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Lastschrift hui, Rechnung pfui – ist es wirklich so einfach, liebes EHI?

Die jährlich vorgelegte EHI-Studie zum Bezahlverhalten am stationären Point of Sale (siehe diese Woche unser Artikel -> Girocard über den Peak? So verändert sich das Bezahl-Verhalten an der Ladenkasse) steht mit guten Gründen im Ruf, so etwas wie der Goldstandard unter den vielen Payment-Erhebungen da draußen zu sein. Weil: Man sollte sich zwar hüten, die Repräsentativität der Studie überzubewerten, schließlich fehlen beispielsweise die Tankstellen, die Apotheken oder auch die Gastronomie. Allerdings: Wer wissen will, wie bei Rewe oder in unseren Innenstädten bezahlt wird, der darf sich von der EHI-Erhebung trotzdem hinreichend informiert fühlen. Das „EHI Retail Institute“ ist ja letztlich eine Einrichtung des Einzelhandels. Und da es sich bei den typischen EHI-Mitgliedern um große, stationäre Händler handelt, sollte man davon ausgehen, dass die allermeisten von ihnen die „Erhebungsbögen“ des EHI brav und einigermaßen wahrheitsgetreu ausfüllen.

Ein bisschen anders, würden wir jetzt einfach mal behaupten, verhält es sich möglicherweise mit den diese Woche ebenfalls veröffentlichten EHI-Ergebnissen zum deutschen „Online-Payment“. Denn: Diese Zahlen sind zwar ebenfalls ziemlich interessant. Sie sind allerdings teilweise soooo interessant, dass sich beim Lesen zumindest an zwei Stellen die „Kann das wirklich sein?“-Frage aufdrängt. Und zwar: 1.) Kann es wirklich sein, dass der am Umsatz bemessene Marktanteil von „Kauf auf Rechnung“ binnen nur eines Jahres von mehr als 28% auf plötzlich nur noch knapp 24% regelrecht einbricht? Und 2.) Wie kommt es, dass der „Kauf per Lastschrift“ urplötzlich und quasi spiegelbildlich um fast vier Prozentpunkte von gut 17% auf annähernd 21% in die Höhe schnellt?

Einmal von vorne: Die laut EHI beliebteste Online-Bezahlmethode der Deutschen ist (anstelle des Rechnungskaufs) jetzt Paypal mit einem Marktanteil von inzwischen fast 30%. Plausibel? Klar. Genauso wie es plausibel ist, dass die Kreditkarte nur noch leicht auf 12% gewinnt (siehe auch -> Trendumkehr nach Jahrzehnten: Zahl der Kreditkarten sinkt drastisch) und Paydirekt im Zuge der Fusion mit Giropay zwar nicht mehr ganz so marginal daherkommt wie vorher, aber halt immer noch sehr marginal (1,6%). Fairerweise: Die EHI-Erhebung bezieht sich rein auf physische Güter. Dadurch fehlt zum Beispiel die Deutsche Bahn (wo Giropay womöglich etwas stärker ist) – und es fehlen halt auch die ganzen Bookings und Airbnbs und was es sonst noch gibt …

Sehr wohl mit von der Partie (und damit zurück zu unseren Fragen von weiter oben) ist indes nach allem, was man weiß Amazon. Und da die Lastschrift bei Amazon traditionell weit verbreitet ist, drängt sich die folgende Interpretation auf: Amazon wächst. Also wächst auch die Lastschrift. Und da man bei Amazon nicht mit Paypal bezahlen kann, wächst die Lastschrift halt sogar noch ein bisschen mehr. So einfach??? Ja, vielleicht. Vielleicht aber auch nicht. Denn: Warum hat die Lastschrift dann in den letzten Jahren (wo die Rahmenbedingungen ähnlich waren) Marktanteile verloren statt gewonnen? Und ebenfalls noch zu klären wäre, warum zugleich der Rechnungskauf dermaßen abschmiert (zumal Ratenkauf/Finanzierung separat ausgewiesen wird, man also auch nicht einfach sagen kann, verantwortlich sei halt das Platzen der BNPL-Blase) …

Gibt es also noch weitere Erklärungen? Ja, womöglich – denn: Die EHI-Erhebung beruht zwar auf der Befragung von 138 Händlern, erfasst aber nur Nettoumsätze in Höhe von rund 47 Mrd. Euro. Da zugleich allein die 50 größten deutschen Online-Händler bereits 2021 auf Umsätze von rund 50 Mrd. Euro kamen (Quelle: EHI), muss es notwendigerweise so sein, dass einige der E-Commerce-Schwergewichte hierzulande die „Erhebungsbögen“ des EHI eben nicht brav ausfüllen. Und schaut man sich an, wer hinter Amazon sonst noch so in den Top-10 auftaucht (z.B. Otto, Mediamarkt, Ikea, Saturn, Apple) – dann sind da auch solche bei, bei denen die Lastschrift vermutlich weniger verbreitet ist als bei Amazon, während beispielsweise Otto traditionell stark auf den Rechnungskauf setzt. Was man mit Blick auf die „Online-Payment“-Zahlen des EHI also fragen könnte: Wer von den großen Händlern hat denn diesmal bei der Erhebung? Und vor allem – wer nicht? Leider stand das EHI für eine Diskussion seiner Studien-Ergebnisse gestern nicht zur Verfügung.

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