Zahlen preis.

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4.) Was verspricht sich die BNP Paribas von dem Deal?

Mehr Kunden, mehr Größe, mehr Skaleneffekte. Wobei spannend zu beobachten sein wird, ob die BNP Paribas nur Ertragssynergien oder möglicherweise auch Kostensynergien heben will. Denn: Die Franzosen gewinnen zwar rund 120 neue Mitarbeiter hinzu – aber kaum mehr Präsenz in der Fläche. Fünf der sieben Private-Banking-Standorte der HSBC Deutschland werden von der BNP Paribas auch heute schon mit eigenen Vertriebsteams bestückt (konkret: Berlin, Hamburg, Frankfurt, München und Stuttgart). Neu ins Standort-Portfolio kommen durch den Zukauf lediglich Düsseldorf und Baden-Baden.

Strategisch will sich die BNP Paribas im hiesigen Wealth Management weiterhin als Anbieter komplexer Dienstleistungen für hochvermögende Unternehmen und Familien positionieren, wie Diederichs gestern erklärte. Abzuwarten bleibt, wie solche Mittelständler auf den Eignerwechsel reagieren, die die HSBC bislang nicht nur als Wealth Manager, sondern auch als Corporate Bank nutzen – sowie solche Mittelständler, die mit ihrem Unternehmen bisher bei einer der beiden Banken Kunde sind, für die Verwaltung ihres Privatvermögens hingegen mit Bedacht die andere Bank ausgewählt haben, um die jeweiligen Geschäftsbeziehungen voneinander zu trennen.

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5.) Wieso stürzen sich die Auslandsbanken in den deutschen Markt?

Je nachdem, welche Statistiken man konsultiert, gehört Deutschland zu den zehn größten, womöglich sogar zu den fünf größten Wealth-Management-Märkten weltweit. Dabei ist – durch Erbschaften bzw. Unternehmensnachfolgen – derzeit ein Generationswechsel im Gange, der zu einer Neuverteilung beträchtlicher Marktanteile führen könnte. Wer diese Chance nutzen will, muss jetzt in die Offensive gehen.

Hinzu kommt: Im Zuge der Zinswende warf das Wealth Management zuletzt vielerorts wieder deutlich höhere Erträge ab, das trägt ebenso zur neu entdeckten Attraktivität bei wie die Aussicht, Private-Banking-Dienstleistungen im Zuge der Digitalisierung künftig kostengünstiger anbieten und Skalenvorteile leichter nutzen zu können. Parallel nehmen die Anforderungen der Regulierung weiterhin zu (etwa mit Blick auf ESG oder aktuell durch die EU-Verordnung DORA zu digitaler operationaler Resilienz) – große Player wie die BNP Paribas können sich hierauf im Zweifel besser einstellen als klassische Privatbanken.

Zur Wahrheit gehört so gesehen auch, dass die aktuelle M&A-Dynamik mindestens so sehr von der Verkäuferseite wie von der Käuferseite ausgeht:

  • Der chinesische Eigentümer Fosun musste Hauck Aufhäuser Lampe vielleicht nicht zwingend verkaufen – hielt diesen Schritt aber für mindestens mal opportun
  • Die Eigentümerfamilien von M.M. Warburg wollten an der Traditionsbank zwar trotz Cum-Ex-Desaster zunächst festhalten, müssen (wenn man der jüngsten Berichterstattung der „WamS“ glaubt) aber mittlerweile einsehen, dass ein Verkauf wohl die beste Lösung ist
  • Die britische HSBC restrukturiert ihr Deutschland-Geschäft und sah in der hiesigen Private-Banking kein strategisches Asset mehr

„Letztlich zeigt die aktuelle Entwicklung, dass rein organisches Wachstum mühsam ist. im Zweifel sind sind M&A-Transaktionen oft – trotz der Integrationsaufwände – dann das Mittel der Wahl gegenüber dem Anwerben einzelner Berater und Teams“, sagt Karsten Junge, Private-Banking-Experte von unserem „Premium Partner“ Consileon. Wobei Junge zu bedenken gibt: „Aus der Vogelperspektive ist Deutschland aufgrund der schieren Große einer der interessantesten Private-Bank- bzw. Wealth-Management-Märkte weltweit. In der Realität stellt allerdings die föderale Struktur erhebliche Anforderungen an den vertrieblichen Footprint, es gibt sehr viel Wettbewerb und die deutschen Kunden sind sehr preisbewusst. Der strategische Markteintritt ist das eine – die praktische Umsetzung das andere.“

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