von Bernd Neubacher, 2. Januar 2023
In unserer zehnteiligen Ausblicks-Serie schauen wir auf das, was Banken und Fintechs im kommenden Jahr umtreiben wird.
Heute Teil #7: Je drei Thesen zu Landesbanken und Auslandsbanken
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Mit seiner Forderung nach einer Super-Landesbank bestimmte DSGV-Präsident Helmut Schleweis in den Jahren vor der Pandemie die Schlagzeilen – im echten Leben kam es allerdings lediglich zu einer Konsolidierung von unten:
Indes: So sinnvoll diese Bündelungen auch sein mögen – die Konsolidierung von unten stößt allmählich an ihre Grenzen. Denn was bei dem Blick auf die obigen Bullet-Points ja doch auffällt: Einig werden sich die Landesbanken bislang nur bei der Zusammenlegung von Randbereichen und in Teilen des Sparkassengeschäfts. Und selbst hierbei werden die erwarteten Einsparungen stets akribisch gegen den drohenden Kundenabrieb abgewogen.
Die Prognose einer Konsolidierung auf anderen Ebenen lässt sich hieraus kaum ableiten. Ans Eingemachte ginge es schließlich erst, wenn sich einzelne Landesbanken zum Beispiel im Geschäft mit ihren direkten Firmenkunden zusammentäten. Davon allerdings ist rein gar nichts zu sehen. So sind die Institute bislang nicht einmal bereit, beim Betrieb ihrer insgesamt rund 40 Standorte im Ausland zu kooperieren. Zu wichtig (und im Zweifel auch wichtiger als mögliche Einsparungen) ist den einzelnen Landesbanken hier ihre Außenwirkung.
Ja, die Präsenz an Standorten wie Stockholm, Sao Paulo oder Jakarta mag kostspielig sein. Argumente, an dem immer noch recht dichten Netz festzuhalten, finden sich im Zweifel aber immer. Da wird dann auf Risikodiversifikation, aber zum Beispiel auch darauf verwiesen, dass die Auslandspräsenz die Gelegenheit biete, als Junior-Partner in Konsortien wichtige Erfahrungen im Geschäft mit neuartigen Finanzierungen im Zuge der Energiewende zu sammeln.
Konsequenz: Von Konsolidierung dürfte man 2023 erst einmal nicht mehr viel hören. Weder von oben noch von unten noch von sonstwo.
Der gewöhnliche Landesbanker ist überwiegend schon ein bisschen älter – und im Zweifel männlich (siehe auch unsere Analyse –„Helaba, LBBW, NordLB: Die Landesbanken verlieren den Mittelbau“). So haben in der Helaba die Beschäftigten, die älter als 50 Jahre alt sind, 2021 die absolute Mehrheit übernommen – während sich das Durchschnittsalter bei der LBBW (ohne Töchter) bei 46,1 Jahre und in der BayernLB (die DKB außen vor) bei 45,6 Jahren befindet. Zugleich liegt der Anteil weiblicher Führungskräfte bei der LBBW und der NordLB bei gerade mal gut 21%. Bei der Helaba sieht es zwar mit 23,4% etwas besser aus – von den 30%, welche die Frankfurter nach eigenen Angaben „perspektivisch“ übertreffen möchten, ist man gleichwohl weit entfernt.
Wie wollen die Landesbanken mit dieser demografischen Struktur in Zeiten wachenden Arbeitskräftemangels talentierten Nachwuchs akquirieren? Zumal ja beispielsweise die NordLB noch mitten in der Restrukturierung steckt und die Zahl der Vollzeitstellen von rund 5.250 (2019) auf 2.800-3.000 (2024) senken will. Wo derart radikal Jobs gestrichen werden, sind die Jüngeren gern mal die ersten, die gehen müssen – oder gehen wollen.
Klingt alles nicht sehr zukunftsgerichtet. Zumal wenn dann die BayernLB kommt und glaubt (siehe unseren Scoop hier), sogar ohne eigenständige „Human Resources“-Abteilung auszukommen. Gleichwohl, ein paar entgegengesetzte Initiativen gibt es dann doch auch:
Das Problembewusstsein scheint also zu wachsen. Und dürfte auch 2023 zunehmen. Dafür sprechen auch die jüngsten Verpflichtungen von Digitalexperten bei der Helaba (siehe hier) und der LBBW (siehe hier).
Den Landesbanken droht 2023 ein Spagat: Einerseits gilt es angesichts von Energiekrise und Rezession das Geld beisammenzuhalten – andererseits steht der öffentliche Auftrag genau diesem Bestreben ein Stück weit entgegen. So heißt es etwa in der Satzung der LBBW: „Im Hinblick auf ihren öffentlichen Auftrag ist die Landesbank auch bestrebt, im Rahmen ihrer Möglichkeiten soziale, ökologische, kulturelle und sonstige gemeinnützige Vorhaben zu unterstützen.“
In ihrem Halbjahresbericht prognostizierten die Stuttgarter zuletzt jedenfalls eine nachlassende Dynamik im Kreditgeschäft sowie Belastungen der Asset-Qualität. Das klang anders als bei der NordLB, die von wirtschaftlichen Turbulenzen scheinbar unbeeindruckt fröhlich auf Expansionskurs steuerte und ihre Kreditvergabe auf 9M-Sicht um 80% auf 16 Mrd. Euro ausbaute. Doch dann, vier Wochen vor Jahresende, hieß es auch in Hannover plötzlich: “Die Unsicherheiten im wirtschaftlichen Umfeld haben sich zuletzt weiter erhöht. Angesichts dieser Unwägbarkeiten verzichten wir auf eine konkrete Prognose.”
Klingt alles nach einem ziemlichen Balance-Akt. Und: Durch die ESG-Regulierung verkompliziert sich das Geschäft zusätzlich. Denn eigentlich ist die Kreditbranche gehalten, mit ihren Firmenkunden eine Auseinandersetzung darüber zu führen, wie diese ihre Emissionen begrenzen. Die Landesbanken werden 2023 also zum einen entscheiden müssen, welche Kreditengagements auf kurze Sicht besonders rezessionsanfällig sind – und zum anderen, welche langfristig vielleicht nicht mehr grün genug sein könnten. Da wird manches unangenehme Kundengespräch anstehen.
Es ist gut möglich, dass der ein oder andere „Inlandsbanker“ (wie zuletzt Deutsche-Bank-Vorstand Fabrizio Campelli) auch 2023 wieder raunen wird, die Auslandsbanken bekämen kalte Füße. Was aber sogar sehr wahrscheinlich ist: dass sich die steile These auch in diesem Jahr durch harte Zahlen nur schwerlich wird belegen lassen.
Denn: Schon Ende November (also unmittelbar nach dem Campelli-Geraune) zeigte Finanz-Szene auf, dass die Auslandsbanken ihr Kreditvolumen im Corona-Jahr 2020 um 1% ausgeweitet haben – während das Volumen bei der Deutschen Bank seinerzeit stagnierte. Und: Aus aktuelleren Bundesbank-Daten geht mittlerweile hervor, dass die Auslandsbanken die Vergabe mittel- und langfristiger Kredite an Nichtbanken zwischen Ende 2021 und Oktober 2022 sogar um knapp 6% ausgeweitet haben (etwa im Gleichschritt mit den einheimischen Instituten).
Mag sein, dass die Auslandsbanken zuletzt nicht mehr ganz so kräftig auf dem Gas standen wie in den Jahren vor Corona. Für eine Flucht aus dem deutschen Markt spricht allerdings wenig. Zumal die großen ausländischen Häuser nach dem Brexit hierzulande ja regelrechte EU-Broker-Dealer aufgebaut haben. Die sollen nun Geschäft machen, nicht drosseln.
Der Blick etlicher Auslandsbanken richtet sich in diesem Jahr gen Brüssel, wo die finalen „Basel III“-Regeln festgeklopft werden (siehe auch in unserer Ausblicks-Serie den Teil „Was 2023 auf Banken und Sparkassen an Regulierung zukommt“) – und es sehr konkret auch um die Vorgaben für sogenannte Drittstaaten-Zweigstellen geht. Also um EU-Niederlassungen von Banken außerhalb der Union. Für die in Deutschland ansässigen Auslandsbanken steht dabei einiges auf dem Spiel.
Rückblick: Mit ihren 2021 präsentierten Vorschläge wollte die EU-Kommission die entsprechende Regulierung innerhalb Europas vereinheitlichen und Arbitrage entgegenwirken. So sollte die Finanzaufsicht bei Zweigstellen mit Aktiva von mindestens 30 Mrd. Euro überprüfen, ob die Zweigstellen nicht zu echten Töchtern mutieren müssen – ein Vorschlag, der ordentlich Staub aufwirbelte. Und schon sehr konkret klang: Für europaweit rund 40 mittelgroße Zweigstellen waren anhand der Passiva berechnete Kapitalmindestanforderungen vorgesehen; die übrigen Player sollten zumindest eine absolute Mindestsumme an Kernkapital vorhalten.
Ob es wirklich so kommt? Eher nicht. Wichtige Mitgliedstaaten, repräsentiert durch die EU-Rat, haben klargemacht, dass es nationale Ausnahmen geben soll. Damit könnte in Deutschland alles bleiben, wie es ist: “Die deutsche Position scheint insbesondere insoweit berücksichtigt worden zu sein, als dass der Entwurf [des EU-Rats] es Deutschland ermöglichen würde, seine bisherige Regulierung praktisch unverändert beizubehalten“, resümiert Wolfgang Vahldiek, Direktor Recht beim Verband der Auslandsbanken in Deutschland: “Nach unserer Wahrnehmung scheint dies auch das Ziel der Bundesregierung in den Verhandlungen zu sein.”
Damit nicht genug: Wie zu hören ist, dürften die Auslandsbanken auch in der Frage der sogenannten „Reverse Solicitation“ glimpflich davonkommen. Vereinfacht gesagt sollen die Institute von Regelverschärfungen verschont bleiben, die es ihnen erschweren würden, Geschäft entgegenzunehmen von Kunden aus Mitgliedstaaten, in welchen sie keine Niederlassung unterhalten. Spielt jetzt noch das EU-Parlament mit, lösen sich die zunächst überraschend strengen Vorschläge der EU-Kommission mehr oder weniger in Wohlgefallen auf.
Nein, auch für europäische Banken ist die ESG-Regulierung kein Zuckerschlecken. Institute allerdings, deren Mutter außerhalb des einheitlichen Wirtschaftsraums beheimatet sind, stehen vor einem zusätzlichen Problem. Sie müssen in der Zentrale nicht nur Verständnis für die neuen Anforderungen wecken, sondern dort auch die erforderlichen Budgets zur Umsetzung locker machen.
Das dürfte nicht immer einfach sein, ist Europa in der Nachhaltigkeits-Regulierung doch deutlich weiter vorangeschritten als Asien oder die USA. Vielen Auslandsbanken droht daher in diesem Jahr erheblicher administrativer Aufwand. Die großen Player, immerhin, halten hierfür inzwischen eigene Abteilungen vor. In kleineren Häusern aber muss eine Handvoll Leute die Vorgaben bewältigen. Da liegt die Versuchung nahe, erst einmal abzuwarten, wie Wettbewerber verfahren und wie die Umsetzung der Vorgaben überhaupt in der Praxis gehandhabt wird.
Noch ein Problem: Ab einer gewissen Größe müssen die Banken 2024 erstmals ihre „Green Asset Ratio“ berechnen – die Vorbereitungen hierfür dürften dieses Jahr beginnen. Zudem steht für 2023 die „Corporate Sustainability Reporting Directive“ auf dem Programm. Für alle betroffenen Banken ein großer Aufwand. Für die Auslandsbanken mit ihren oft kleinen Teams aber ganz besonders.
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