Exklusiv

Kernbanken-Projekt der Sparda-Banken mit Sopra Steria vor dem Aus

Es ist ein Fall, der in seiner finanziellen Tragweite mit dem IT-Desaster der Apobank vergleichbar sein dürfte: Laut exklusiven Recherchen von Finanz-Szene steht das gemeinsame Kernbanken-Projekt diverser Sparda-Banken (West, Baden-Württemberg, Hessen, München, Nürnberg, Ostbayern und Augsburg) mit dem französischen Technologiekonzern Sopra Steria vor dem Aus.

Im Ende vergangener Woche veröffentlichten 2022er-Geschäftsbericht von Sopra Steria heißt es wörtlich:

„[…] In Germany, the transformation programme run by Sopra Financial Technology on behalf of banks in the Sparda group was suspended because the stakeholders were unable to reach agreement on a shared solution within a reasonable time frame. Talks are in progress with the banks, shareholders and customers on the conditions under which the banks’ information system might be migrated to a third party supplier. Sopra Financial Technology would continue to provide the banks with operational support for the existing information system until migration was complete, which could be sometime between now and 2026.“

Zwar betonten am Wochenende sowohl der Verband der Sparda-Banken als auch eine Sprecherin von Sopra Financial Technology (also des Core-Banking-Joint-Ventures der sieben Sparda-Banken mit Sopra Steria), dass noch keine endgültige Entscheidung gefallen sei. Laut Insidern soll die Migration zu einem anderen Kernbanken-Anbieter aber abgemachte Sache sein. Als Favorit gilt dabei der genossenschaftlichen IT-Dienstleister Atruvia.

Hintergrund: Eigentlich wollten die sieben Sparda-Banken mit zusammen 2,1 Millionen Kunden gemeinsam mit Sopra Steria ein völlig neues Core-Banking-System entwickeln, das auf Sicht auch weitere deutschen Geldinstitute als Kunden gewinnen sollte. Dazu wurde 2019 der ursprüngliche IT-Dienstleister der gesamten Sparda-Gruppe, nämlich die „Sparda Datenverarbeitung eG“ (SDV-IT), in besagtes Joint-Venture namens Sopra Financial Technology eingebracht. Hieran halten die Franzosen 51% der Anteile, die sieben Sparda-Banken zusammen 49%.

In dem Projekt knirscht es jedoch seit Monaten massiv, wie Finanz-Szene bereits im November berichtete (siehe auch -> Kernbanken-Projekt der Sparda-Banken wackelt). In den Geschäftsberichten beteiligter Institute war wiederholt von „außerordentliche Aufwendungen“ und „temporären Zusatzbelastungen“ im Zusammenhang mit der geplanten IT-Transition die Rede. Zwei Sparda-Banken – die in Ostbayern und Augsburg – erhoben in ihren 2021er-Abschlüssen sogar deutliche Vorwürfe in Richtung Sopra Financial. So wurde die „Kostensituation“ ebenso bemängelt wie „Betriebsstabilität“ und „Projektverschiebungen“. Offen kokettierten beide Häuser damit, alle Optionen zu prüfen, um „künftig“ (sic!) „eine leistungsstarke, wettbewerbsfähige IT mit verlässlichen und kalkulierbaren Kosten zu nutzen“.

Insider werteten bereits diese offene Kritik als klares Indiz, dass Ostbayern und Augsburg einen Wechsel zur Atruvia vorbereiten. Allerdings verwiesen mehrere Beteiligte darauf, dass die Sopra Financial Technology zum damaligen Zeitpunkt noch auf eine Vertragserfüllung gepocht habe. Ausweislich der eingangs zitierten Passagen aus dem aktuellen Geschäftsbericht des französischen Mutterkonzerns deutet nun aber alles auf eine Scheidung der Liaison hin. Kenner der Materie gehen davon aus, dass neben Ostbayern und Augsburg letztlich auch die Spardas West, Baden-Württemberg, München, Hessen und Nürnberg einen Wechsel zur Atruvia sondieren.

Für dieses Szenario sprechen tatsächlich mindestens vier Argumente:

  • Die Sparda-Banken Südwest, Hannover, Berlin und Hamburg waren bereits 2019 zur Atruvia gewechselt (parallel zur Gründung der Sopra Financial Technology durch die sieben übrigen Sparda-Banken und Sopra). Es gäbe für die anstehende Migration also eine Blaupause
  • Dass am Ende nur einzelne der sieben Sparda-Banken zur Atruvia wechseln, ist zwar nicht gänzlich auszuschließen – muss aber als unwahrscheinlich gelten, da das Sparda/Sopra-Projekt dadurch kritische Masse verlieren würde
  • Wenn die sieben Sparda Banken wechseln, dann ist als Partner einzig die Atruvia plausibel. Denn: Nach dem verpatzten Versuche mit Sopra Steria werden sich die Institute ein weiteres Core-Banking-Abenteuer weder leisten können noch wollen
  • Da die Sparda-Banken der genossenschaftlichen Großfamilie ebenso angehören wie Atruvia, dürfte letztere auch keine übertriebenen finanziellen Forderungen stellen

Die Kosten für das „Sopra Financial Technology“-Projekt werden von Insidern schon jetzt auf einen dreistelligen Millionenbetrag taxiert. On top kämen noch die Aufwendungen für die sich abzeichnende Migration zur Atruvia. Laut dem Sopra-Steria-Geschäftsbericht türmen sich die bereits geleisteten, aber noch nicht in Rechnung gestellten Leistungen von Sopra Financial Technology bei den Sparda-Banken auf inzwischen 41 Mio. Euro.

Zur Erinnerung: Bei der Apobank ist nach der verpatzten Kernbank-Migration (siehe auch unser damaliges Protokoll hier) heute nur noch ein früherer Vorstand im Amt. Ob es bei den sieben Sparda-Banken ähnliche personelle Konsequenzen geben wird, bleibt abzuwarten. Nicht auszuschließen, dass die handelnden Vorstände aufgrund der schwachen Aufsichtsstrukturen innerhalb der Sparda-Gruppe einfach weitermachen dürfen.

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Das Statement der Sparda-Verbands:

„Die beteiligten Sparda-Banken und Sopra Steria prüfen derzeit gemeinsam die Beendigung des Sparda-Programms bis 2026. Die Details sind derzeit noch Gegenstand von Verhandlungen, ebenso die zukünftige Aufstellung der IT der betroffenen Sparda-Banken. Wir bitten um Verständnis, dass wir zu diesem Zeitpunkt keine weiteren Details zum Stand der Verhandlungen geben werden.  Sowohl die Betriebsstabilität der SFT als auch die IT-technische Versorgung der betroffenen Sparda-Banken sind gesichert.“

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Das Statement von Sopra Financial Technology:

„Ein Transfer ist eins von mehreren diskutierten Szenarios zum weiteren Vorgehen. Eine Entscheidung für ein konkretes Szenario steht noch aus.“

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So viel Kunden haben die elf Sparda-Banken

Bank Kundenzahl
"Atruvia"-Spardas
Sparda Südwest 472.000
Sparda Berlin 430.000
Sparda Hamburg 217.000
Sparda Hannover 205.000
Summe 1.324.000
"Sopra Financial Technology"-Spardas
Sparda West 562.000
Sparda Baden-Württemberg 498.000
Sparda Hessen 361.000
Sparda München 287.000
Sparda Nürnberg 203.000
Sparda Ostbayern 112.000
Sparda Augsburg 56.000
Summe 2.079.000

Quelle: Geschäftsberichte 2021; gerundet

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