von Christian Kirchner und Heinz-Roger Dohms, 23. Dezember 2022
In unserer zehnteiligen Ausblicks-Serie schauen wir auf das, was Banken und Fintechs im kommenden Jahr umtreiben wird.
Heute Teil #5: Payment
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Seit Mastercard das Maestro-Aus verkündete, war die kommunikative Linie der deutschen Banken: Kriegen wir alles hin – und es wird tolle Lösungen für die Kundinnen und Kunden geben. Doch ist das das wirklich so? Inzwischen (siehe unser Scoop -> „Deutsche Banken erhalten Schonfrist – Mastercard revidiert Maestro-Aus“) weiß man, dass der Übergang in die Post-Maestro-Welt ganz so reibungslos dann doch nicht funktionieren wird. Offen allerdings ist: Werden am Ende nur einige wenige Banken (namentlich aus dem Genosektor) von der „Schonfrist“ Gebrauch machen – oder sieht sich am Ende die halbe Branche gezwungen, über die vermeintliche Deadline (also über den 30. Juni) hinaus noch Girocards mit Maestro-Co-Badge auszugeben? So oder so: Die Umstellung wird eine Herkulesaufgabe (neben all den anderen Herkulesaufgaben, die 2023 anstehen, siehe zum Beispiel das Thema „Target2-Migration“). Schätzungsweise 60 Mio. bis 70 Mio. Girocards müssen mit einer Alternative zu Maestro ausgestattet werden, um die Nutzung im Ausland sowie im E-Commerce sicherzustellen. Ein technischer und logistischer Kraftakt, für den sich lediglich die Sparkassen mit ihren alternativen Co-Badge-Lösungen frühzeitig gerüstet haben. Bei Privatbanken und VR-Banken hingegen steht der Rollout der neuen Karten noch aus. Und die Zeit rennt. Hinzu kommt: Für Banken und Sparkassen gibt es bei der Umstellung zwar viel zu verlieren – aber wenig zu gewinnen. Ein beträchtlicher Teil der Kundschaft hat sich online (Paypal, Kreditkarte) sowie auf Reisen (Kreditkarte, Debitkarte) längst an andere Bezahlverfahren gewöhnt. Die Girocard wird also hier mit viel Aufwand für Use-Cases fitgemacht, nach denen viele Kunden womöglich gar nicht mehr fragen. Bei einer anderen, eher konservativen Klientel wiederum wird die Umstellung zu erheblichem Informationsbedarf führen: Schon wieder eine neue Karte? Wofür denn? Und brauche ich die wirklich? Im besten Falle werden unseren Banken irgendwann im Laufe des nächstens Jahres wissen, ob die Umstellung funktioniert hat. Ob sie sich auch gelohnt hat – das ist eher eine Frage für 2024.
Jahrelang nahm die Nutzung von Cash auch hierzulande stetig ab – eine Entwicklung, die sich in der Pandemie sogar noch einmal merklich beschleunigte. Dann jedoch diagnostizierte die Bundesbank in ihrer großen Zahlungsverhaltens-Studie diesen Sommer (siehe -> Zehn Erkenntnisse aus der Payment-Studie der Bundesbank) überraschend, dass sich der Trend verlangsamt habe.
Konkret:
Klar ist: Die Cash-Renaissance wird ausbleiben, elektronische Bezahlmethoden strukturell weiter wachsen. Aber mit welchem Tempo? Ein Indiz, dass sich der säkulare Trend verlangsamen könnte: Der Anteil der Debitkarten (inklusive Girocard) an allen Transaktionen ist 2021 interessanterweise geschrumpft, und zwar um einen halben Prozentpunkt auf 22,6%. Gibt es möglicherweise eine gar nicht so dünne Kundenschicht, die mehr oder weniger eisern am Bargeld festhält?
Für die GuVs von Banken und Sparkassen wäre das eine schlechte Nachricht. Denn Bargeldversorgung verursacht Kosten, am Karteneinsatz hingegen wird verdient. Im Zahlungsverkehr die Erträge zu steigern, könnte schwieriger werden.
Sollte es in der deutschen Kreditwirtschaft jemals einen Payment-Masterplan gegeben haben, dann sah der ja ungefähr so aus:
So ganz, darf am Übergang von 2022 zu 2023 konstatiert werden, ist dieser Plan nicht aufgegangen:
Für 2023 ergeben sich somit etliche Fragen, von denen die spannendste sein könnte: Wenn jetzt die EPI-Wallet kommt und selbige (wie wir mal vermutet hatten) auf den Benelux-Lösungen Payconiq bzw. iDeal fußt – wie groß ist dann noch der strategische Nutzen von Giropay?
Apple Pay wurde von Skeptikern lange Zeit als Hype-Thema abgetan. Die Sparkassen führten die Zahlfunktion verspätet ein. Die ING Diba ebenso. Bei der Postbank gibt es bis heute kein Apple Pay. Und die Genobanken verzichten zumindest auf die Verknüpfung mit der Girocard.
Dabei könnte Apple Pay 2023 der endgültige Durchbruch im Massenmarkt gelingen. Nicht nur am Point of Sale. Sondern vor allem im E-Commerce. Denn wer Apple in seinem Smartphone hinterlegt hat, der nutzt es immer häufiger auch für app-basierte Zahlungen – eine Erfahrung, zuletzt beispielsweise im Sparkassen-Lager für Begeisterung sorgte (hören wir jedenfalls hinter vorgehaltener Hand). Dort ist man mittlerweile froh, gerade noch rechtzeitig die Mutation vom Nachzügler zum Frontrunner vollzogen zu haben.
Viele Zahlen gibt es noch nicht. Ein paar aber schon. So lag der Anteil der Apple-Pay-Transaktionen laut der oben bereits erwähnten Payment-Studie der Bundesbank im Jahr 2021 bei knapp 2% aller Transaktionen (inklusive der Bartransaktionen!!!). Man muss kein Optimist sein für die These, dass 3% oder gar 5% im Jahr 2023 schon in Reichweite sein dürften.
Apple Pay wäre dann kein Hype-Thema ist. Sondern für eine kritische Zahl von Kunden eine wesentliche Grundlage für die Nutzung von Bankdienstleistungen.
Der Milliardenkonzern Worldline ist es eigentlich gewohnt zu gewinnen – auch am deutschen Markt, wo den Franzosen nach der Übernahme von Ingenico unter anderem 60% am Sparkassen-Acquirer Payone gehören.
Zuletzt indes hat Worldline hierzulande augenscheinlich verloren, nämlich gleich mehrere wertvolle Mandate im Issuing Processing:
Wie geht es nun weiter für die Franzosen? Auch darauf dürfte 2023 eine Antwort geben.
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