Partner-Blog

EZB stellt Banken bei der Berechnung ihres Eigenkapitals vor neue Hürden

Die EZB-Bankenaufsicht schärft ihre Anforderungen an institutseigene Modelle zur Risiko-Bewertung. Dazu hat sie einen überarbeiteten Leitfaden veröffentlicht, inklusive zahlreicher Änderungen für die auf internen Ratings basierenden Ansätze (IRBA) zur Bewertung von Kreditrisiken. Demnach müssen die zugelassenen „IRBA-Institute“ unter anderem erstmals Anforderungen für Klima- und Umweltrisiken berücksichtigen – und enge Fristen für die operative Umsetzung neu genehmigter Berechnungsmodelle einhalten. Damit stellen sich Groß- und Regionalbanken neue Herausforderungen bei der Berechnung des erforderlichen Eigenkapitals.

Den größten Handlungsdruck dürften die direkt von der EZB beaufsichtigten Großbanken verspüren, zumal die Bankenaufseher angekündigt haben, den Leitfaden nach dem Mitte September erfolgten Abschluss einer Konsultationsphase zügig umsetzen zu wollen. Aber auch immer mehr Regionalbanken arbeiten an der Zulassung eigener Ratingverfahren zur Ermittlung von Ausfallwahrscheinlichkeiten und Verlustquoten im Kreditgeschäft, für die der Leitfaden schon bald Prüfungsrelevanz erhält.

Veränderte Erwartungen der Aufsicht an die auf internen Ratings basierenden Ansätze sind somit für einen immer größer werdenden Kreis von Kreditinstituten von Bedeutung. Jedes IRBA-Institut ist aufgefordert, kurzfristig den eigenen Handlungsbedarf zu identifizieren und bestehende IRBA-Modelle anzupassen. Nur so kann es frühzeitig vorhersagen, wie sich der angepasste Ansatz der EZB auf die eigenen risikogewichteten Aktiva auswirken wird. Bei einer verzögerten Reaktion drohen dem Institut hingegen Zuschläge auf die aktuellen IRBA-Modellberechnungen – mit negativen Auswirkungen auf die Unterlegung mit Eigenkapital.

Im Folgenden werden wir uns auf die Themengebiete General Topics und Credit Risk (die Kapitel 1 und 2 im Leitfaden) fokussieren. In diesen Kapiteln hat zeb insgesamt 32 Änderungen identifiziert, die Auswirkungen auf IRBA-Institute haben können. Hier ein erster Überblick über die Zahl der geänderten Textabschnitte samt unserer Einschätzung.

Quelle: zeb

Neue Bestimmungen zu Klimarisiken, IT und Kreditausfällen

Sechs dieser 32 Änderungen haben nach unserer Ansicht potenziell hohe Auswirkungen auf die Anwendung bestehender Modelle, neun weitere mittlere. An dieser Stelle wollen wir vorrangig die sechs wichtigsten Konkretisierungen und Neuerungen im Bereich der Kreditrisiken skizzieren:

  1. Im Kapitel 1 (General Topics) werden im Abschnitt „Overarching Principles“ zwei Änderungen in der Grundhaltung der EZB deutlich. Im Einklang mit den Leitlinien der Europäischen Bankenaufsichts-Behörde (EBA) und der jüngsten Novelle der Mindestanforderungen an das Risikomanagement (MaRisk) seitens der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungs-Aufsicht (Bafin) müssen Banken im Rahmen der IRBA-Modellierung Treiber für klima- und umweltinduzierte Risiken identifizieren und bei Relevanz integrieren. Sie müssen daher unter anderem die Zeithorizonte dieser Risiken mit dem Prognosehorizont ihrer IRBA-Modelle in Einklang bringen.
  2. Zum anderen konkretisiert die EZB erstmals einen Zeitrahmen für die Einführung neuer oder modifizierter IRBA-Modelle nach Genehmigung durch die Bankenaufsicht: Die Frist darf in der Regel drei Monate nicht überschreiten. Diese Neuerung ist insbesondere für Institute von Bedeutung, die IRBA-Modelle im Verbund mit anderen Banken betreiben. Sollten mehrere Mitglieder innerhalb kurzer Zeit Zulassungen für neue oder angepasste Modelle erhalten, müssten alle Institute im Verbund diese fast parallel einführen. Dies dürfte nicht nur für die IT-Abteilungen vieler Banken eine große Herausforderung darstellen.
  3. Im Abschnitt „Roll-Out and Permanent Partial Use” (in Kapitel 1) konkretisiert die EZB erstmals auch, wie IRBA-Institute zu einem weniger anspruchsvollen Ansatz für die Bewertung von Kreditrisiken zurückkehren können. Banken, die zu einem weniger komplexen Berechnungsansatz wechseln wollen, müssen diesen Schritt anhand bestimmter Kennzahlen und Kriterien klar begründen.
  4. Wesentliche Auswirkungen auf die Anwendung bestehender IRBA-Modelle dürften auch drei Punkte im Kapitel 2 (Credit Risk) haben. Im neuen Abschnitt „Data Maintenance for the IRB Approach“ beschreibt die EZB Anforderungen an die IT-Implementierung neuer oder angepasster IRBA-Modelle. Zum Nachweis der Belastbarkeit der IT-Systeme, der Datenqualität und der Data Governance muss ein Institut zeigen, dass das Modell bereits in der Produktivumgebung – gegebenenfalls auch „nur“ in einem produktionsnahen Kontext – funktioniert.
  5. Neu ist in Kapitel 2 auch der Abschnitt „Definition of Default“, in dem die EZB klarstellt, wie Banken mit der Bestimmung eines Kreditausfalls umzugehen haben. Die Aufsicht konkretisiert die Anwendung der aktuellen Ausfalldefinition insbesondere hinsichtlich der Ausfallkriterien Verzug und Sanierung sowie den Umgang mit externen Ausfalldaten.
  6. Die dritte wesentliche Neuerung im Kapitel Credit Risk ist eine Reihe von Erläuterungen zur Ermittlung der Ausfall-Wahrscheinlichkeit im Abschnitt „Probability of Default“. Von großer Bedeutung für IRBA-Institute dürften die Konkretisierungen zum eigentlichen Kalibrierungs-Prozess sein. Die EZB beschreibt, welche zusätzlichen Kalibrierungs-Tests Banken durchführen müssen und welche Dokumentation, Kalibrierungs-Niveaus, Berechnungs-Methoden, Modellleistungs-Tests, Kalibrierungs-Stichproben und Modell-Überschreibungen künftig erforderlich sein werden, um von der Bankenaufsicht grünes Licht zu erhalten.

Banken sollten die Änderungen der Aufsicht zügig umsetzen

Die aufgeführten Änderungen stellen nur einen Auszug aus den umfangreichen Anpassungen des Leitfadens dar. So gibt es beispielsweise im gerade erwähnten Abschnitt „Probability of Default“ drei weitere Überarbeitungen, die aus unserer Sicht einen mittleren Einfluss auf die Ermittlung der Kreditausfall-Wahrscheinlichkeit nach einem auf internen Ratings basierenden Ansatz haben dürften. Auch in den nachfolgenden Abschnitten „Loss Given Default“ und „Credit Conversion Factor“ führt die EZB sechs Änderungen oder Neuerungen zur Ermittlung der Verlustquoten bei Kreditausfällen und Faktoren der Kreditumrechnung auf, deren Folgen wir ebenfalls als mittel einstufen.

Mit dem überarbeiteten Leitfaden hat die EZB bestehenden und potenziellen IRBA-Instituten einige Hausaufgaben mit auf den Weg gegeben. Diese sollten von den Banken zügig in Angriff genommen werden. Das 2017 erstmals veröffentlichte und seitdem mehrfach ergänzte Dokument konkretisiert für sie auf sehr nützliche Weise die gängige Prüfungspraxis der Bankenaufseher und die Erwartungen der Aufsicht an die Implementierung interner Modelle. Zugleich definiert die EZB damit aber auch eine „Mindestsprunghöhe“, die IRBA-Institute bei der Anwendung von Modellen auf Basis interner Ratings erreichen müssen.

–––––––––––––––––––

*Dr. Robert Ellenbeck ist Partner, Christian Witte Senior Manager bei zeb consulting; zeb consulting gehört zu den Premium-Partnern von Finanz-Szene. Mehr zu unserem Premium-Partner-Modell erfahren Sie hier.

Rechtehinweis

Die Artikel von Finanz-Szene sind urheberrechtlich geschützt und nur für den jeweiligen Premium-Abonnenten persönlich bestimmt. Die Weitergabe – auch an Kollegen – ist nicht gestattet. Wie Sie Inhalte rechtssicher teilen können (z.B. via Pressespiegel), erfahren Sie hier.

Danke für Ihr Verständnis. Durch Ihr Abonnement sichern Sie ein Stück Journalismus!

To top