Große Analyse zur Fintech-Disruption im deutschen Kreditmarkt

Es war noch tief in der Nacht (jedenfalls in der sehr speziellen Zeitzone von „Finanz-Szene.de“), als wir uns gestern Morgen (Düsseldorfer Zeit) in einen kleinen Twitter-Diskurs mit der geschätzten Kollegin Schneider vom „Handelsblatt“ verwickelt sahen.

Hintergrund: Die Kollegin  hatte berichtet, der größte deutsche Marketplace-Lender Auxmoney (der sich bislang auf Konsumenten-Kredite konzentrierte)  steige ins Geschäft mit Firmenkunden ein. Und wir? Hatten das in unserem putzigen Newsletter pflichtgemäß vermeldet, allerdings mit dem Zusatz, aus dem „HB“-Artikel gehe nicht klar hervor, wer beim neuen Firmenkunden-Kredit von Auxmoney denn nun die Bonitätsprüfung macht (und damit den sozusagen disruptiven Kern bzw. den wichtigsten Teil der Wertschöpfungskette für sich beanspruchen darf): Auxmoney? Oder die Berliner Solarisbank, die die Kredite, die Auxmoney an die KMUs vermitteln will, originär zur Verfügung stellt.

Wir hatten getippt: die Solarisbank.

Die Kollegin aber twitterte zu nachtschlafener Zeit:

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Woraufhin wir uns, nachdem wir uns mit einer Tasse Kakao gestärkt hatten, brav entschuldigten …

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…  zugleich jedoch, wie Sie sehen, durchblicken ließen, dass wir dem Braten so ganz dann doch nicht trauen.

Warum nicht?

Gestatten Sie, ein ganz klein wenig auszuholen: Es gibt mittlerweile ziemlich viele Fintechs im deutschen Markt, die irgendwas mit KMU-Finanzierung machen. Aus dem Stand fallen uns Creditshelf, Compeon, Fincompare, Funding Circle, Lendico, Iwoca, besagte Solaris und jetzt eben Auxmoney ein. Dass diese Unternehmen nun aber allesamt irgendwas mit KMU-Finanzierung machen, heißt nicht, dass alle das Gleiche machen. Im Gegenteil, die Geschäftsmodelle unterscheiden sich zum Teil deutlich.

Um das zu verstehen, muss man ins Jahr 2007 zurückblicken, dem Gründungsjahr von Auxmoney. Das Düsseldorfer Startup und der kurz zuvor von Berlin aus gestartete Rivale Smava machten sich damals daran, ein völlig neues Geschäftsmodell zu etablieren: Peer-to-Peer-Lending übers Internet, was bedeutet: Kreditnehmer sind Privatleute, Kreditgeber sind Privatlaute – und der P2P-Lender steht als Plattform (die u.a. die Bonitätsprüfung übernimmt) dazwischen und eliminiert die Bank praktisch vollständig aus dem Prozess der Kreditvergabe (mal abgesehen davon, dass es für die schnöde Abwicklung noch eine Whitelabel-Bank braucht, im Falle von Auxmoney: die SWK Bank).

Aus unserer Sicht (siehe die Fintech-Definition von „Finanz-Szene.de“) ist Auxmoney damit eines der Proto-Fintechs überhaupt. Denn: Die Rheinländer disruptieren die klassischste aller Bankdienstleistungen und dringen dabei knietief in die Wertschöpfungskette vor.

Bloß: Je tiefer ein Fintech in die Wertschöpfungskette drängt, desto länger dauert es in der Regel, bis ein wirkliches Geschäftsmodell daraus wird. Smava beispielsweise war der mühselige Wertschöpfungs-Kram schon bald zu blöd. Die Berliner gingen auf der Evolutionsleiter freiwillig einen Stufe zurück – und schulten um zum reinen Vergleichsportal (also zum Check24 für Konsumentenkredite).

Diese Strategie war nicht dumm. Denn während Smava (und selbst der erst 2012 gestartete Klon „Finanzcheck“) volumenmäßig enteilten (vom Marktführer Check24 ganz zu schweigen …), entwickelte sich Auxmoney jahrelang auf eher bescheidenem Niveau. Dann bekam das Geschäftsmodell aber doch Traction, nicht zuletzt, weil auf der Kreditgeber-Seite die Privatleute peu à peu gegen institutionelle Investoren wie den niederländischen Großversicherer Aegon ausgetaucht wurden. Und irgendwann: War Auxmoney eines des heißesten deutschen Fintechs überhaupt! Wie stark die Düsseldorfer speziell in den letzten ein, zwei Jahren gewachsen sind, haben wir kürzlich erst berichtet (wobei das „Krass“ übrigens maximal unironisch gemeint war) …

http://finanz-szene.de/krass-auxmoney-hat-schon-einen-marktanteil-von-05/

… und das Schöne dabei ist: Die „Knietiefe“ in der Wertschöpfung dürfte sich für Auxmoney längst auch nettoumsatzmäßig bemerkbar machen. Denn: Als Plattform können die Düsseldorfer nach zwei Seiten die Hand aufhalten. Sie kriegen einmal von den Aegons und einmal von den Kreditnehmern ordentlich Geld. Im reinen Vergleichs- bzw. Vermittlermodell ist dagegen eine Bank mit im Spiel, die einen beträchtlichen Teil der Marge für sich beansprucht.

So, einmal kurz innehalten. Was wollten wir eigentlich sagen? Ach ja: Uns beschlich bei der Lektüre des „HB“-Artikels das Gefühl, Auxmoney wolle den Eindruck erwecken, das beschriebene Erfolgsmodell werde nun quasi 1:1 aufs KMU-Geschäft übertragen.  Aber ist dem so?

Noch ein Hintergrund: Nachdem irgendwann 2011/2012 die eigentliche Fintech-Welle nach Deutschland schwappte, gingen in Berlin zwei Player an den Start (nämlich Lendico und die später in „Funding Circle Deutschland“ umbenannte Zencap), die das Auxmoney-Modell klonten, dabei allerdings auf eine andere Zielgruppe setzten: keine Konsumenten, sondern Selbständige, Kleinunternehmer etc.pp.

Bald darauf launchten dann sogar erste Fintechs (Compeon, Fincompare, Creditshelf und das mittlerweile gescheiterte Frankfurter Startup Fintura), denen selbst dieses Geschäftskunden-Segment zu kleinteilig war. Sie nahmen stattdessen „echte“ Mittelständler ins Visier. Indes: Weil sich, sagen wir, ein 1-Mio-Euro-Kredit für einen schwäbischen Maschinenbauer nicht so leicht digitalisieren/automatisieren/standardisieren lässt wie ein 20.000-Euro-Kredit für den „Freiberufler Steffen aus Berlin“ oder gar wie ein 3000-Euro-Kredit für den „Konsumenten Detlev aus Hamm“, schied der Auxmoney-Plattform-Ansatz für diese neuen Startups natürlicherweise aus. Stattdessen ist das, was z.B. Compeon (nach unserem Eindruck: sehr erfolgreich) macht, eine Mischung aus „Check24 für KMUs“ und „KMU-Finanzierungs-Boutique 2.0“. Sprich: Vermittlungsgeschäft.

So, jetzt spielt in die ganze Chose aber noch ein weiterer Trend hinein: Es gibt inzwischen Fintechs, die digitale KMU-Kredite entwickeln, um diese dann über digitale Vermittler wie Fincompare oder Compeon in den Markt zu drücken (auf Bankenseite übrigens hat die ING Diba dasselbe mithilfe der letztes Jahr übernommenen Lendico vor). Eines dieser Fintechs ist Iwoca (kürzlich mit 20 Mio. Pfunde gefunded). Und ein anderes ist besagte Solarisbank (wobei die auch noch tausend andere Sachen macht). Ob diese „digitalen KMU-Kredite“ wirklich für den schwäbischen Mittelständler taugen, oder doch nur für den „Freiberufler Steffen aus Berlin“, wird die Zeit zeigen. Klar aber ist: Speziell die Solarisbank zielt auf den „richtigen“ Mittelstand.

Erhellend ist in diesem Zusammenhang eine Pressemitteilung von Compeon aus dem vergangenen Jahr, in der es hieß:

„Der Digitale Mittelstandskredit, den die Berliner Solarisbank über die Finanzierungsplattform Compeon anbietet, setzt auf eine schnelle Kreditzusage und zeitsparende Prozesse. Was man bislang vor allem von Alternativen Finanzierungsanbietern kannte, gibt es jetzt auch von einer Bank – angeboten über die Compeon-Plattform. Langatmige analoge Abläufe werden dabei für den Unternehmer auf das Minimum reduziert, der gesamte Kreditprozess findet online statt. So ist es möglich, dass eine Finanzierung bis zu 100.000 Euro innerhalb von 24 Stunden und bis zu 750.000 Euro in nur 48 Stunden möglich ist.“

Die Formulierungen lassen keinen Zweifel: Der Kredit wird über Compeon vertrieben. Aber er kommt von der Solarisbank, die folglich auch das Scoring bzw. die  Bonitätsprüfung übernimmt.

Und wie ist es nun bei Auxmoney, wo der „Firmenkundenkredit“ ja auch von Solaris kommt und (Zufall?) auch bis maximal 750.000 Euro reicht ? In der gestern Früh versandten Pressemitteilung steht …

  • Auxmoney nutze „Wettbewerbsvorteile im Bereich Scoring und Technologie aus dem Bestandsgeschäft für die Unternehmensfinanzierung“

und

  • Auxmoney habe „über Jahre neuartige Scoring-Methoden entwickelt, um die Bonität von Selbstständigen differenziert und individuell zu bewerten. Diese langjährige Expertise geht nun auch in die Bonitätsbewertung von Unternehmen ein.“

Also macht wirklich Auxmoney das Scoring und Solaris gibt das Geld? Mmmhhhhh: Neeee.

Wir deuten die Dinge so, dass es sich bei dem, was Auxmoney macht, eher um ein Vor-Scoring auf Basis einzelner KPIs handelt. Das finale Rating hingegen, dabei bleiben wir, kommt: von der Solarisbank. Würden wir darauf unseren Newsletter verwetten? Nein. Aber immerhin unseren morgendlichen Kakao, und der ist uns fast genauso heilig.

Alles Haarspalterei? Nope! Denn während Auxmoney im Konsumenten-Geschäft ganz allein zwischen institutionellem Investor und Kreditnehmer steht (okay: mit ein bisschen Whitelabel-Bank dahinter), würden wir beim Firmenkunden-Kredit davon ausgehen, dass Solaris einen großen Teil der Kredite an seinen Verbriefungs-Partner Crosslend (mehr zu dieser Partnerschaft hier …) weiterreicht und die Kredite von dort dann schließlich bei irgendeinem „Insti“ landen. Hieße: Nicht ein Fintech besetzt die Wertschöpfungskette. Sondern drei (Auxmoney, Solaris und Crosslend).

Wobei: Wer die Geschichte, die Geduld und den Ehrgeiz von Auxmoney kennt und sich zudem die Formulierungen in der Pressemitteilung ansieht, der ahnt, dass sich das Düsseldorfer Proto-Fintech mit dieser Form des Margen-Sharings auch im KMU-Geschäft nicht dauerhaft zufriedengeben wird.

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