Ausblick (#6)

Wir haben 23 Top-Consultants gefragt: Was erwartet unsere Banken in 2023?

Im Rahmen unserer Ausblicks-Serie haben wir 23* renommierten Beraterinnen und Beratern folgende Aufgabe gestellt: „Schreiben Sie uns bitte auf maximal 2.023 Zeichen, was die deutsche Bankenbranche im Jahr 2023 bewegen (und möglicherweise sogar überraschen) wird.“

Hier die Antworten (über die Reihenfolge der Beiträge haben wir das Los entscheiden lassen …):

Das „3-6-3“-Banking kehrt nicht zurück

„In der Vorbereitung dieses Beitrags bin ich über ein Zitat des großen John Kenneth Galbraith gestoßen. Sinngemäß übersetzt: ‚Es gibt zwei Arten von Zukunftsforschern: Die, die nichts wissen, und die, die nicht wissen, dass sie nichts wissen.‘ Mit diesen mahnenden Worten im Ohr habe ich den Jahresausblick im Sinne einer höheren Trefferwahrscheinlichkeit umgestellt. Daher finden Sie nachstehend eine Liste an Dingen, die in 2023 nicht passieren werden: Wir werden im kommenden Jahr keine Rückkehr in die goldenen Zeiten des ‚3-6-3-Klubs‘ sehen (3% Zinsen zahlen, 6% Zinsen nehmen und um drei auf dem Golfplatz sein). Das Zinsumfeld bleibt volatil und stellt damit den Provisionsertrag weiter in den Fokus. 2023 wird aber auch nicht das Jahr, in welchem Provisionen im Schlafwagen verdient werden. Es wird vielmehr darauf ankommen, durch kluge Kombinationen von Mensch und Maschine wieder aktive Beratung (und aktives Asset-Management) in den Vordergrund zu stellen. Die kommenden zwölf Monate werden auch nicht durch fallende Gehälter oder einen Influx neuer Arbeitskräfte geprägt sein. Daher wird es auch und gerade in Segmenten wie dem Firmenkundengeschäft oder Wealth Management darauf ankommen, Digitalisierung so einzusetzen, dass Kunden-/Beraterrelationen mit Qualitätsgewinn (!) ausgeweitet werden können. Vermeintliche heilsbringende Technologien wie Distributed Ledgers, Metaverses oder künstliche Intelligenz werden in 2023 die Bankenbranche nicht auf den Kopf stellen. Dies ist aber kein Anlass für Schadenfreude, sondern eher ein Appell, sich auf das Jahr vorzubereiten (und das Jahr wird kommen), in dem die Disruption stattfindet. Nachhaltigkeit wird auch im kommenden Jahr nicht getreu der deutschen Sekundärtugenden ‚Messen, Steuern und Regeln‘ pfannnenfertig kartiert sein. Gerade deswegen lohnt sich eine umfassende und kreative Beschäftigung mit dem Thema in der gesamten Organisation! Abschließend gilt wie jedes Jahr: ‚Der beste Weg, die Zukunft vorauszusagen, ist, sie selbst zu gestalten.'“ – Karsten Junge, Consileon

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Ein Jahr der Chancen – etwa auf Fintech-Zukäufe

„Die deutschen Banken haben in Folge der Covid-Krise ihre Annahmen zum Daseinszweck, zur Kundenrelevanz und zu den eigenen Mitarbeiter:innen hinterfragt. Ihre Resilienz und Anpassungsfähigkeit haben positiv überrascht. Das lässt trotz der sich abzeichnenden Rezession, bei zunehmenden Transparenz-Anforderungen und Cyber-Risiken, hoffen. Während einige Banken sich 2023 auf kurzfristiges Kosten- und Risikomanagement fokussieren werden, wird es andere geben, die die Zukunft des Bankings mitgestalten wollen. Sie nutzen die Marktentwicklung, um radikal zu priorisieren und tiefergreifende Veränderungen anzustoßen. Hier sind Führungspersönlichkeiten gefordert: Es braucht einen Nordstern, einen Daseinszweck, der in der Gesellschaft verankert ist und vermehrt die Rolle der Bank als ‚Bewahrer des Planeten‘ spiegelt sowie eine messbare Weiterentwicklung der Kultur, die Vielfalt, Vertrauen und Innovationsbereitschaft stärkt. Denn ohne dies werden sich die Mitarbeiter:innen – das Herzstück einer Bank – nur schwer für erneute Veränderungen begeistern lassen. Polaritäten müssen klug gemanagt und eine Leichtigkeit bewahrt werden. Das funktioniert nicht ohne ein Führungsteam, das sich hinterfragen kann, effektiv zusammenarbeitet und sein volles Potenzial freisetzt. Das Banking der Zukunft verbindet persönliche Beziehungen mit den Stärken eines technologiegestützten, dezentralen Plattform- und Ökosystem-Players. 2023 haben Banken die Chance, einige interessante Start-ups – zu niedrigeren Bewertungen – zu übernehmen, unkonventionelle Kooperationen einzugehen und Spitzenkräfte aus dem Fintech-Ökosystem zu gewinnen. Dies kann der Innovationsfähigkeit einen Boost geben und Kompetenzen im Technologie-, (Cyber)Security-, Daten- und Produktbereich stärken. Die eigentliche Herausforderung liegt jedoch darin, diese gewonnenen Talente über die richtige Weiterentwicklung der Kultur und Leadership erfolgreich zu machen. Auf uns wartet ein Jahr der Chancen.“ – Birgit Storz, Egon Zehnder

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ESG muss ins Kreditbuch. Aber wie?

„2023: Gestiegene Zinsen erfreuen das Kundengeschäft und belasten das Anlagebuch. Kreditausfälle hageln in teils ungepufferte Bilanzen. Es folgt die eine oder andere Konsolidierung. Das ist soweit erwartbar. Aber darüber hinaus? Banken müssen nach EU-Taxonomie-Verordnung berichten, welche ihrer Kredite sich wie auf die Klimaziele auswirken. Es wird unterschieden zwischen ‚Ist gut‘, ‚Hilft, gut zu werden‘ und ‚Ist und bleibt problematisch‘. Viele Banken haben sich  zudem Net-zero-Ziele gesetzt, also dass ab einem Zeitpunkt ihre Kredite keine Emissionen mehr verursachen. Doch können Banken nur finanzieren, was die Wirtschaft auch finanziert haben möchte. Und da hakt es. Bisher gab es oft keinen finanziellen Business Case für die Klima-Transformation. Energie war billig, die Klimakosten wurden von der Allgemeinheit getragen, aber die Transformation vom eigenen Unternehmen gezahlt. Und so wurde vor allem dort transformiert, wo gesetzlich verlangt: bei den Großunternehmen und zunehmend in deren Lieferketten. Mit der aktuellen Energiekrise gibt es zumindest für die Energiewende einen Business Case. Dennoch tut sich zu wenig. Es fehlt an Expertise, wo die energetische Sanierung sich lohnt, welche Techniken Abwärme auffangen, wie die eigene grüne Energie gespeichert werden kann. Wenn aber nicht genug ‚Ist gut-‚ oder ‚Hilft, gut zu werden‘-Kredite vergeben werden, werden die Wege zu den Net-zero-Zielen unglaubwürdig. Was dann? Werden wir dann wie in den USA einen Kulturkampf zwischen ausschließlichem Klimaschutz (KEINE problematischen Kredite mehr!) und absoluter Priorität der Wirtschaft (EGAL – Wirtschaftlichkeit als einziges Ziel!) sehen? Oder wird es Innovation geben, die strukturelle Hindernisse aus dem Weg räumen: Blended-Finance-Lösungen, um Innovation zu de-risken, digitale Lösungen, die Wissen zielgerichtet in die Breite tragen, Allianzen von Banken und Experten, die Kunden auf dem ganzen Weg und nicht nur bei der Finanzierung unterstützen? Ich hoffe auf die Kraft von Kollaboration.“ – Finja Carolin Kütz, selbständige Beraterin

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Payment bleibt für Banken attraktiv

„Sinkende Bargeldnutzung, etablierte nationale Zahlverfahren und eine moderne Instant-Payment-Infrastruktur: Der deutsche Payments-Markt bleibt für Banken & Spezialisten attraktiv. Banken erleben dabei eine zumindest kurzfristige Erholung: Nachdem ihre Marktanteile an Payments-Erträgen von 82% (2007) auf 66% (2022) fielen, wird aufgrund steigender Zinsen (und damit verbundener Steigerung der Zinskonditionsbeiträge der Einlagen) eine Steigerung auf ~70% erwartet. Gleichzeitig bleibt viel Potenzial: Firmenkunden etwa wünschen sich bessere Angebote, z.B. im Auslandsgeschäft und bei Financial Automation; Händler finden wenige Integrated-Payment-Angebote, obwohl Märkte wie die USA Chancen aufzeigen; Privatkunden nutzen oftmals mehrere Zahlungsmittel, um stationär und digital zu zahlen. In 2023 sollten Marktteilnehmer 7 Trends im Auge behalten: 1.) Digitaler Zahlungsverkehr steigt weiter: Bargeldnutzung nimmt weiter ab, während insb. Debitkarten/mobile Verfahren gewinnen (+8/+15% im Wert seit 2020); 2.) Digitalisierung bei Firmen hält an: Financial Automation (AR/AP/Treasury/Payment) bei KMU steigt von aktuell 10-20% stetig, sie setzen auch hier vermehrt auf Cloud-Lösungen; 3.) Open Finance verbreitert sich Richtung KMU: Dank breiter Digitalisierung werden Open-Finance-Lösungen – etwa bei Forecasting, Invoice-Tracking oder Documentation Management immer präsenter; 4.) Breitere Angebote für Händler skalieren: Integrierte, industrie-spezifische (ISV) Angebote nehmen an Fahrt auf, etwa bei Restaurants oder online; 5.) Payment-as-a-Service wird attraktiver, dabei werden Partnerschaften, z.B. im Auslandsgeschäft, zunehmend wettbewerbsfähig; 6.) Regulatorik wird klarer: Während kurzfristig die verpflichtende Nutzung von Instant Payment beschäftigt, werden 2023 die Auswirkungen von PSD3 und digitalem Euro deutlicher. 7.) Viele Spezialisten/PE-geführte Unternehmen entwickeln bereits jetzt eine starke Dynamik entlang dieser Trends; gleichzeitig gelingt es 2023 vielleicht auch Banken, mehr zu investieren.“ – Reinhard Höll, McKinsey

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Inflation der Risiko-Aktiva

„Auch dieses Jahr stellt sich wieder die Frage, wann die vielfach prognostizierte Krise genau kommen und wie sie sich auf die Banken auswirken wird. Grundsätzlich muss man konstatieren, dass sich die Risikolandschaft in den letzten Jahren strukturell verändert hat: Alternative Risiken gewinnen an Bedeutung, und insbesondere die Kombination und Vernetzung verschiedener Risiken wie Pandemie, Geopolitik, Cyber und Klima stellen nicht nur Risikomanager in Banken vor neue Herausforderungen. Wenn wir für 2023 auf den makroökonomischen Rahmen blicken, so wirkt das Bild wenig erfreulich. Verschiedene Branchen der deutschen Wirtschaft haben zunehmend mit den Folgen des Kriegs in der Ukraine, geopolitischen Spannungen wie dem Decoupling von China, den immer noch vorhandenen Engpässen bei den Lieferketten und weiteren Spätfolgen der Pandemie zu kämpfen. Banken werden das 2023 zu spüren bekommen – das wird sich auch im EBA-Stresstest 2023 zeigen: Wir erwarten eine Inflation der Risikoaktiva durch Rating-Migrationen insbesondere bei KMUs und teilweise im Retail-Bereich, hinzu kommen höhere Ausfälle bei Konsumenten- und KMU-Krediten. Die Volatilität an den Märkten und die sprunghaft gestiegenen Zinsen hinterlassen deutliche Spuren in den Investmentportfolien. Dieser schnelle Zinsanstieg ist damit Fluch und Segen zugleich, denn die Banken können offensichtlich ihre Erträge schnell und substanziell steigern. Erstmalig werden auch sie in der klassischen Stresstest-Treppe der EBA einen positiven Effekt bei den Erträgen ausweisen können. Gleichwohl zeigen unsere Simulationen für unser Basisszenario einen Rückgang der CET1-Quote von 150-200bps. Für 2023 gilt es somit wachsam zu bleiben, sich aber gleichzeitig weiter auf die großen Zukunftsthemen zu konzentrieren: Nachhaltige Kostensenkungen, technologiegetriebene Transformation des Geschäftsmodells, und wie man zukünftig mit grünen Produkten schwarze Zahlen schreiben kann. Und vielleicht sehen wir im neuen Jahr auch noch die eine oder andere M&A-Überraschung.“Philipp Wackerbeck, Strategy& (PwC)

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Der demografische Wandel wird spürbar

„Bewegen wird Deutschlands Banken 2023 der Fachkräftemangel und damit der notwendige Perspektivwechsel von ‚Kostensenkungspotenzial‘ hin zu ‚Personalsituation und Kulturveränderung‘. Überraschen mag das, weil es wenig gibt, das so vorhersehbar ist wie demografische Entwicklungen. Der lang avisierte demografische Wandel wird im Jahr 2023 richtig unangenehm. Banken werden bis 2030 schätzungsweise rund 30 % ihrer Arbeitskräfte (und deren Know-how) in den Ruhestand verabschieden und Nachwuchs nicht im gleichen Umfang finden – steigende Fluktuationsraten mal außen vorgelassen. Und es fehlt nicht nur quantitativ, sondern auch qualitativ an den richtigen Kompetenzen für den notwendigen Wandel der Branche. Bereits in der Pandemie haben Banken bewiesen, dass sie effektiv Lösungen schaffen können. 2023 wird zeigen, ob ihnen das auch bei der Bewältigung des Fachkräftemangels gelingt. Führungskräfte könnten auch ihr Glück im Unglück erkennen: Welche Kolleginnen und Kollegen wann in den Ruhestand gehen, ist weitgehend vorher- und die Zukunft somit planbar. Das eröffnet die Möglichkeit, grundsätzlich über die eigenen Geschäftsprozesse nachzudenken. Der Fachkräftemangel ist daher als weitere Digitalisierungschance und ‑notwendigkeit zu verstehen. Diese glückliche Fügung entlässt Banken aber nicht aus der Pflicht, Nachwuchs zu gewinnen – und zwar diejenigen mit den richtigen Kompetenzen. Das heutige Image der Banken als Arbeitgeber ist im Kampf um Talente nicht hilfreich und muss sich verändern. Auf der einen Seite sind Arbeitgebermarken mit neuen Werten aufzuladen; nicht nur marketingtechnisch. Auf der anderen Seite braucht es einen Wandel der Zusammenarbeitsformen, um für Talente attraktiv zu sein: Hierarchien müssen flacher, Arbeitsabläufe agiler und Verantwortungen delegiert werden. Nur wenn die Digitalisierung mit Wertewandel und neuer Zusammenarbeit einhergeht, werden Banken die kommenden Veränderungen beherrschen können – und aus der Not eine Tugend machen.“ – Sandra Douqué, zeb

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2023 wird das Jahr der Passivseite

„Verwahrentgelte? Ach ja, da war doch mal was. Schwamm drüber! Es macht wieder Spaß, über reichlich unverzinste Einlagen zu verfügen. Die über viele Jahre geschrumpfte Zinsspanne erlebt in vielen Häusern bei der Neuvergabe oder Prolongation von Krediten derzeit eine unvermittelte Ausdehnung. Und genau hier hat sich in den vergangenen Monaten bereits ein Trend vorsichtig in Bewegung gesetzt, der in 2023 Dynamik entwickeln wird: die Renaissance des Wettbewerbs um Einlagen. Wir konstatieren: Die Inflation frisst peu à peu (und zuletzt sogar en gros) die Spareinlagen vieler privater Haushalte in Deutschland auf. Gleichzeitig sinken Realeinkommen und die Kunden schauen wieder sehr viel stärker auf Preise und Konditionen. Alternative Anlageoptionen wie Aktien oder Immobilien erscheinen vielen als zu riskant oder befinden sich außerhalb der Reichweite. Fazit: Viele Kunden werden weiterhin viel Geld ‚auf der hohen Kante‘ haben, dabei aber auch eine Verzinsung erwarten und bei sich bietenden Gelegenheiten umschichten. Und für Banken wird das Depositengeschäft wieder zu einer tragenden Säule in der Refinanzierung. Um ein wenig zu antizipieren, was uns da in 2023 erwarten könnte, lohnt ein Blick zurück in die Zeiten vor der Finanzkrise, also die Zeit vor der großen Liquiditätsschwemme und lang anhaltenden Niedrigzinsphase. In den Nuller-Jahren lieferten sich deutsche Filial- und Direktbanken im Chor mit ausländischen Instituten veritable Marketingschlachten um Kundeneinlagen. Es wurde zum Teil tief in die Trickkiste der Produkt- und Preisgestaltung gegriffen, um Neugeld anzusaugen und preissensitive ‚Zinshopper‘ von den trägen und hochprofitablen Altbeständen und ‚Bodensätzen‘ zu separieren. Erneut wird die Kunst darin liegen, die Flüchtigkeit von alten und neu eingeworbenen Beständen in Tiefe zu verstehen, um den Wettstreit um die Kundengelder profitabel zu führen. In jedem Fall aber werden sich Banken in 2023 wieder intensiver mit der Passivseite ihrer Bilanz beschäftigen.“Torsten Lund, Berg Lund & Company 

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Target2 muss diesmal gelingen

„Eigentlich hätten wir im vergangenen November den Abschluss der Target2-Konsolidierung (T2K) gesehen. Dieser Meilenstein wurde jedoch zur großen Erleichterung vieler auf den 20. März 2023 geschoben, da im Oktober noch nicht alle Marktteilnehmer eine entsprechende Readiness aufwiesen und ein Festhalten am Go-Live nachteilig für das Gesamtsystem gewesen wäre. Der Finanz-Szene verdanken wir einen Einblick in den tatsächlichen Zustand des T2K-Projektes zum Zeitpunkt der Verschiebung. Auf die Frage, ob die Banken im November bereit für den Go-Live sein werden, meldeten 77% die Ampelfarbe rot, 16 % gelb! Dies sind wichtige Erkenntnisse im Hinblick auf den vor uns liegenden Termin im März. Hierbei drängt sich allerdings eine Frage geradezu auf: (Wie) kann das Ende Oktober vorhandene Gap bis zur Herstellung der T2K-Readiness im März 2023 geschlossen werden? Eines sollte allen Beteiligten klar sein: Es hilft nicht, wenn das eigene Institut grün meldet und mit einem guten Gefühl dem Go-Live entgegenblicken kann, während andere Player mit Schwierigkeiten zu kämpfen haben. Es helfen meines Erachtens nur konzertierte Aktionen: Testet miteinander! Sprecht regelmäßig miteinander! Tauscht Tipps & Tricks aus! Wenn Banken sich sonst auch zu Recht im Wettbewerb befinden, so sollten sie die Target2-Konsolidierung spätestens jetzt als Gemeinschaftsaufgabe betrachten. Niemandem bringt T2K einen Wettbewerbsvorteil, aber vielen oder gar allen große Nachteile, wenn nicht alle Banken den Sprung in die neue Target2-Welt schaffen. Zudem brauchen Banken den Befreiungsschlag einer erfolgreichen Umstellung, um sich den vielen anderen Aufgaben im Zahlungsverkehr widmen zu können, wie z.B. der Instant Payments-Verpflichtung oder der EU-Richtlinie gegen MwSt.-Betrug.“ – Jana Schneider, Gravning

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Die Zinswende verschafft Zeit – die gilt es zu nutzen

„Global betrachtet erscheinen für Unternehmen derzeit viele Dinge brüchig, die vormals solide waren. Daher neigt man dazu, ängstlich zu agieren, und aus Angst entsteht Passivität. Experten sprechen bereits nicht mehr von der VUCA-Welt, sondern von der BANI-Welt (Brittle, Anxious, Non-linear, Incomprehensible). Banken müssen unter diesen Bedingungen weiter Entscheidungen treffen – 2023 hält dafür einige Möglichkeiten bereit. Die Inflation wird sich abmildern, zudem stützen gute Margen aufgrund der Zinswende die Gewinne. 2023 wird deshalb ein gutes Jahr sein, Geschäft, Kundenkommunikation und IT auf Vordermann zu bringen. Banken werden an ihrer digitalen Exzellenz schrauben, damit Kunden bei ihnen bleiben. Das Bestandsgeschäft wird weiterhin Ertragstreiber sein. Das wird Halt geben zu schauen, wie sich Neukunden gewinnen lassen. Beyond Banking ist es (noch) nicht. Die Deutschen wollen derzeit keinen Urlaub bei einer Bank buchen oder einen Internetvertrag abschließen. Im Rahmen der Transformation des Energiesystems lässt sich Neugeschäft erzielen. Größere Kreditvolumina bei der Finanzierung der Energiewende sind 2023 zu erwarten. Allerdings wird ein Großteil der Institute parallel viel Aufwand in die eigenen ESG-Hausaufgaben stecken. Daher eine gute Gelegenheit, die bereits bekannten ‚Blind spots‘ bei der Datenversorgung zu schließen und sich im Idealfall schon mit Daten zu befassen, die erst in den kommenden fünf Jahren wichtig sein werden. Abseits der ökologischen Nachhaltigkeit gibt es noch das S für Social und das G für Governance. Einige Institute wollen beispielsweise 2023 diverser werden und haben womöglich die Umstellung auf eine gendergerechte Kundenansprache auf der Agenda. Ein kleines Thema mit großer Wirkung: Banken müssen die Schreibweisen in den IT-Systemen so umsetzen, dass es sauber verarbeitet wird. Komplette Datenverarbeitungsstrecken sind betroffen und tausende Formulare, E-Mails und Websites. Ein dickes Brett also, das nicht unbedingt jedes Haus auf dem Zettel haben wird.“ – Michael Zwergel, Sopra Steria Next

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Sparkassen brauchen Kapital – von außen

„Der Finanzstabilitätsbericht vom November brachte die Zahlen an die Öffentlichkeit, die von Experten befürchtet worden waren: Die Zinswende hat das Zinsänderungsrisiko der deutschen Sparkassen und Genobanken schlagend werden lassen. Demnach betrugen die Abschreibungen auf eigene Wertpapieren 12,3 Mrd. Euro – das entspricht 5,6 % des Kernkapitals; um dazu einen Ausgleich zu schaffen, haben die Sparkassen und Geno-Banken ihre gesamten stillen Reserven von 21,8 Mrd. EUR aufgelöst. Es ist zu erwarten, dass bis Jahresende wegen der Zinspolitik der EZB weitere Abschreibungen vorzunehmen sind. Nachdem das Kapital innerhalb der Sparkassen und Genobanken nicht gleich verteilt ist, schätzen wir, dass bei mindestens einem Drittel der Institute die Eigenkapitalsituation angespannt ist und rasche Maßnahmen erforderlich sind. Ein Einbremsen des Neugeschäftes zur Erhöhung der Eigenkapitalquote ist keine valide Option. Dadurch wird die Profitabilität eingeschränkt, eine Stärkung des Eigenkapitals über Thesaurierung von Gewinnen verhindert und zusätzlich die Marktposition erheblich geschwächt. Auch eine Verschärfung des Kostenmanagements wirkt nicht so rasch, wie es erforderlich wäre, um die Kapitalquote kurzfristig anzuheben. Aus unserer Sicht ist die zweckmäßigste Strategie eine externe Stärkung des Kernkapitals über AT-1 Kapital (Art. 51ff CRR). Dieses im Zuge der Finanzkrise geschaffene Instrument wird von den Großbanken intensiv genutzt, die Sparkassen und Genobanken haben das Potenzial bisher nicht erschlossen. Geht man von einem durchschnittlichen Potenzial von 2 %-Punkten (1,5 % Säule 1 plus 0,5 % SREP) an möglichem AT-1 Kapital aus, so könnten die Sparkassen und Genobanken ihr Kernkapital um ca. 25 Mrd. EUR ausbauen. In der Zwischenzeit gibt es auch ein speziell ausgerichtetes Angebot im Kapitalmarkt.“ – Hans-Joachim Schettler, Confidum

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Enorme Wachstums-Chancen dank ESG

„Das zu Ende gehende Jahr war nicht arm an schlechten Nachrichten. Viel ist von Schockereignissen und schwarzen Schwänen die Rede, von Inflation und Rezession. Und doch blicke ich mit Zuversicht auf die Situation der deutschen Banken im kommenden Jahr – eine nachhaltige Zukunft in allen drei Ausprägungen von ESG. Nach E rücken auch S und G immer stärker in den Fokus der Gesellschaft (siehe die großen Klima- und Artenschutzkonferenzen im letzten Quartal des Jahres) und neuer Gesetzgebungen. So startet das neue Jahr sinnbildlich mit dem Lieferketten-Sorgfaltspflichten-Gesetz. Das heißt für die hiesigen Institute eine stetige Weiterentwicklung des Risikomanagements, um geopolitische und ESG-Risiken noch besser zu integrieren. Zu berücksichtigen sind etwa die Energieversorgung in der Produktion oder die geostrategische Verwundbarkeit von Liefer-­ und Absatzwegen. Mit Blick auf 2023 sehe ich beim Thema ESG aber vor allem eine der großen Wachstumschancen für die Institute: Rund um nachhaltige Finanzierung – im Firmenkunden- wie im Retailgeschäft – geht ein Strauß von Möglichkeiten für Banken auf. Alle Wirtschaftszweige werden von den ESG-Trends geprägt werden – Banken als Lenker der Geldströme und Finanzierer des Wandels gehen hier voran und bauen ihre Expertise in Zukunftstechnologien und -energien aus. Das berührt auch Kapitalmarkt­ und Strukturierungs-Know-how und den Aufbau entsprechender Vertriebsexpertise. Banken können somit Profiteur vom steigenden Finanzierungsbedarf werden. Als Kehrseite der Medaille geht damit auch ein natürliches Reputations- sowie Kreditrisiko (Immobilien- oder auch Konsumentenkredite) aus Lieferketten sowie Risiken von Green-, Blue- und Rainbow-Washing einher. Vor diesem Hintergrund muss der Wandel zur Nachhaltigkeit in den Instituten neu gedacht und gesteuert werden. Darauf bin ich gespannt, und ich freue mich darauf. Und sonst? Das ISSB ist schon da. Die AMLA kommt – vielleicht auch nach Frankfurt. Keine schlechten Aussichten für den Bankenplatz Deutschland.“ – Sven-Olaf Leitz, KPMG

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Höhere Renditen sind möglich

„Anfang 2023 stehen Deutschlands Banken an einem Scheideweg. Inflation, eine schwache Konjunktur und wachsende Finanzierungskosten drohen ihre gerade erst begonnene Erholung schon wieder zu stoppen. Im Jahr 2021 stieg ihre Eigenkapitalrendite hierzulande auf immerhin 3,2 Prozent nach 1,1 Prozent im Vorjahr. Wenn die Banken jedoch ihr Geschäftsmodell weiter optimieren, ihre Transformation forcieren und auch anorganische Optionen konsequent nutzen, kommen in den nächsten fünf Jahren allen Turbulenzen zum Trotz Renditen von 7 bis 9 Prozent in Reichweite. Zum zentralen Thema bei der Weiterentwicklung der Geschäftsmodelle entwickelt sich ESG. Es reicht nicht mehr aus, auf der Nachhaltigkeitswelle mitzuschwimmen. Gefragt ist vielmehr ein überzeugendes Leistungsspektrum, das die Finanzierung der Dekarbonisierung ebenso abdeckt wie eine umfassende Beratung von Firmenkunden. Damit dies tatsächlich zu steigenden Erträgen führt, müssen Banken die Kerngedanken der Nachhaltigkeit nach innen und außen zu leben lernen – mit diversen Teams, einer transparenten Governance und Kontroll- sowie Steuerungsmechanismen, die das Portfolio im wahrsten Sinne des Wortes sauber halten. Bei der Transformation eröffnen Web3-Technologien neue Möglichkeiten. Blockchain und Smart Contracts vereinfachen und beschleunigen viele Prozesse. Kurzfristig wird sich dies insbesondere im Transaction Banking, im Wealth und Asset Management sowie bei Private Markets auswirken. Mittelfristig sind mit ihrem Einsatz enorme Einsparpotenziale verbunden. Im Firmenkundengeschäft beispielsweise lassen sich die Kosten durchaus im zweistelligen Prozentbereich reduzieren. Das turbulente Umfeld im Jahr 2023 bietet eine gute Gelegenheit, sich mit dem Einsatz solch innovativer Technologien und dem Ausbau zukunftsträchtiger Geschäftsfelder von zögerlichen Wettbewerbern abzusetzen und sich so einen nachhaltigen Renditevorsprung zu erarbeiten.“ – Nikola Glucas, Bain & Company

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Payments-Initiativen gehören auf den Prüfstand

Steigende Inflation, spürbare Rezession, Unsicherheit und damit einhergehender Konsumrückgang – nach der Hochphase der vergangenen Jahre, kam im Jahr 2022 der Abschwung. Die Entwicklungen stellten die deutsche Wirtschaft vor lange nicht gekannte Herausforderungen, die auch an der Payments-Branche nicht spurlos vorbeigegangen sind. So erlitten viele Anbieter zum Teil starke Bewertungskorrekturen: Ist die Zeit der Payments-Superstars vorbei?  Nein, denn am Fundament hat sich nichts geändert: Mittel- bis langfristig ist die Payments-Branche weiterhin als Wachstumsfeld zu betrachten, getrieben durch den Rücklauf des immer noch hohen Bargeldanteils, die Verlagerung in Richtung E-Commerce sowie das Entstehen digitaler Geschäftsmodelle. Das immense Wachstum im Payments-Umfeld ging auch an den Banken nicht vorbei. Um am Aufschwung teilzuhaben, richteten sie ihren Blick auf eine Vielzahl an Aktivitäten. Neben der Erweiterung des Produktportfolios gibt es zahlreiche Initiativen, wie z.B. die neuen Co-Badging-Strategien der Institute, die Neuausrichtung nationaler Karten-Schemes, das Insourcing von Payment-Aktivitäten sowie europäische Initiativen wie EPI oder den Digitalen Euro. Diese Initiativen zeigen allerdings erhebliche Überschneidungen – Tendenz steigend. Die stark geänderten Rahmenbedingungen geben Anlass zur Reflexion. Dabei gilt, weniger ist manchmal mehr! Bestehende Initiativen sollten konsequent auf den Prüfstand gestellt werden. Doch, wie gelingt Banken bei der aktuellen Unsicherheit die Bewertung einzelner Initiativen? Mit Hilfe einer Szenario-Planung können stringente Richtungsentscheidungen abgeleitet werden, um zeitnah auf Marktentwicklungen reagieren zu können. 2023 wird also das Jahr der Neusortierung für die Payments-Branche. Die Unternehmen, die das Jahr zur Reflexion und Fokussierung nutzen, werden gestärkt hervorgehen und langfristig Deutschland als Payments-Markt aufwerten. – Sebastian Maus, Roland Berger

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Assets werden wieder zum Asset

„(#1) Wer naiverweise glaubt, die Kunden würden 2023 über Erfolg und Misserfolg von Bankgeschäftsmodellen entscheiden, der irrt. Madame Lagarde und die Fed bestimmen schlussendlich, wie sich im Bankenmarkt Geld verdienen lässt. Banken müssen zukünftig ihre Geschäftsmodelle so aufstellen, dass sich die unterschiedlichen Richtungen der Notenbank-Geldpolitik abbilden lassen; (#2) In 2023 werden diejenigen Banken profitieren, die wirkliche Assets und echte Kundenbeziehungen mit auf die Waagschale bringen. Assets zu besitzen, Aktivische (Kreditbuch) oder Passivische (Einlagen), ist das wesentliche Erfolgskriterium. Aus diesen lassen sich Erträge und Umsätze generieren; (#3) Das neue Zinsniveau trennt die Spreu vom Weizen. Kreditnehmer müssen über bessere Bonitäten und einen soliden Rentabilitätsausblick verfügen. Firmen benötigen positive Cash-Flows. Einfach mal in ein Hype-Thema investieren? So einfach ist es nicht mehr. Banken erhöhen in internen Berechnungen den kalkulatorischen Kundenzins und reduzieren damit ihr Angebot faktisch auf Have-Money-Kunden; (#4) Die Krise wird zum Normalzustand. Das strengt an. Das Management an sich wird anspruchsvoller und das vorausschauende Handeln schwieriger. Kontinuierlich ist eine Hand am Feuerlöscher, so scheint es. Die grundsätzlichen Chancen und Risiken im Geschäftsmodell müssen fortlaufend und ‚auf Sicht‘ eingeschätzt werden. Banken die nah an ihren Kunden sind, haben hier Vorteile; (#5) 98-99% der Assets deutscher Kunden befinden sich weiter bei traditionellen Anbietern. Die Fintech-Erfolgsformel muss neu adjustiert werden. Das bisherige Credo, wonach viel Geld und eine Handvoll Programmiersöldner auf langsame Old-School-Banken treffen, zieht nicht (mehr). Das Scheitern vieler Fintechs liegt dabei vor allem im Verhalten des klassischen Bankkunden begründet. Wechseln wegen 2,50 EUR, warum?“ – Torsten Stuska, Moonroc

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Daten drohen zum Showstopper zu werden

„Was die deutsche Bankenbranche im Jahr 2023 bewegen wird? Keine große Überraschung: Von den Banken wird erwartet, besser auf Kundenanforderungen einzugehen, möglichst zielgruppengerecht oder gar individuell – und das bei Fachkräftemangel und Kostendruck. Gleichzeitig sind weiterhin regulatorische Anforderungen umzusetzen, allen voran die EU-Taxonomie- bzw. Sustainable Finance Disclosure Regulation (SFDR). Personalisierungs-, Automatisierungs- und Sicherheitsanforderungen lassen Banken zunehmend auf den Einsatz intelligenter Technologien in der Cloud setzen. Viele Häuser – auch in Deutschland – haben sich in den letzten Jahren bereits auf diesen Weg gemacht. Doch ein Thema wird dabei leider häufig vernachlässigt, und das könnte zum Showstopper werden: Daten. Ich spreche hier nicht von einem Mangel an Daten, wie man immer wieder zu hören bekommt. Wir leiden vielmehr unter einer fehlenden Datenintegration. Denn heutige Bankarchitekturen sind durch fachliche Silos, meist Produktsilos mit isolierter Datenhaltung geprägt. Werden die Daten zusammengeführt, ohne auf die silo-spezifischen Bedeutungen Rücksicht zu nehmen, entsteht Mehrdeutigkeit und ein nicht hinnehmbarer Informationsverlust. Abhilfe bieten semantische Graphen, die aus der frühen Computer-Linguistik stammen und heute bei den meisten Tech-Plattformen im Einsatz sind. Ihre intuitive Verständlichkeit und große Flexibilität macht sie für die Integration großer Datenmengen v.a. in der Cloud extrem wertvoll – auch im Bankenbereich. Apropos Sicherheitsanforderungen: Daten sind in der Cloud (vorausgesetzt, die entsprechenden Vorkehrungen sind getroffen) deutlich sicherer als ‚on premise‘. Und auch, wenn es noch eine Weile dauern wird, bis Quantencomputer kommerziell und flächendeckend im Einsatz sind: Wie viele Banken setzen sich heute bereits ernsthaft mit physikalischen Verschlüsselungsverfahren und Quantum Key Distribution (QKD) auseinander? Die Cloud Service Provider jedenfalls tun es.“Edeltraud Leibrock, Publicis Sapient

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Banken müssen miteinander kooperieren

„Klar, man kann auch ganz allein einen 8.000er besteigen. Die Überlebenschancen steigen aber dramatisch, wenn man im Team unterwegs ist und jeder den anderen mit seinen Stärken unterstützt. Was das mit Banken zu tun hat? Viel. Sie müssen zwar nicht auf Berge klettern. Aber drängende Themen wie Digitalisierung, Cloud-Migration, Regulatorik, Kundenzentrierung und Kosteneffizienz sind ihre 8.000er. Und manch ein CEO, COO oder CIO vergleicht sein Institut sicher mal mit einem Einzelgänger in der Todeswand. Ausgang ungewiss – ist halt nicht jeder Reinhold Messner. Aber es geht auch anders: Fintechs leben seit Jahren der Branche vor, wie man in Ökosystemen agiert und Kräfte bündelt. Solche Systeme folgen dem Prinzip des Gebens und Nehmens. Wenn sich die Teilnehmer auf ihre Stärken fokussieren können, kommt am Ende ein besseres Ergebnis für alle heraus. Für klassische Kreditinstitute ist eine horizontale Kooperation ein Paradigmenwechsel – aber genau das werden wir 2023 und danach immer öfter erleben. Warum? Weil es Sinn macht. Beispiel ESG: Kunden treffen ihre Entscheidungen schon heute wertebasiert. Welche Bank und welches Produkt ist grüner, sozialer, gerechter? Die Anforderungen an die Banken hinsichtlich Regulatorik, Prozessanpassungen oder Daten sind gewaltig, unterscheiden sich von Institut zu Institut aber nicht spektakulär. Der naheliegende Schlüssel für Einsparpotenziale mit entsprechenden Prozesseffizienzen heißt Kooperation. Das Thema ist so groß, dass sich jeder Player ohnehin Partner suchen muss, warum also nicht auch horizontal denken? Der Gesamtnutzen durch die Zusammenarbeit steigt signifikant. Mögliche Bedenken, ESG-Anwendungen mit einem Mitbewerber gemeinsam zu entwickeln, lassen sich ausräumen, wenn im Ökosystem ein unabhängiger Player als Dirigent fungiert, der die Stärken aller Beteiligten zum Einsatz bringt. Und wenn wir den Team-Gedanken noch auf weitere Themen wie Kreditgeschäft oder Zahlungsverkehr übertragen, dürfen wir gespannt sein, was 2023 so bringt. Astrid Freier, PPI 

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Der (deutsche) Payment-Markt wird weiter konsolidieren

„Als Finanz-Szene uns fragte ob wir einen Ausblick auf das 2023 geben wollen, haben wir direkt ja gesagt. Das war allerdings bevor wir uns Gedanken machen konnten, welche spannenden Trends es nächstes Jahr wohl geben könnte. Beginnt man einmal darüber nachzudenken, wird einem schnell schwindelig. Das liegt (leider) weniger an der Geschwindigkeit, in der neue Produkte in den Markt gebracht werden, sondern viel mehr an eigentlichen Treibern von Veränderungen. Und das sind die Themen, die wir täglich in den Schlagzeilen der Zeitungen lesen und die mit diesen Geschehnissen verbundenen Veränderungen. Eines unter vielen Themen im Payment-Markt wird im nächsten Jahr die Konsolidierung sein. Die Großen werden Größer und machen dadurch Platz für neue schlanke, wendige Anbieter, die die Lücke zwischen dem guten Preis mit schlechtem Service-Versprechen und angemessenem Preis mit hoher Qualität schließen können. Dass vor einem Benefit eine Investition steht (und das ist nicht der Kaufpreis eines Unternehmens), haben möglicherweise einige Beteiligte nicht immer vor Augen und jagen lieber den Synergien in den Excel-Charts hinterher, nur um wenig später über Customer Journeys zu sprechen. Aber eben nur zu sprechen. Dabei sind die Voraussetzungen doch gut – man hat alle wichtigen Produkte unter einem Dach, der Markt wächst jedes Jahr um mindestens 5-10% von alleine und die Anzahl der Bargeldtransaktionen liegt noch immer auf hohen Niveau. Die Marktkapitalisierung der Platzhirsche in Deutschland (wobei die gar nicht in Deutschland ihren Hauptsitz haben) liegt noch deutlich unter denen ihrer Peers in Nordamerika. Letztere sind bereits in Europa etabliert – ob da noch Platz für weitere M&A Transaktionen ist? Das wäre zumindest keine Überraschung. Und für kleinere Transaktionen ist sowieso immer Zeit – die Liste an Firmen, die im Payment aktiv sind, ist noch recht lang und der Markt fragmentiert. Ich jedenfalls freue mich auf 2023, denn es wird sowieso ganz anders kommen.“ – Dirk Brunke, Osthaven

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Kosten auf den Prüfstand – und Sales beschleunigen

„Alle 5-6 Jahre mussten Banken bisher ihre Strategien re-definieren. Das war 2001 so (Post-E-Hype), 2007 (Subprime), 2012 (Eurokrise), etwas leiser 2018 (erstes deutsche Fintech-Unicorn) – und nun ganz laut: 2023 (Post-Covid, Re-Inflation). Was sollte auf den Prüfstand, was beschleunigt und was strategisch neu bewertet werden? (A) Prüfstand: Trotz Filialschließungswelle verändert sich die Kostenbasis vieler Häuser kaum. Große kostenstrukturelle Themen blieben offen und müssen 2023 neu geprüft werden, z.B.: Trennung von subkritischen Geschäftsfeldern; Sourcing und Automation der Plattform und Operations (WF, AI/ML, etc.); regulatorische Effizienz der CFO, CRO und CAO/AFC/Compliance-Bereiche; (B) Beschleunigung: 2023 wird das Jahr der getroffenen (oder eben nicht getroffenen) Entscheidungen für ein massives Nachrüsten der Verkaufsfähigkeiten auf dem Smartphone und Online sein. Covid hat messbar eine Verhaltenswende pro mobile/online erbracht. Jedes Haus sollte ihr diesbezügliches „Sondervermögen“ definieren. Der Markt lädt ja internationale Wettbewerber geradezu ein. JP Morgan hat das verstanden und handelt schon; (C) Strategisch neu bewerten: (1) Next Generation Produkte – Wie sehen sie aus, und wie machen wir sie in 2-3 Jahren Neugeschäfts-dominant? (2) Strategische Ökosystemfähigkeit der eigenen Konzern-/Verbund-Struktur, auch mit Blick auf die zunehmende Einbettung von Finanzdienstleistungen. (3) Mittelfristige Festlegung, ob und wie die eigenen ESG-Strategie nach dem Minimal- oder Maximalprinzip ausgestaltet werden soll. Natürlich werden sich entsprechende Fortschritte nicht kurzfristig in den Geschäftszahlen ablesen lassen, dafür aber mittel- und langfristig. Gut, dass nach langem Zinswinter wieder ein Banking-Frühling ins Haus steht. Nur wer ihn zur Aussaat nutzt, wird ernten.“ – Hans-Martin Kraus, Deloitte

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Die Zinswende alleine wird’s nicht retten

„Die Zinsen steigen! Man meint fast, den kollektiven Stoßseufzer aus den Vorstandetagen deutscher Banken zu hören. Das klassische Margengeschäft läuft wieder an. Rückenwind also? Viele Kreditinstitute scheinen genau auf dieses ‚Ales-wie-früher-Szenario zu setzen. Nach Jahren immer neuer Krisen in den Kerngeschäftsbereichen und andauernder Digitalisierung hat sich eine Transformationsmüdigkeit eingestellt. Nun endlich ein Silberstreif am Zinshorizont. Traditionell generierten deutsche Banken hier die meisten Erträge – auch wenn sich diese zuletzt aufgrund der Negativzinsen geviertelt haben. Der Rückenwind könnte sich allerdings als laue Brise erweisen. Zwar beleben steigende Zinsen das Einlagengeschäft, aber an andere Stelle droht bereits Ungemach: Das jüngst so starke und ebenso wichtige Baufinanzierungsgeschäft geht zurück. Steigende Finanzierungskosten gepaart mit hohen Immobilienpreisen drücken das Neugeschäfts, Altbestände belasten die Bücher. Die Finanzierungsexpert:innen sind längst nicht mehr voll ausgelastet. Da lohnt sich die Perspektive „Alles auf neu“: Das Wertpapiergeschäft wird wesentlicher Ertragsbringer sein. Viele Sparer erkennen, dass die Zinswende nicht ausreicht, um für die hohe Inflation zu entschädigen. Auch das lange defizitäre Privatkontogeschäft wandelt sich, da viele Banken die Abkehr vom kostenlosen Girokonto nicht mehr rückgängig machen werden. Nach Jahren der Stagnation im Privatkundengeschäft werden die Erträge im Privatkundengeschäft in den nächsten Jahren zulegen. Dieser Zuwachs wird aber im deutschen Markt unter vielen Playern aufgeteilt. Entsprechend gering sind die Margen. Hinzu kommt: Ausländische Anbieter drängen auf den Markt; Fintechs sind eine rasant wachsende Konkurrenz. Deutsche Institute kommen also nicht umhin, die Digitalisierung voranzutreiben, virtuelle Vertriebswege sowie Distanzberatung auszubauen und ihre Mitarbeiter:innen fit zu machen.“Julia Rolf, Boston Consulting Group

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2023 könnte erstaunlich profitabel werden!

„Das Bankgeschäft ist wieder da. Also das klassische, mit Zinserträgen, Bilanz und Eigenkapital und so. Eigentlich ist das eine gute Nachricht. Zugleich wird die Zinswende die deutsche Bankenbranche allerdings 2023 stark bewegen und für überraschende Entwicklungen sorgen. Der Einlagenzins der EZB wird kommendes Jahr aller Voraussicht nach so hoch stehen wie seit dann rund 15 Jahren nicht mehr. Damit ergibt sich für die Banken die Notwendigkeit, Muskeln wieder zu trainieren, die in den vergangenen Jahren komplett erschlafft sind. Der intelligenten Bepreisung der Einlagen, der aktiven Steuerung von Marktpreis- und Zinsänderungsrisiken wie auch der Ausgestaltung der Aktivseite – in Kombination mit fokussiertem Kreditgeschäft und Nutzung von Anlagemöglichkeiten – werden plötzlich wieder enorme Bedeutung zukommen. Wenn die makroökonomische Lage und die politischen Rahmenbedingungen sich nicht zum Schlimmeren entwickeln, sondern z.B. China eine Post-Covid-Ralley erlebt und weiterhin staatliche Unterstützungsprogramme vieles abfedern, könnte die Bankenbranche sogar positiv überrascht werden. Die Kreditrisiken stiegen wider Erwarten in der Corona-Pandemie nicht an, auch in der Finanzkrise war der Effekt letztendlich deutlich geringer als befürchtet. Auch das Provisionsergebnis könnte ein ‚Revival‘ erleben, wenn die Kapitalmärkte mitmachen. Insofern könnte die Bankenbranche von der Zinswende auch positiv überrascht werden und in 2023 ihre Profitabilität zur Abwechslung mal deutlich steigern. Im Nachgang könnte sich dann 2023 als das Jahr herausstellen, was als das letzte ‚gute‘ Jahr gesehen wird – bevor die Effekte von Transparenz aus Digitalisierung sowie größerem Wettbewerbsdruck durch ausländische Institute oder doch relevant gewordene Fintechs voll durchschlagen. Insofern sollte die deutsche Bankenbranche das Jahr nutzen, um sich doch wetterfest zu machen für die mittelfristige Konsolidierung und die Ertragskraft nachhaltig stärken.“ – René Fischer, Oliver Wyman

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Die Transformation beschleunigt sich

„Die mit der Geschäftsmodell-Transformation einhergehenden Aufgaben – von Kundenzentrierung über Digitalisierung bis Mobilisierung durch agile Zusammenarbeit – werden auch in 2023 die Agenden der Banken und Sparkassen bestimmen. Wie immer ergänzt durch Regulatorik und, mehr denn je, ESG. Relevant steigern werden sich aber Geschwindigkeit und Konsequenz, mit denen das Management den Veränderungsprozess treibt. Und dafür gibt es drei gute Gründe: Erstens scheint im Banking die Zeit evolutionärer Angänge und schwacher Kompromisse zunehmend vorbei: Niemand geht z.B. noch davon aus, dass private Potentialkunden ihre Bankgeschäfte am liebsten in der Filiale tätigen oder allein der persönliche Zugang zum Firmenkunden entscheidenden USP liefert. Der Transformationsbedarf ist überall erkannt. Bereits in 2022 war erkennbar, dass die verabschiedeten Strategien mutiger, die gestalteten Zielbilder zukunftsweisender und die Umsetzungsprozesse konsequenter waren als je zuvor. All dies zeigt in 2023 Wirkung. Zweitens werden Banken und Sparkassen vielerorts etwas weniger Druck auf der GuV spüren, weil sich die veränderte Zinslandschaft positiv auf die Ergebnisse auswirkt. Das schafft Freiraum für Investitionen, auch in IT: Die strategische Digitalisierungslücke schließt sich und die neuen technischen Möglichkeiten entpuppen sich als ‚Turbolader‘ der Transformation. Und drittens sind die transformierten Geschäftsmodelle nicht nur digitaler, nachhaltiger, agiler und diverser, sondern auch von hoher Transparenz gekennzeichnet: Abläufe werden über Process-Mining durchschaubar und Analytics schafft die Basis, um Ursache-Wirkungs-Ketten im Bankgeschäft final zu entschlüsseln. Steuerung agiert nicht weiter im Rückblick, sondern beeinflusst vorausschauend. Auch das hebelt Speed. Im Ergebnis werden sich Banken und Sparkassen in 2023 also selbst überraschen, wie schnell und konsequent sie ihre Transformation nach vorne zu treiben imstande sind: Eine neue ‚Lust an Veränderung‘ entsteht.“ – Alexander Bethke-Jaenicke, Horn & Company

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Renaissance klassischer Produkte – aber in neuen Kanälen

„Was war das für ein unvorhersehbares und einschneidendes Jahr 2022: Nachwirkungen der Corona-Pandemie, Ukraine-Krieg oder Energiekrise trugen dazu bei, dass wir uns aktuell mit Inflations- und Rezessions-Szenarios beschäftigen und uns diesen stellen müssen. Entsprechend müssen Banken und Sparkassen über eine weitere neue Kerndisziplin verfügen – nämlich Anpassungsfähigkeit. Diese Fähigkeit haben die Finanzinstitute mit sehr unterschiedlichen Strategien meines Erachtens in 2022 sehr gut unter Beweis gestellt. Aber was kommt jetzt in 2023 auf die Retailbanken zu? Ich denke, klar ist, dass die Folgen der makroökonomischen Verwerfungen wie Inflation und Zinssteigerungen sich weiter positiv wie negativ auf das Bankgeschäft auswirken werden. Es ist daher Grundvoraussetzung, ein solides und vor allem tragfähiges Geschäftsmodell anzustreben. Auf der einen Seite wird eine herausfordernde Aufgabe in 2023 darin bestehen, sich bei der Renaissance klassischer Bankprodukte, beispielsweise dem altbewährten Bausparvertrag oder Sparanlagen, im Wettbewerb auf persönlichen wie digitalen Kanälen durchzusetzen. Auf der anderen Seite ist es wichtig, dass insbesondere die Retailbanken, die in den letzten Jahren erlernte Innovationsbereitschaft im Kontext der Digitalisierung, beispielsweise Feldeinsatz von KI oder Etablierung von Payment-Lösungen, stringent weiter ausbauen. Hierbei sollte auch die Weiterentwicklung von datengetriebenen Geschäftsmodellen, beispielsweise Services innerhalb von regionalen oder überregionalen Ökosystemen, vermehrt verfolgt werden. Nur weil aktuell wieder attraktivere Zinsmargen am Markt bestehen, sollte man bitte nicht in alte Muster zurückfallen, sondern an diesen neuen kundenorientierten Themen festhalten. Auch das Jahr 2023 wird uns lehren, dass kein Stein mehr auf dem anderen bleibt, aber dass der Wille zur Anpassungsfähigkeit ungebrochen der Schlüssel zum Erfolg sein wird.“ – Michael Matt, Eurogroup Consulting

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*Beim Durchzählen, liebe Leserinnen und Leser, werden Sie möglicherweise festgestellt haben, dass es nur 22 Beiträge sind. Tatsächlich haben wir auf einen Text vergeblich gewartet. Wir verraten aber nicht, von wem!

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